Medizin
USA: Ritalin auch für 4-Jährige
Mittwoch, 26. Oktober 2011
Chicago – Die American Academy of Pediatrics (AAP) hat ihre Leitlinien zur Diagnose und Therapie der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) überarbeitet. Nach Ansicht der US-Pädiater kann die Diagnose bereits im Alter von 4 Jahren gestellt werden.
Laut den Empfehlungen in Pediatrics (2011; doi: 10.1542/peds.2011-2654) sollte dann auch mit einer Therapie begonnen werden.
Die Diagnose ADHS wird in der Regel im Grundschulalter gestellt, wenn die unruhigen Kinder den Unterricht stören und die schulischen Leistungen hinter den Erwartungen der Eltern zurückbleiben. Viele Kinder fallen jedoch bereits im Vorschulalter auf, und nach Ansicht der American Academy of Pediatrics kann die Diagnose ADHS bereits im Alter von 4 Jahren sicher gestellt werden.
Die US-Pädiater raten dann zunächst zu einer Verhaltenstherapie, die allerdings in der Leitlinie und dem Supplement erst am Schluss abgehandelt wird und in der Praxis selten durchgeführt werden dürfte.
An erster Stelle steht dort die medikamentöse Therapie mit Methylphenidat (Ritalin) und anderen von der FDA zugelassenen Stimulanzien. Die AAP hält jetzt einen Therapiebeginn bereits im Alter von 4 Jahren für angemessen.
In der letzten Leitlinie aus dem Jahr 2001 lag die Altersgrenze noch bei 6 Jahren. Das Team um Mark Wolreich, Universität in Oklahoma City (der mehrere Interessenkonflikte zu den Herstellern von ADHS-Medikamenten angibt) gibt ausführliche Ratschläge zu Titration, Dosierung und Monitoring.
Pflichtgemäß wird auch auf die Risiken und Nebenwirkungen der Therapie hingewiesen, zu denen die Möglichkeit von suizidalen Gedanken zu Beginn der Therapie mit Atomoxetin gehört. Der Wirkstoff hat in den US-Fachinformationen einen entsprechenden umrahmten (black box) Warnhinweis. An anderer Stelle wird darauf hingewiesen, dass die Therapie natürlich nicht durchgeführt werden sollten, wenn die Diagnosekriterien nicht erfüllt sind.
Bedenken hinsichtlich einer Überdiagnose und -therapie haben die US-Pädiater nicht. Das ADHS sei eine häufige neurologische Verhaltensstörung, die bei 8 Prozent aller Kinder und Jugendlichen auftrete. Das Robert-Koch-Institut schätzte die Prävalenz bei Kindern in Deutschland zuletzt auf 4,8 Prozent.
© rme/aerzteblatt.de

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