Medizin
Vorhofflimmern: Bessere Ergebnisse mit oralen Antikoagulanzien
Montag, 12. Juni 2006
Hamilton - Die Idee, die riskante Therapie mit oralen Antikoagulanzien bei Patienten mit Vorhofflimmern durch eine Kombination aus ASS und Clopidogrel zu ersetzen, endete in einer Enttäuschung. Bei den jetzt vorgestellten Ergebnissen der “ACTIVE W”-Studie im Lancet (2006; 367:1903-1912) war das Risiko von schweren Blutungen sogar tendenziell erhöht, wenn die vermeintlich wirkungsärmeren antithrombotischen Medikamente kombiniert wurden.
ASS und Clopidogrel haben einen unterschiedlichen Wirkungsmechanismus, weshalb ihre Kombination lange Zeit als besonders viel versprechend betrachtet wurde. Die Wirkung lässt sich durch die Kombination zweifellos verstärken. Doch die komplette Ausschaltung der Thrombozytenaggregation durch ASS und Clopidogrel erhöht auch die Risiken. Sie können am Ende sogar größer sein als bei einer oralen Antikoagulanzien.
Beide Strategien kommen bei Patienten mit Vorhofflimmern zum Einsatz, bei denen es in dem funktionell asystolischen linken Vorhof schnell zur Bildung von Blutgerinnseln kommen kann, die dann als Thrombus in die Hirnarterien abdriften, wo sie einen ischämischen Schlaganfalls auslösen. Orale Antikoagulanzien können die Bildung eines Thrombus verhindern, aber das Risiko von schweren Blutungen, die im Gehirn zu einem Schlaganfall führen, ist gefürchtet.
Die „Atrial fibrillation Clopidogrel Trial with Irbesartan for prevention of Vascular Events (ACTIVE W)“- Studie gehört zu den zahlreichen Studien, die nach der goldenen Mitte zwischen optimaler Schlaganfall-Prävention bei minimalen Blutungsrisiken suchen. Wichtig für die Beurteilung sind die Einschlusskriterien, da eine stärkere Gefährdung den Einsatz eines riskanten Medikaments durchaus rechtfertigen würde. Die Teilnehmer der ACTIVE W-Studie können als Hochrisiko-Patienten eingestuft werden. Sie hatten neben einem per EKG diagnostiziertem Vorhofflimmern noch mindestens einen weiteren Schlaganfall-Risikofaktor (zum Beispiel Alter über 75 Jahre, Hypertonie, frühere Schlaganfälle). Unter der Leitung von Stuart Connolly von der Hamilton Health Sciences Corporation in Hamilton im kanadischen Teilstaat Ontario wurden die Patienten randomisiert auf eine Behandlung mit Clopidogrel (75 mg/die) plus ASS (75-100 mg/die) oder auf eine oralen Antikoagulation mit einem Vitamin-K-Antagonisten. Zielwert es ein INR zwischen 2 und 3.
Die Studie wurde im August letzten Jahres vorzeitig gestoppt, nachdem ein eindeutiger Vorteil der oralen Antikoagulation unverkennbar wurde. Das jährliche Risiko eines ischämischen Ereignisses betrug unter ASS plus Clopidogrel 5,6 Prozent, unter der oralen Antikoagulation dagegen nur 3,9 Prozent. Dieses Ergebnis war allgemein erwartet worden. Man hatte aber befürchtet, dass ein Anstieg bei den Blutungen die Vorteile zunichte machen würde. Dies ist jedoch nicht eingetreten. Die Rate von schweren Blutungen war mit 2,4 Prozent pro Jahr unter ASS plus Clopidogrel tendenziell sogar noch höher als unter der oralen Antikoagulation (2,2 Prozent pro Jahr). Insgesamt ergibt sich ein deutlicher Netto-Vorteil für die orale Antikoagulation.
Der Editorialist Freek Verheugt von der Universität Nijmegen spricht sich im Editorial für die Beibehaltung der oralen Antikoagulation als Mittel der Wahl zur Schlaganfallprävention bei Hoch-Risiko-Patienten aus Lancet 2006; 367: 1877-1878). Dabei ist allerdings zu bedenken, dass die Erfolge bei der oralen Antikoagulantien sehr stark von individuellen Faktoren abhängen. Erfahrung spielt eine große Rolle, wie eine Subgruppenanalyse von ACTIVE W zeigt. Bei Patienten, die bereits vor Studienbeginn oral antikoaguliert waren, war das Risiko von starken Blutungen geringer und die präventive Wirkung besser als bei Patienten ohne diese Therapieerfahrung.
Für die erfahrenen Patienten war der Netto-Vorteil der oralen Antikoagulation um 52 Prozent (Relatives Risiko RR 1,52; 95-Prozent-Konfidenzintervall 1,25-1,85) größer als bei einer antithrombotischen Behandlung mit ASS plus Clopidogrel. Bei den Patienten ohne Erfahrung mit der oralen Antikoagulation betrug der Vorteil nur nicht signifikante 10 Prozent (RR 1,10; 0,78-1,55). Derartige Ergebnisse einer Subgruppen-Analyse müssen zwar zurückhaltend beurteilt werden. Sie zeigen aber, dass ein Vorteil der oralen Antikoagulation nicht automatisch besteht, schon gar nicht bei Patienten, welche die INR-Zielkorridore nicht erreichen. © rme/aerzteblatt.de

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