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Verwaltungskosten im Gesundheitswesen: Milliarden können eingespart werden

Sonntag, 1. Januar 2012

dpa

Hamburg – Die Verwaltungskosten im deutschen Gesundheitssystem sind offenbar wesentlich höher als bisher angenommen. Einer Studie der Unternehmensberatung A. T. Kearney zufolge entfielen im Vorjahr 23 Prozent der Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in Höhe von 176 Milliarden Euro auf die Bürokratie. In der Industrie liege dieser Anteil bei nur 6,1 Prozent, heißt es laut einem Spiegel-Bericht in der Studie.

Die Krankenkassen verursachen demzufolge nicht nur in ihren eigenen Unternehmen Bürokratie, sondern in der gesamten Branche, etwa bei Apotheken, Arztpraxen oder Krankenhäusern. Neben den offiziell angegebenen Verwaltungskosten in Höhe von 9,5 Milliarden Euro kämen deshalb noch weitere 18 Milliarden Euro hinzu, die bisher nirgendwo veranschlagt seien.

So gingen etwa bei Krankenhausärzten 37 Prozent der Arbeitszeit für Verwaltungsaufgaben drauf. Auch die Abrechnungsverfahren bei niedergelassenen Ärzten oder die Praxisgebühr seien Kostentreiber.

Das Gesundheitswesen habe „einen Grad der Komplexität erreicht, der nicht mehr angemessen beherrschbar ist“, schreiben die Berater. Durch schlankere Strukturen ließe sich der Beitragssatz in der GKV den Berechnungen zufolge von derzeit 15,5 auf 14,2 Prozent senken.

So könnten rund 13 Milliarden Euro eingespart werden. Die Unternehmensberatung befragte für die Studie den Angaben zufolge mehr als 6.000 Ärzte, Apotheker und Sanitätshäuser.

Der GKV-Spitzenverband der Krankenkassen wies die Kritik zurück. Der „Pauschalvorwurf von zu viel Bürokratie“ gehe an der Realität vorbei, sagte GKV-Sprecher Florian Lanz der. Die Dokumentation von Behandlungen und Arzneimittelverordnungen sei für eine gute medizinische Behandlung notwendig: „Wenn wir in Deutschland Menschen genauso am Fließband behandeln würden wie die Industrie Autos baut, könnten wir die Kosten für bürokratische Abläufe im Gesundheitswesen sicherlich auf Industrieniveau drücken – aber wer möchte so automatisiert behandelt werden?“

De gesundheitspolitische Sprecher der SPD, Karl Lauterbach, kritisierte dagegen, insbesondere die Dokumentationspflichten und das komplizierte ärztliche Abrechnungssystem führten zu hohen, unnötigen Ausgaben. Die Selbstverwaltung der Kassen und Ärzte habe sich auf diesem Gebiet nicht bewährt.

Die Beteiligung von 140 Krankenkassen und 15 Kassenärztlichen Vereinigungen unter der Maßgabe von 16 Krankenhausgesetzen der Länder habe zu einer nicht mehr handhabbaren Vertrags- und Regelungsdichte geführt. Zudem sei das System von gegenseitigem Misstrauen der Akteure geprägt, das man durch überbordende Dokumentationspflichten zu kompensieren suche.

„Wir haben uns zu lange von der Selbstverwaltung auf der Nase rumtanzen lassen, anstatt den Bürokratieknoten zu durchschlagen”, sagte Lauterbach. Dies könne aber durch die Einführung einer Bürgerversicherung mit einem einheitlichen ärztlichen Abrechnungssystem in Euro und Cent sowie geringeren Dokumentationspflichten nachgehlt werden. Auf diese Weise könnten jährlich Milliarden Euro eingespart werden.

Die Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung kritisierte das Ausmaß an Bürokratie: „Von den Milliarden, die für den Kontroll- und Bürokratisierungsaufwand im Gesundheitswesen verschleudert werden, haben die Schwerkranken und Pflegebedürftigen nichts“, erklärte der geschäftsführende Vorstand Eugen Brysch in Berlin. 

Dokumentationen, die 40 Prozent der Arbeitszeit der Gesundheitsberufe verschlängen, führten nicht zu mehr Qualität beim Patienten, beklagte Brysch. Diese müsse vielmehr in „alltagspraktischen Tests“ gemessen und verglichen werden. „So etwas gibt es jedoch im Gesundheitswesen nicht. Stattdessen werden 26 Milliarden Euro der gesetzlich Versicherten für ein Bürokratisierungsmonster verbrannt.“ © dapd/afp/aerzteblatt.de

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