Medizin
IVF: Frauen nach Schein-Akupunktur häufiger schwanger
Montag, 17. November 2008
Hongkong – Kurioses Ergebnis einer Studie chinesischer Reproduktionsmediziner zur Akupunktur. Die scheinbare Nadelung erzielte nach der Publikation in Human Reproduction (2008; doi: 10.1093/humrep/den380) signifikant höhere Schwangerschaftsraten als die echte Akupunktur.
Glaubt man den zahlreichen Internetportalen, dann ist an der Wirkung der Akupunktur in der Reproduktionsmedizin nicht mehr zu zweifeln. Viele Zentren dürften auf die traditionelle chinesische Heilmethode setzen, selbst wenn die Ärzte dort von einer Placebo-Wirkung überzeugt sein sollten. Was zählt, ist eine Steigerung der Schwangerschaftsrate, die in diesem Fall mit einer denkbar geringen Beeinträchtigung der Patientin zu erzielen ist. Oder doch nicht?
Tatsächlich ist die Wirksamkeit der Akupunktur, allen Medienberichten zum Trotz, keineswegs belegt, auch wenn eine Meta-Analyse ihr jüngste eine gewisse Wirkung attestierte (BMJ 2008; 336: 545-549). Die meisten Studien verglichen die Akupunktur mit unbehandelten Kontrollen, wendet Ernest Hung Yu Ng von der Universität Hongkong ein. Ein Placebo-Effekt der Akupunktur sei deshalb nicht auszuschließen.
Die Studie, über die Ng jetzt berichtet, dürfte für weitere Verwirrung sorgen. Teilnehmer waren 370 Frauen, die sich ihren Kinderwunsch mithilfe einer In-vitro-Fertilisation (IVF) erfüllen wollten. Die Hälfte erhielt am Tag des Embryotransfers eine echte, die andere Hälfte eine Scheinakupunktur.
Die Behandlungen unterschieden sich lediglich darin, dass die Nadeln bei der Scheinakupunktur eine stumpfe Spitze hatten und deshalb nicht in die Haut eindrangen. Nur 16 Prozent der Frauen ahnte bei der späteren Befragung, dass sie im Placebo-Arm war (aber auch acht Prozent im Therapiearm mit der echten Akupunktur war dieser Meinung).
Von den 185 Frauen, die neben der IVF eine echte Akupunktur erhalten hatten, wurden 81 schwanger. Die Schwangerschaftsrate betrug 44 Prozent und war damit signifikant niedriger als in der Gruppe, in der die IVF mit einer Scheinakupunktur kombiniert wurde.
Dort wurden 102 von 185 Frauen (55 Prozent) schwanger. Auch die Rate der Lebendgeburten war mit 38,4 Prozent nach der Scheinakupunktur höher als nach der echten Akupunktur (29,7 Prozent), auch wenn der Unterschied hier nicht signifikant war.
Eine Erklärung für die Überlegenheit kann Ny nicht geben. Die Auswirkungen auf die Durchblutung im Uterus und im Endometrium waren in beiden Gruppen gleich. Auch in den Stressparametern (Cortisol im Serum und Angaben in einem Angst-Fragebogen) gab es keine Unterschiede. Stress gilt als eine mögliche Ursache für ein Versagen der IVF, weshalb die Kliniken sich alle Mühe geben, die Behandlung in einer entspannten Umgebung anzubieten.
Die jetzige Studie zeigt nicht, dass die Akupunktur schädlich ist (eine Vergleichsgruppe ohne Behandlung fehlte). Die Kliniken könnten sich jedoch statt der echten Akupunktur durchaus für die stumpfen Nadeln entscheiden, sollten dies aber ihren Patientinnen tunlichst nicht mitteilen. © rme/aerzteblatt.de

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