Politik
Zunahme an Angriffen auf Gesundheitseinrichtungen- und personal
Dienstag, 19. September 2023
Berlin – Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen und auf Personal im Gesundheitswesen nehmen weltweit seit einigen Jahren deutlich zu. Das betonte Ralf Südhoff, Direktor der Denkfabrik Centre for Humanitarian Action (CHA), gestern im Unterausschuss Globale Gesundheit des Gesundheitsausschusses im Bundestag.
Seit 2017 gebe es einen klaren Trend der massiven Zunahme von entsprechenden Angriffen, so Südhoff. Dabei gehe es nicht nur um Behinderung von Transporten, sondern vor allem seien gezielte Angriffe mit schweren Waffen oder Kleinwaffen zu verzeichnen.
Zudem werde Gesundheitspersonal oftmals daran gehindert, verletzte Personen in Konfliktregionen zu erreichen, ergänzte Micaela Serafini vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK). Das IKRK vereint der Ärztin Serafini zufolge zwölf medizinische und humanitäre Organisationen, die mehr als 30 Millionen Gesundheitsfachkräfte weltweit repräsentieren.
Das Problem verschärfe sich insbesondere in Krisen- und Konfliktregionen in manchen afrikanischen Ländern, darunter Südsudan, Mali oder die Demokratische Republik Kongo, aber auch unter anderem in der Ukraine, Syrien oder Myanmar, berichtete Südhoff.
„Die Herausforderungen im Gesundheitsbereich in Kriegen und Konflikten sind kein punktuelles Problem, sondern stehen für einen weit größeren Trend“, erklärte Südhoff weiter. Auch Entwicklungshelfende und humanitäre Helferinnen und Helfer werden zunehmend Opfer von gezielten Angriffen.
Die Zunahme der Angriffe erklärte Südhoff damit, dass die Zahl und Dauer von gewalttätigen Konflikten in den vergangenen Jahren massiv gestiegen seien. „80 Prozent der humanitären Hilfe muss in Konfliktgebieten geleistet werden“, so Südhoff, der vormals lange beim Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) und bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO) tätig war. Dies sei mit viel größeren Sicherheitsrisiken verbunden als etwa bei Einsätzen nach Naturkatastrophen.
Zudem haben sich die Merkmale der teilnehmenden Konfliktparteien geändert. Interstaatliche Konflikte zwischen Nationen, die dem Völkerrecht und damit dem Schutz der Helfenden verpflichtet sind, seien inzwischen die Ausnahme. Stattdessen beteiligen sich immer mehr nicht staatliche Akteure und diverse Akteure an Konflikten. Zudem gebe es stärker wechselnde Koalitionen und Konfliktlinien, was das Monitoring erschwere, so Südhoff.
Auch die Bevölkerung sei für manche Angriffe verantwortlich, ergänzte Serafini. Dies passiere häufig aufgrund von Fehlinformationen oder Mangel an Informationen. Diese unterschiedlichen Motivationen und Fälle müssten sehr genau analysiert werden, so Serafini.
Gesundheitskräfte werden instrumentalisiert
Darüber hinaus werden humanitäre Prinzipien zunehmend als internationale und westliche Instrumentalisierungen interpretiert, so Südhoff. Etwa aufgrund möglicher Migrationsabwehr oder weil nur bestimmte Konfliktparteien mit humanitärer Hilfe unterstützt werden, würden Helfende oft als westliche Akteure einer Konfliktpartei gesehen und mehr Angriffen ausgeliefert sein.
Betroffen von den Angriffen seien aber zudem auch immer häufiger lokale Hilfskräfte und Gesundheitspersonal. Dies erklärt sich Südhoff damit, dass internationale Organisationen versuchen würden, Risiken an lokale Kräfte auszulagern. Diese kennen sich zwar vor Ort besser aus, seien aber oftmals nicht befähigt und ausgestattet, in Krisenregionen entsprechende Hilfe zu leisten und sich selbst zu schützen. Er bemängelte zudem, dass lokale Helfer unzureichend Mitspracherechte hätten.
Hilfreich wäre eine Erweiterung des humanitären Völkerrechts, sodass entsprechende Systeme lokaler gestaltet und besser befähigt werden, schlägt Südhoff vor. Lokale Akteure vor Ort müssten besser unterstützt werden, um im medizinischen Bereich sichere und nachhaltige Hilfe zu leisten und sich selbst dabei auch besser zu schützen, fordert er.
Konkrete Programme, um Gesundheitssysteme zu unterstützen
Das Programm „Health Care in Danger“ des internationalen Roten Kreuzes sei vor mehr als einem Jahrzehnt gestartet und versuche genau diese Probleme zu adressieren und konkrete praktische Hilfen zu geben, erklärte Serafini. Die Initiative habe Instrumente und Leitlinien entwickelt, um die Rechte von Gesundheitspersonal besser zu verdeutlichen und Möglichkeiten an die Hand zu geben, sich besser zu schützen.
Serafini forderte die Bundesregierung zudem auf, in diesen Fragen ressortübergreifender zu arbeiten und zivilgesellschaftliche Organisationen stärker miteinzubinden. Es brauche weiter konkrete Programme mit greifbaren Maßnahmen, um Gesundheitssysteme zu unterstützen und gewalttätige Angriffe zu reduzieren, so Serafini, die lange bei Ärzte ohne Grenzen tätig war.
Südhoff ergänzte, dass es mehr Investitionen und Glaubwürdigkeit in der humanitären Diplomatie brauche. Hier komme Deutschland als weltweit zweitgrößter Geber bei humanitären Hilfen eine entscheidende Rolle zu. Das deutsche humanitäre Budget lag Südhoff zufolge 2017 bei etwa 1,8 Milliarden Euro.
Laut der aktuellen Budgetplanung des Bundeshaushaltes soll das Budget auf dieses Niveau für 2024 auf dieses Niveau zurückfallen, trotz vieler Großkrisen, des Kriegs in der Ukraine sowie der „größten Welternährungskrise der modernen Zeit“ und dramatischen Folgen der Coronapandemie im globalen Süden, kritisierte Südhoff. Diese aus seiner Sicht unzureichende Finanzierung werde auch als mangelnde Glaubwürdigkeit im globalen Süden wahrgenommen, wenn man diesen drängen wolle, humanitäre Prinzipien stärker zu befolgen. © cmk/aerzteblatt.de

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