Politik
Hepatitis A: Tiefkühlerdbeeren in Verdacht, Produkt noch nicht identifiziert
Freitag, 15. September 2023
Berlin – In Deutschland werden möglicherweise Tiefkühlerdbeeren verkauft, die mit Hepatitis-A-Viren kontaminiert sind. Dem Robert-Koch-Institut (RKI) sind bisher 55 Fälle bekannt, in denen eine Sequenzierung der Viren auf dieselbe Quelle hinweist, die laut einem Bericht im Epidemiologischen Bulletin (2023; 37: 3-6) aber noch nicht identifiziert werden konnte.
Tiefgefroren bewahren Früchte nicht nur ihren Geschmack. Auch Viren überleben die Minustemperaturen unbeschadet und können nach dem Verzehr Infektionen verursachen. Ein häufiger Erreger sind Hepatitis-A-Viren, die oral übertragbar sind.
In ärmeren Ländern infizieren sich häufig Kinder und Jugendliche, bei denen die Erkrankung in der Regel asymptomatisch verläuft und eine vermutlich lebenslange Immunität hinterlässt. In höher entwickelten Ländern wie Deutschland sind Infektionen im Kindes- und Jugendalter selten geworden. Erstinfektionen im Erwachsenenalter können jedoch zu schweren Erkrankungen führen und auch tödlich enden.
In den vergangenen Jahren hat es immer wieder Häufungen von Hepatitis-A-Erkrankungen gegeben. Da die Tiefkühlwaren überregional verkauft werden, wurde früher kein Zusammenhang erkannt. Dies hat sich durch die Möglichkeit einer Genomsequenzierung geändert. Wenn bei verschiedenen Personen genetisch identische Erreger gefunden werden, ist der Verdacht auf eine gemeinsame Quelle gegeben.
Zuletzt konnten Erkrankungen des Öfteren auf Tiefkühlerdbeeren zurückgeführt werden. Nach Ausbrüchen in Irland, Norwegen, Schweden und Österreich war Deutschland zwischen Oktober 2018 und Januar 2020 betroffen. Damals erkrankten 65 Personen mit genetisch identischen Hepatitis-A-Viren. Bei den Befragungen hatten 27 von 46 Patienten den Verzehr einer Tiefkühlerdbeertorte angegeben. Bei 25 Patienten war es dieselbe Marke gewesen.
Die Rückverfolgungen ergaben, dass ein polnischer Hersteller, der an früheren Ausbrüchen in Schweden und Österreich beteiligt war, gefrorene Erdbeeren aus Ägypten über einen Großhändler erhalten hatte, der auch gefrorene Erdbeeren an den Hersteller der Erdbeertorte lieferte.
Phylogenetische Analysen brachten den Ausbruchsstamm mit ähnlichen Stämmen in Verbindung, die früher in Abwässern, Stuhlproben und Erdbeeren in Ägypten gefunden wurden. Ein Team um Jürgen Wenzel vom Konsiliarlabor für Hepatitis A und E am Universitätsklinikum Regensburg hatte darüber in Eurosurveillance (2020; DOI: 10.2807/1560-7917.ES.2020.25.37.1900670) berichtet.
Im Januar 2022 wurde das Robert-Koch-Institut (RKI) vom Konsiliarlabor erneut über acht Erkrankungen mit einem identischen Hepatitis-A-Virus aus zwei Bundesländern (Hessen und Bayern) informiert. Das RKI startete eine aktive Fallfindung, die bis zum 8. September 2023 insgesamt 55 Fälle zutage beförderte, bei denen die Gensequenzen der Erreger übereinstimmten.
Bei vier weiteren Fällen gab es eine epidemiologische Verbindung. Unter den 59 Fällen waren übrigens 15 Sekundärfälle, bei denen Erkrankte andere Menschen in ihrer Umgebung angesteckt hatten. Wie Wenzel zusammen mit Mitarbeitern des RKI berichtet, waren 38 der 55 Patienten (69,1 Prozent) so schwer erkrankt, dass sie im Krankenhaus behandelt werden mussten. Todesfälle sind bisher nicht bekannt geworden.
Bei den Befragungen konnten sich 25 von 39 Patienten (64,1 Prozent) sicher oder wahrscheinlich an den Verzehr von Tiefkühlerdbeeren erinnern, weitere sieben Patienten (17,9 Prozent) hielten dies für möglich. Die lange Inkubationszeit der Hepatitis A von 15 bis 50 Tagen erklärt mögliche Erinnerungslücken.
Bislang ist es nicht gelungen, die kontaminierten Produkte zu identifizieren. Die Spur konnte nur bis zu einer „Supermarktkette A“ zurückverfolgt werden, aber nicht zu einen bestimmten Produkt. Die Forscher sind sich allerdings ziemlich sicher, dass es sich um Tiefkühlerdbeeren gehandelt haben muss.
Deren Verzehr war in einem Fall-Kontroll-Vergleich von den Patienten neunmal häufiger angegeben worden als in einer Umfrage eines Marktforschungsinstituts. Die adjustierte Odds Ratio von 9,1 war jedenfalls mit einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 3,1 bis 26,6 signifikant.
Die Fallpersonen hatten auch 2,6 Mal häufiger als die Kontrollpersonen in der „Supermarktkette A“ eingekauft. Hier verfehlte die Odds Ratio mit einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 0,9 bis 7,1 jedoch knapp die statistische Signifikanz. Der letzte Beweis müsste ohnehin durch den Nachweis der Viren in der angebotenen Ware erbracht werden.
Bis dies nicht gelungen ist, können sich weitere Personen durch den Verzehr von Tiefkühlerdbeeren infizieren. Dies wäre auch nach der Identifizierung und der Entfernung der kontaminierten Ware aus den Verkaufstruhen noch möglich, wenn die Verbraucher die Tiefkühlerdbeeren für einen späteren Verzehr zuhause im Eisfach zwischenlagern.
Die RKI-Mitarbeiter halten es für möglich, dass sich noch mehr als die 59 bekannten Fälle infiziert haben. Derzeit würden die Erreger nur bei einem Teil der Erkrankten sequenziert. In 2022 waren es etwa 16 Prozent und in 2023 bislang etwa 22 Prozent. © rme/aerzteblatt.de

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