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Politik

Europawahl: Grüne wollen mehr Forschung zu Long und Post COVID

Donnerstag, 14. September 2023

Ricarda Lang, Bundesvorständin der Grünen, zeigt das Papier mit dem Entwurf des Bundesvorstands zum Europawahlprogramm 2024 bei der Vorstellung des Antrags für das Wahlprogramm zur Europawahl 2024. /picture alliance, Britta Pedersen

Berlin – Die Grünen wollen mehr Forschung zu Diagnostik und Heilungsmethoden von Long COVID und Post COVID in Europa ermöglichen. Das geht aus dem Entwurf zum Europawahlpro­gramm der Partei hervor, der heute in Berlin vorgelegt wurde.

„Auch wenn mit den Ausgangsbeschränkungen oder der Maskenpflicht die sichtbarsten Zeichen der Corona­­­pandemie verschwunden sind, leiden noch immer viele Menschen unter den Folgen von COVID-19“, heißt es in dem Papier.

Betroffene von myalgischer Enzephalomyelitis beziehungsweise dem chronischen Erschöpfungssyndrom (ME/ CFS), von Post-Vac oder von Long COVID fänden nicht die notwendige Aufmerksamkeit, würden fehldiagnosti­ziert oder träfen auf Vorurteile. Deshalb wolle man „auf europäischer Ebene Forschungsgelder zur Diagnostik dieser Krankheitsbilder sowie zu Heilungsmethoden bereitstellen“.

Um grenzüberschreitende Gesundheitskrisen besser zu bewältigen und die Krisenvorsorge zu stärken, wollen die Grünen enger auf europäischer und globaler Ebene zusammenarbeiten. Die EU habe eine wichtige Rolle, um nationale Maßnahmen zu unterstützen und zu ergänzen. Sie kann auch global einen wichtigen Einfluss ausüben, hieß es.

Auf internationaler Ebene stehen die Grünen dafür ein, die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und multilate­rale Gesundheitsinitiativen politisch, finanziell und personell zu stärken sowie den globalen Zugang zu bezahl­baren Medikamenten zu verbessern. Es sei „eine Frage der Solidarität, denn Gesundheitskrisen treffen die Ärmsten häufig am stärksten“, schreibt die Partei.

Antibiotikaresistenzen und Arzneimittelversorgung

Als erforderlich erachten die Grünen einen europäischen Austausch zur Pandemiebekämpfung, etwa durch ein EU-Sachverständigennetz­werk. COVID-19 sei – neben beispielsweise Aids oder Ebola – ein weiterer Fall einer Zoonose, hieß es. Damit unterstreiche die Coronapandemie einmal mehr, dass die menschliche Gesundheit nicht isoliert betrachtet werden sollte, sondern in engem Zusammenhang mit der Umwelt und der Tierge­sundheit stehe.

„Deshalb ist der One-Health-Ansatz ein Leitbild für unsere Gesundheitspolitik: Ausreichend Raum für die Na­tur hilft im Kampf gegen Zoonosen; weniger Antibiotika in der Massentierhaltung führt zu weniger Antibio­tika­resistenzen; saubere Luft und weniger Giftstoffe in der Umwelt retten Menschenleben.“

Den Antibiotikaresistenzen widmen die Grünen einen eigenen Absatz in dem Programm. Darin heißt es, man wolle Antibiotika besonders in der Landwirtschaft in den Blick nehmen, den umsichtigen Einsatz von Antibio­tika in der Humanmedizin stärken und die Forschung fördern. Zudem sollten schnelle Diagnosetests, die vor einer Verschreibung überprüfen, ob die Behandlung mit Antibiotika geboten ist, in ausreichender Menge verfügbar seien.

Darüber hinaus sprechen sie sich für eine EU-Liste für Reserveantibiotika aus, die für die Humanmedizin vor­behalten bleiben und nicht in der industriellen Tierhaltung eingesetzt werden dürfen. Außerdem wolle man den Import von tierischen Produkten beenden, bei denen in der EU verbotene Antibiotika eingesetzt wurden.

Als wichtiges Thema ordnet die Partei auch die Arzneimittelversorgung ein. Die EU sei bei Arzneimitteln und ihren Wirkstoffen zu sehr von Importen aus Drittstaaten abhängig, heißt es. Künftig müssten kritische Arznei­mittel, die jederzeit unentbehrlich seien, beispielsweise wichtige Antibiotika, durch eine Produktion in Europa zuverlässig verfügbar sein.

Zum anderen wolle man Wirkstoffe für Krankheiten entwickeln, für die es bislang keine oder nur unbefrie­di­gende Diagnose- oder Therapiemöglichkeiten gebe. Die Anreize für Forschung und Entwicklung sowie der Schutz von geistigem Eigentum dürften zugleich aber nicht die Bezahlbarkeit von essenziellen Arzneimitteln gefährden und den Markteintritt von Generika unverhältnismäßig verzögern.

Bei den Preisen für Arzneimittel machen die Grünen einen Mangel an Transparenz aus. Gerade wenn öffent­liche Mittel für die Arzneimittelentwicklung eingesetzt werden, sollte das mit Transparenz über die Kosten für Forschung und Entwicklung sowie die Preisgestaltung einhergehen.

