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Politik

Report sieht 9,4 Milliarden Euro Einsparpotenzial bei Arzneimitteln

Dienstag, 14. September 2010

Berlin – Die Arzneimittelausgaben in Deutschland sind 2009 erneut deutlich gestiegen. Die gesetzlichen Krankenkassen gaben im vergangenen Jahr laut dem heute in Berlin vorgestellten Arzneiverordnungs-Report 2010 4,8 Prozent mehr für Medikamente aus als im Vorjahr. Das entspricht Mehrausgaben von 1,5 Milliarden Euro.

Der Report und auch die AOK sehen erhebliche Einsparpotenziale, die ohne Qualitätseinbußen in der Therapie mobilisiert werden könnten. Insgesamt gaben die Kassen 2009 für Arzneimittel 32,4 Milliarden Euro aus.  

Der Trend setzt sich demnach auch in diesem Jahr fort – mit einem Ausgabenplus von 4,6 Prozent im ersten Halbjahr 2010. Als Preistreiber gelten nach wie vor die patentgeschützten innovativen Arzneimittel, wie die Herausgeber des Reports, der Pharmakologe Ulrich Schwabe und der Chef der AOK Schleswig-Holstein, Dieter Paffrath, erklärten. Dazu gehören unter anderem Asthmamittel, Immuntherapeutika oder Tumortherapeutika, die für 80 Prozent des Kostenanstiegs bei sogenannten Fertigarzneimitteln verantwortlich seien.    

Der Report beziffert das Einsparpotenzial im Arzneimittelbereich der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) auf 9,4 Milliarden Euro. Das sei ein Drittel des derzeitigen GKV-Umsatzes bei Arzneimitteln. Nach Angaben der Experten sind patentgeschützte Arzneimittel, aber auch Generika in Deutschland 50 bis 100 Prozent teurer als in anderen europäischen Ländern.  

Paffrath zufolge könnten allein knapp 4,1 Milliarden Euro eingespart werden, wenn konsequent preiswerte Generika verordnet und auf teure patentgeschützte Analogpräparate und Arzneimittel mit umstrittener Wirksamkeit verzichtet würde. Preissubventionen von 9,4 Milliarden Euro für die Pharmaindustrie seien „weder ökonomisch noch gesundheitspolitisch vertretbar“, so Schwabe.   

Schwabe wies darauf hin, dass die 50 führenden Patentarzneimittel im Schnitt 48 Prozent teurer als die entsprechenden Mittel in Schweden seien. Die Versicherung der Pharmaindustrie, dass die Mittel hier nicht teurer angeboten würden als in anderen Industriestaaten, sei falsch und „manipuliert“. Denn Länder mit sehr niedrigen Preisen wie Frankreich, Spanien oder Italien seien dabei nicht betrachtet worden.

Bei den Generika ist die Preisdifferenz zum Ausland laut Schwabe noch höher, obwohl die Generika-Preise in Deutschland gesunken seien. So habe das Magenmittel Omep in Deutschland bislang 60,46 Euro gekostet, in Schweden dagegen nur 9,36 Euro. Die Preisdifferenz habe demnach bei 546 Prozent gelegen. Die 50 umsatzstärksten Generika seien im Durchschnitt 98 Prozent teurer als die entsprechenden Präparate in Schweden, sagte Schwabe. Die Referenz zu Schweden hat er nach eigenen Angaben gewählt, weil dort die Arzneimittelpreise veröffentlicht und somit gut vergleichbar seien.

Die Pharmaindustrie übte heftige Kritik am Arzneiverordnungs-Report. Die Hauptgeschäftsführerin des Verbandes der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa), Cornelia Yzer, bezeichnete den Bericht angesichts der Sparpläne der Koalition als „Schnee von gestern“.

Der Herstellerverband Pro Generika warf den Autoren der Studie „völlig unseriöse“ Berechnungen vor. Der Bundesverband der pharmazeutischen Industrie (BPI) verwies auf die „immensen Fortschritte“ unter anderem bei der Behandlung von HIV und Aids. 

Der Chef des AOK-Bundesverbandes, Herbert Reichelt, sprach angesichts der Koalitionspläne für die Preisfestlegung bei Medikamenten von einem „Paradigmenwechsel“. Zugleich warnte er die Pharmaindustrie davor, „die Kriterien zur Nutzenbewertung aufzuweichen“. 

Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) sagte bei den Haushaltsberatungen im Bundestag am Dienstag, die Pharmaindustrie leiste ihren Beitrag zu Einsparungen im Gesundheitswesen. Die Linkspartei forderte indes, der „Selbstbedienungsladen für Pharmakonzerne“ müsse geschlossen werden. © dapd/afp/aerzteblatt.de

Kommentare

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Avatar #100202
Businesspaar
am Mittwoch, 15. September 2010, 07:30

Filz in Politik und Industrie

Selbstverständlich gehört dieser "Selbstbedienungsladen" längst geschlossen. Nur fehlt es am "starken Mann", der diesem gierigen Treiben ein Ende setzt. Die Klientelpolitik vom zahnlosen Tiger Rösler wird diese unhaltbaren Zustände jedenfalls nicht ändern. Innovative Medikamente, das ist ja wohl der Lachschlager schlechthin. Warum die Pharamaindustrie immer wieder diese angeblich innovativen Medikamente genehmigt bekommt, dürfte auf der Hand liegen. In nachgewiesenen Korruptionsfällen belegt diese Industriesparte stets einen der Plätze 1 bis 3. Immense Fortschritte bei HIV und Aids, noch dümmer kann man nicht argumentieren. Oder doch? Wie wäre es damit? In Deutschland sind unsere Präparate teurer als im Ausland, weil sie hier eben sofort verfügbar sind. Also, freuen wir uns auf weitere innovative Produkte.
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