Medizin
Armut aktiviert Krebsgen
Dienstag, 16. Februar 2010
Dundee – Brustkrebspatientinnen hatten in einer Studie im British Journal of Cancer (2010; doi: 10.1038/sj.bjc.6605540) häufiger Mutationen im p53-Tumorsuppressor, wenn sie aus ärmeren Regionen stammten. Ihre Überlebensprognose war dann deutlich vermindert.
Das 1979 entdeckte Protein p53 wird als “Wächter des Genoms” bezeichnet, da es die DNA-Reparatur aktivieren kann und eine wichtige Rolle in der Abwehr von Krebserkrankungen spielt. Es war deshalb nicht überraschend, als Lee Baker von der Universität Dundee und Mitarbeiter in ihrer Studie häufiger Mutationen im p53-Gen bei jenen Frauen fanden, die ein Mammakarzinom nicht überlebten.
Schwerer zu erklären ist der zweite Befund. Aufgrund der Postleitzahlen konnte der Onkologe die Frauen ärmeren oder reicheren Regionen in der geografisch stark segregierten britischen Gesellschaft zuordnen. Im Durchschnitt hatte jede vierte Frau (26 Prozent) eine p53-Mutation in der archivierten Gewebeprobe des Primärtumors. Unter den Frauen aus den ärmeren Regionen (unterstes Perzentil in einem Deprivationsscore) war der Anteil mit 58,8 Prozent doppelt so hoch.
Die wahrscheinlichste Erklärung ist, dass Frauen aus sozial schwachen Gebieten aufgrund ihres ungünstigen Lebensstils häufiger p53-Mutationen erwerben. Rauchen, Alkohol und ungesunde Ernährung wurden nach Auskunft von Baker in der Vergangenheit mit p53-Mutationen in Verbindung gebracht. Die andere Erklärung wäre, dass es eine genetische Prädisposition für die Armut gibt.
Die Geschichte geht sogar noch weiter. Frauen aus den ärmeren Regionen waren nicht nur benachteiligt, weil sie häufiger p53-Mutationen im Primärtumor hatten. (Ohne p53-Mutation war die Therapie auch in der Gruppe der ärmeren Frauen immer erfolgreich). Auch unter den Frauen mit p53-Mutationen gab es soziale Unterschiede: In den untersten Schicht betrug die 5 Jahresüberlebensrate 24 Prozent, bei den sozial besser gestellten überlebten 72 Prozent den Brustkrebs.
Baker thematisiert diesen Befund nicht weiter. Vorstellbar erscheint aber, dass Frauen aus schwächeren sozialen Schichten eine schlechtere Behandlung erhalten oder die ihnen angebotene Therapie seltener in Anspruch nehmen, was bei Krebstherapien oft über Leben und Tod entscheiden kann.
© rme/aerzteblatt.de

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