Ausland
Gründer von französischer Brustimplantate-Firma PIP festgenommen
Donnerstag, 26. Januar 2012
Paris – Gut einen Monat nach dem Aufruf der französischen Behörden zur Entfernung von defekten Brustimplantaten der Firma PIP hat die Polizei heute den Gründer, Jean-Claude Mas, festgenommen. Laut der Staatsanwaltschaft von Marseille wird dem 72-Jährigen „fahrlässige Tötung und Verletzung" vorgeworfen. Weltweit tragen Hunderttausende Frauen die mit einem Billigsilikon gefüllten Prothesen, in Deutschland sollen es rund 10.000 sein.
Mas sei in der Villa seiner Lebensgefährtin im südfranzösischen Six-Fours bei Marseille festgenommen worden, sagte Staatsanwalt Jacques Dallest. Der frühere Firmenchef sei nun für weitere Verhöre in Polizeigewahrsam, der bis zu 48 Stunden dauern kann. Auch der Finanzchef des im Jahr 2010 pleite gegangenen Unternehmens PIP, Claude Couty, wurde demnach im südfranzösischen La-Seyne-sur-Mer festgenommen, wo früher der Firmensitz war. Beide Anwesen wurden durchsucht.
Opferanwalt Philippe Courtois sagte mit Blick auf Mas, die Festnahme hätte längst erfolgen können. „Von seiner Aussage erwarten wir uns nicht viel, denn er hat sich schon mit für die Opfer beleidigenden Bemerkungen eingelassen.“
Mas hatte bereits in einem früheren Polizeiverhör zugegeben, drei Viertel seiner Prothesen mit einem Billiggel gefüllt zu haben, das er mit einem eigentlich für Industrieprodukte bestimmten Silikon des deutschen Chemiegroßhändlers Brenntag zusammenmixte. Nur ein Viertel der Kissen habe das siebenmal teurere US-Produkt Nusil enthalten, das Mas auch gegenüber den Kontrolleuren vom TÜV Rheinland angab. Sein Produkt sei aber nicht schädlich gewesen.
Der TÜV verwies heute erneut darauf, dass er die 2010 von den französischen Behörden beanstandete Silikonart nie freigegeben habe. Der 72-Jährige hatte zugegeben, den TÜV bei seinen angekündigten Kontrollen gezielt getäuscht zu haben. Unterlagen wurden laut Mas versteckt, die PIP-Angestellten hätten ganze Container verschwinden lassen.
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Bei der Staatsanwaltschaft in Marseille sind inzwischen mehr als 2.500 Klagen von betroffenen Frauen eingegangen. Auch in Deutschland wurde eine erste Klage eingereicht. Die Billig-Silikonkissen, die auffällig oft rissen, werden für Entzündungen verantwortlich gemacht. Außerdem gibt es laut dem Berufsverband der Plastischen und Ästhetischen Chirurgen Hinweise darauf, dass die Billig-prothesen verstärkt „ausschwitzen" und damit Silikon durch die Hülle hindurch in den Körper abgeben.
In Frankreich wurden bisher 20 Krebsfälle bei Frauen mit PIP-Implantaten registriert. Einen Beweis, dass das Billigsilikon dafür verantwortlich ist, gibt es bisher nicht. Weltweit wird geschätzt, dass 400.000 bis 500.000 Frauen die PIP-Implantate eingesetzt bekamen. In Deutschland könnten Experten zufolge bis zu 10.000 Frauen betroffen sein, in Frankreich etwa 30.000.
Der Skandal hat in Europa auch eine Diskussion über die Sicherheit von Medizinprodukten generell ausgelöst. Die EU prüft, ob die Vorschriften für Kontrollen verschärft werden.
Im Zusammenhang mit dem Skandal laufen in Frankreich zwei Verfahren. Neben dem im Dezember in Marseille gegen Mas eingeleiteten Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Tötung wurden im Oktober 2011 die Ermittlungen wegen schweren Betrugs bereits abgeschlossen. Der Betrugsprozess soll Ende 2012 beginnen. © afp/aerzteblatt.de
