Politik
„Tropenmedizinische Infektiologie“ – Drei Monate in einem Projekt in Tansania
Montag, 11. September 2006
Im Regionalkrankenhaus der Provinzhauptstadt Mbeya, dem „Mbeya Consultant Hospital“, unterhält Prof. Dr. med. Thomas Löscher von der tropenmedizinischen Abteilung der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München eine Forschungsstelle, die sich mit verschiedensten Fragen zur Epidemiologie, Molekularbiologie, zur Diagnostik und zu Begleiterkrankungen der HIV-Infektionen in Tansania beschäftigt.
Das Mbeya Consultant Hospital ist eine tertiäre Gesundheitseinrichtung, die circa sechs Millionen Menschen in vier Regionen des südlichen Hochlands (Mbeya, Ruvuma, Rukwa und Iringa) versorgt. Es handelt sich um eine gebietsbezogene Einrichtung mit 477 Betten und 600 Mitarbeitern. Es werden ambulante und stationäre Dienste in den Abteilungen Innere Medizin, Geburtshilfe/Gynäkologie, Allgemeine Chirurgie, Urologie, Orthopädie, Augenheil-kunde, Kinderheilkunde und Psychiatrie angeboten. Im südlichen Hochland von Tansania treten Malaria, Typhus, Schistosomiasis, afrikanische Trypanosomiasis, Leishmaniose, Tuberkulose, Erkrankungen durch Filarien, Amöbiasis sowie Haut- und systemische Mykosen und sonstige für die Tropen typische Krankheiten auf.
Ziel meiner Arbeit war es, eine funktionierende bakteriologische und parasitologische Stuhldiagnostik unter Berücksichtigung der dortigen finanziellen Ressourcen zu installieren sowie mich an einem Projekt der Forschungsstelle der tropenmedizinischen Abteilung der LMU zu beteiligen. Hierfür hatte ich mich schon in Deutschland vorbereitet und vorab bereits Arbeitsanleitungen auf Englisch für die Herstellung von Nährmedien und Differenzierungsmedien sowie für die Durchführung der Diagnostik und Wiederaufbereitung von Labormaterial verfasst. Die eingeführten Verfahren sollten anschließend von den afrikanischen Kollegen selbständig weitergeführt werden können, ohne dass dazu große zusätzliche Geldmittel erforderlich sind. Die Flugkosten trug der Berufsverband, den Laborbedarf finanzierte das Tropeninstitut der LMU.
Am Zielflughafen in Daressalaam holte mich am 21. August 2005 um sechs Uhr morgens ein Fahrer ab. Die 900 Kilometer lange Fahrt nach Mbeya führte durch zahlreiche kleine Ortschaften aus Lehmhütten mit Stroh- oder Wellblechdächern. Entlang der Straße trugen Frauen große mit Wasser gefüllte Behältnisse auf ihrem Kopf. In Schuluniform gekleidete Kinder machten sich in Scharen auf den Weg zur Schule. Bananenstauden und Palmen prägten die Landschaft. Bei der Durchfahrt durch den Mikumi Nationalpark waren zahlreiche Zebras, Affen, Giraffen, Büffel, Gazellen, Wildschweine und interessante Vogelarten zu sehen. Ich hatte sogar das große Glück zwei Löwen mit ihrer Beute zu erblicken. Auch außerhalb des Nationalparks trieben sich immer wieder Affen auf der Straße herum.
Je weiter wir uns der auf 1.600 Metern Höhe gelegenen Stadt Mbeya (300.000 Einwohner) näherten, desto angenehmer und trockener wurde das Klima. Die Landschaft ist bergig, sehr grün, mit tropischem Pflanzenbewuchs. Tansania ist nach unseren Maßstäben ein armes Land, die Menschen sind dennoch sehr freundlich und hilfsbereit. Die Landessprache ist Kisuaheli, Angehörige der mittleren und oberen Schichten verstehen aber nahezu alle gut Englisch.
Am ersten Arbeitstag stellte mich der dortige Leiter des Forschungsprojekts dem Krankenhausdirektor, dem Laborleiter sowie den Laborangestellten vor, die mich alle sehr herzlich mit dem kisuahelischen Gruss „karibu sana“, „herzlich willkommen“ empfingen und mir erzählten, wie froh sie seien, die Gelegenheit zu bekommen, mehr über diagnostische Methoden lernen zu dürfen.
Bei der morgendlichen Besprechung aller Krankenhausärzte durfte ich am nächsten Tag mein Vorhaben vorstellen, was ich gleich mit der Bitte um Einsendung von Patientenmaterial verband. Der Krankenhausdirektor betonte anschließend nochmals die Bedeutung der Etablierung neuer diagnostischer Verfahren. Nachdem wir alle Kisten ausgepackt und die erforderlichen Medien hergestellt hatten, verteilte ich zusammen mit einem Labormitarbeiter Probengefäße sowie von mir erstellte Antragsformulare auf der Männer- und Frauenabteilung und in der Pädiatrie.
Stuhlproben wurden bisher lediglich im Nativpräparat auf Parasiten untersucht. Die Proben wurden in Streichholzschachteln ins Labor gebracht. War der Stuhl flüssig oder weich kam die Streichholzschachtel durchnässt ins Labor.
Zum Nachweis von Salmonellen, Shigellen und Campylobacter etablierte ich die Stuhlkultur auf XLD-, DCLS- und Campylobacter-Selektiv-Agar sowie die Anreicherung in Selenitbouillon mit anschließender Subkultur. Zur Identifizierung von Shigellen und Salmonellen verwendete ich Kligler-Eisen-Agar, Antisera, Harnstoff-Bouillon sowie, bei Bedarf, kurze biochemische Reihen. Die Antibiotika-Testung erfolgte für Salmonellen und Shigellen auf MH-Agar beziehungsweise auf Kochblut-Agar für Campylobacter.
