Medizin
Neuer Wirkstoff gegen Malaria entwickelt
Freitag, 3. September 2010
Singapur/San Diego – Der Schweizer Pharmakonzern Novartis hat einen neuartigen Wirkstoff gegen die Malaria entwickelt. In tierexperimentellen Studien in Science (2010; 329: 1175-1180) war NITD609 im Mäusemodell wirksam. Erste klinische Studien sollen noch in diesem Jahr beginnen.
Auf der Suche nach effektiven Malariamitteln hatte die westliche Pharmaforschung in den letzten Jahrzehnten nur Enttäuschungen erlebt. Die übliche rationale Methode hatte versagt: Die „target-based drug discovery” setzt darauf, zunächst die Stoffwechselwege der Krankheitserreger zu analysieren und dann am Computer Moleküle zu entwerfen, die gezielt in diese Reaktionen eingreifen.
Danach werden Biochemiker beauftragt, entsprechende Substanzen – gewissermaßen nach Maß – zu synthetisieren. Dies ergibt häufig chemisch komplizierte und in der Herstellung sehr kostspielige Medikamente. Die Natur liefert die Wirkstoffe günstiger.
Auf ein solches bei der Malaria wirksames Mittel waren chinesische Forscher in den 70er Jahren gestoßen, als sie völlig unsystematisch 200 Mittel gescreent hatten, die von der traditionellen chinesischen Heilkunde schon vor Jahrtausenden empfohlen worden waren. Erst spät wurden die westlichen Forscher auf Artemisinin aufmerksam. Heute wird es von der Weltgesundheitsorganisation empfohlen.
Dieser Erfolg hat westliche Forscher zur Nachahmung veranlasst. Am Novartis Institute for Tropical Diseases in Singapur wurden rund 12.000 Substanzen aus dem Chemikalienarchiv von Novartis auf ihre Fähigkeit hin untersucht, Plasmodien abzutöten.
Dieses Massen-Screening wurde erst durch einem In-vitro-Test möglich, den Elizabeth Winzeler und Mitarbeiter am Genomics Institute der Novartis Research Foundation in San Diego entwickelt hatten. Im ersten Durchgang wurden 275 Kandidaten gefunden, von denen allerdings nur 17 für eine Weiterentwicklung geeignet waren.
Darunter befand sich eine Wirkstoffklasse, die Spiroindolone, die nicht nur sehr effektiv die Blutstadien der beiden wichtigsten Malariaerreger Plasmodium falciparum und Plasmodium vivax abtötete, sondern sich auch vom Wirkungsmechanismus her von Aminochinolonen (Chloroquin und Mefloquin) und Artemisinin unterschieden, so dass keine Kreuzresistenz zu erwarten ist.
Jetzt schlug wieder die Stunde der westlichen Arzneimittelforschung. Chemiker bei Novartis synthetisierten etwa 200 Derivate, um Sicherheit und Pharmakokinetik des neuen Wirkstoffs zu optimieren. Das Ergebnis war NITD609, das die beiden Plasmodien bereits in nanomolaren Konzentration abtötet und darüber hinaus in eine orale Formulierung gepresst werden kann, die nur einmal täglich eingenommen werden muss.
In ersten Versuchen an Mäusen kurierte NITD609 eine ansonsten tödliche Variante der Malaria bei Nagern. Der Wirkstoff hat sich darüber hinaus als gut verträglich erwiesen. Die Durchführung klinischer Tests ist bereits beantragt. Sie sollen dem Vernehmen nach noch in diesem Jahr beginnen.
Ihr Ergebnis lässt sich nicht vorhersagen, da Wirkung und vor allem Verträglichkeit von Medikamenten sich bei Nager und Menschen oft stark unterscheiden. Sollte NITD609 aber die mehrjährige klinische Entwicklung erfolgreich beenden, könnte das Medikament gerade rechtzeitig kommen.
In den letzten Jahren wurden ersten Resistenzen gegen Artemisinin entdeckt, und deren Ausbreitung erscheint unvermeidlich. Dies könnte irgendwann auch bei NITD609 der Fall sein. Im Labor dauerte es keine vier Monate, bis Erreger mit verminderter Empfindlichkeit gezüchtet wurden.
Dies geschah nicht aus böser Absicht, sondern auf der Suche nach dem bisher unbekannten Wirkmechanismus. Durch einen Genvergleich der resistenten mit den empfindlichen Erregern stießen die Forscher auf das Protein PfATP4.
Es handelt sich um eine für die Plasmodien lebenswichtige Membranpumpe, deren Funktion durch NITD609 gehemmt wird – solange sich der Erreger dem Zugriff nicht durch Mutationen entzieht.
© rme/aerzteblatt.de

auf den Preis darf man gespannt sein ...
In Südafrika bekam ich in 2008 das selbe Medikament für ca. 10 €uro weniger. Angesichts des Preises für ein fürstliches englisches Frühstück in Kapstadt für umgerechnet ebenfalls ca. 10 € (Ich habe danach dann erst wieder zu Abend gegessen) kann man sich vorstellen, dass die Mehrheit der einheimischen Bevölkerung sich solche Medikamente nicht leisten kann .....

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