Mehr tun für die Pflege

In der Pflege zeigen sich die Grünen über den Mangel an Pflegefachpersonen in der EU besorgt. „Deshalb wollen wir die Attraktivität des Pflegeberufs steigern, die berufliche Freizügigkeit innerhalb der EU in diesem Bereich erleichtern und die Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals verbessern. Ziel müssten einfachere Anerkennungsverfahren für Studienabschlüsse sowie für Aus- und Weiterbildungen von Pflegefachpersonen innerhalb der EU und aus dem Ausland sein.

Wichtig sei es zudem, den Beruf attraktiver zu gestalten. Im Rahmen der EU-Pflegestrategie setze man sich für wettbewerbsfähige Arbeitsbedingungen und Gehälter der professionellen Pflege gegenüber anderen Branchen ein. Zudem brauche es mehr Investitionen in Pflegeeinrichtungen sowie in die Aus und Weiterbil­dung von Pflegefachpersonen.

Um die Situation der Pflegekräfte in der häuslichen Betreuung zu verbessern, fordern die Grünen eine Über­arbeitung der Rechtsvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit, um sicherzustellen,
dass auch angestellte Pflegekräfte in privaten Haushalten einbezogen werden und gute Arbeitsbedingun­gen haben.

Legalisierung von Cannabis in ganz Europa

Bei einem der Herzensprojekte der Grünen, dem Thema Cannabis, will sich die Partei für eine europaweite Legalisierung einsetzen. Das europäische und internationale Recht setze aktuell den Mitgliedstaaten im Um­gang mit Cannabis enge Grenzen.

„Wir streben eine europaweite Legalisierung und kontrollierte Abgabe von Cannabis an. Deshalb werden wir uns in Europa dafür einsetzen, dass das europäische und internationale Recht in Bezug auf die Produktion, den Vertrieb und Verkauf von Cannabisprodukten entschärft wird.“

Es brauche in Europa eine „zeitgemäße Drogenpolitik, die Gesundheit und Jugend­schutz in den Vordergrund stelle und die kriminellen Strukturen hinter dem Drogenhandel effektiv bekämpfe. „Mit einem ersten großen Schritt bei der Legalisierung von Cannabis in Deutschland macht die Ampelkoalition endlich Schluss mit der gescheiterten Drogenpolitik der letzten Jahrzehnte“, schreiben die Grünen.

Darüber hinaus stehen für die Partei die Themen psychische Gesundheit, Einsamkeit und Digitalisierung im Fokus. Ein elementares Thema ist für die Grünen der Klimaschutz. „Wir setzen uns dafür ein, dass sich unser Kontinent als erster klimaneutraler Standort der Welt durchsetzt", sagte der Ko-Vorsitzende Omid Nouripour. „Europa ist stärker mit mehr EU“, betonte auch er.

„Weil wir wissen, dass wir gemeinsam mehr erreichen können als im nationalen Alleingang, wollen wir die Europäische Union demokratischer und nahbarer machen“, heißt es in der Präambel des Programmentwurfs. Betont werden Kompromissbereitschaft und Pragmatismus. Um Fortschritte zu erzielen, „sind wir bereit, über unseren Schatten zu springen, wenn es bedeutet, dass wir dadurch gemeinsam vorankommen“. In der Migra­tionspolitik sollten „Humanität und Ordnung im Einklang miteinander stehen“, sagte Nouripour.

Ein Beispiel ist die umstrittene Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid (CCS). Zwar betonen die Grünen, der Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas sowie der Ausbau erneuerbarer Energien müssten im Vordergrund stehen. Wo Emissionen nicht zu vermeiden seien wie beispielsweise in der Zementindustrie, müsse man aber auch „technologische Chancen nutzen und das CO2 direkt bei der Produktion abscheiden, speichern und gegebenenfalls nutzen“.

Zur Sozialpolitik sagte Lang, die Grünen wollten „ein neues Gerechtigkeitsversprechen für die Breite der Ge­sellschaft“. Auf EU-Ebene solle es „eine bessere Koordinierung der Sozialsysteme“ geben, um grenzüber­schrei­tendes Arbeiten zu erleichtern und zugleich Ausbeutung zu verhindern.

„Europa ist mehr als ein Wirtschaftsraum. Die Europäische ist auch eine soziale Union, die sich dem sozialen Fortschritt verschrieben hat“, heißt es in dem Programmentwurf. Dazu gehörten auch „faire Löhne“ und „ver­lässliche Arbeitsbedingungen“ sowie wirksame Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mer.

Die europäische Verkehrswende wollen die Grünen vorantreiben und „so viele Verkehrsmittel wie möglich elektrisch mit erneuerbaren Energien betreiben“. Um umweltfreundliche Mobilität zu erleichtern, fordert die Partei zudem ein gemeinsames Ticketing-Angebot für die europäischen Bahnen.

Der Programmentwurf soll nun in der Partei diskutiert und dann Mitte November auf einem Bundesparteitag beschlossen werden. Seine Vorstellung ging einher mit der Präsentation eines neuen Designs der Parteisym­bole auf einem nun dunkelgrünen Hintergrund. © afp/may/EB/aerzteblatt.de

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