Zur Anreicherung von Parasiten führte ich die SAF-Methode ein, zum Nachweis von Cryptosporidien, Cyclospora und Isospora die Kinyoun-Färbung. Von jeder Stuhlprobe überführte ich Material in CryoTubes, um sie für weitere Untersuchungen wie zum Beispiel EHEC, EIEC, EAEC, Rotaviren, Mikrosporidien in Deutschland einzufrieren.
Als mit Abstand häufigster nachzuweisender Erreger erwies sich Shigella sp., insbesondere Shigella flexneri und sonnei. Salmonella sp. und Campylobacter sp. waren hingegen wesentlich seltener nachweisbar. Shigella sp. und Salmonella Typhimurium zeigten ein breites Spektrum an Antibiotikaresistenzen, wobei meist lediglich Ciprofloxacin sensibel war.
Einige Patienten wiesen Doppelinfektionen auf, so zum Beispiel Salmonella Typhimurium mit Shigella sonnei, Salmonella Typhimurium mit Shigella flexneri, Giardia lamblia mit Cryptosporidium sp., Giardia lamblia mit Shigella flexneri, Shigella boydii mit Campylobacter sp., Shigella flexneri mit Campylobacter sp., Entamoeba histolytica mit Shigella sonnei, Giardia lamblia mit Ancylostoma sp. sowie Strongyloides stercoralis mit Hymenolepsis nana.
Ein Patient war sogar dreifach infiziert, und zwar mit Shigella flexneri, Salmonella Enteritidis und Giardia lamblia. Bei drei Patienten mit reiswasserartigem Durchfall ließ sich auf TCBS-Agar Vibrio cholerae O1 isolieren.
Folgende Parasiten konnten durch die Anreicherungsmethode erfasst werden, wobei Giardia lamblia bei weitem überwog: Giardia lamblia, Entamoeba histolytica, Ancylostoma sp., Hymenolepsis nana, Strongyloides stercoralis, Schistosoma mansoni, Taenia Eier und Ascaris Eier. Mit Hilfe der Kinyoun-Färbung gelang mir der Nachweis von Cryptosporidium parvum, Cyclospora cayetanensis sowie Isospora belli.
Während der Regenzeit (November bis Februar) werden in Mbeya gehäuft Cholerainfektionen und Malaria diagnostiziert. Für die Diagnose der Malaria erfolgt lediglich die Untersuchung eines Dicken Tropfens. Von Sputum wird bisher keine Kultur angelegt sondern lediglich eine Ziehl-Neelsen Färbung durchgeführt. Urinkulturen erfolgen auf CLED- oder Mac Conkey-Agar. Aus Kostengründen wird der Urin von vier bis fünf Patienten auf einer Platte ausgelöst.
Blut- und Kochblut-Agar wird wegen fehlender Schafherden aus Menschenblut hergestellt, das auf HIV, HBV und Syphilis getestet wird. Der Kit für die HBV-Testung war allerdings ausgegangen und aus finanziellen Gründen nicht verfügbar. Auf HCV wird nicht getestet. Häufig durchgeführte Untersuchungen sind der Widal auf Salmonella Typhi sowie der VDRL auf Syphilis.
Da das Krankenhaus nur über beschränkte Mittel verfügt, wird ein Großteil des Laborbedarfs im Krankenhauslabor wiederaufbereitet. So werden zum Beispiel benutzte Objektträger und Pipettenspitzen in Desinfektionsmittellösung eingelegt, über Nacht im Heißluftofen auf 55 bis 60°C erhitzt und anschließend mit Wasser und Seife gewaschen, um wieder verwendet zu werden.
Die Verhältnisse eines tansanischen Krankenhauses sind mit denen in Deutschland nicht zu vergleichen. So warten zum Beispiel die ambulanten Patienten auf dem Boden vor dem Labor sitzend oder stehend auf ihre Ergebnisse. Viele Kinder sind Aids-Waisen und kommen daher mit ihren Tanten oder Großmüttern in die Klinik. Auf den Krankenstationen befinden sich circa 35 Betten in einem Raum, teilweise durch Stellwände voneinander getrennt. Die HIV-Durchseuchung beträgt dort rund 70 Prozent bei Erwachsenen und 40 Prozent bei Kindern. Die häufigsten Diagnosen sind Infektionen durch Mykobakterien, Kryptokokken-Meningitis, Toxoplasmose-Encephalitis, Pneumocystis jiroveci-Pneumonie, Candida Ösophagitis und Malaria. Einige Patienten liegen nur auf einer Matratze auf dem Boden, weil alle Betten belegt sind. Patienten, deren Angehörige im Ort wohnen, werden von diesen mit Lebensmitteln versorgt und erhalten kein Essen vom Krankenhaus. In der kleinen Krankenhauskantine, in der es nur eine minimale Auswahl an Gerichten gibt, wird auf Holzkohle gekocht.
Der Aufenthalt in Tansania stellte eine sehr interessante Erfahrung für mich dar. Ich war sehr beeindruckt von der Wissbegierigkeit der meisten tansanischen Kollegen und ihrer hohen Motivation, einen besseren Standard zu erreichen. Die Mikrobiologen in Tansania würden sich sehr über einen weiteren Austausch mit deutschen Kollegen freuen.
Carola Mehler, E-Mail: caromehler@aol.com © ./aerzteblatt.de
