Politik
Organspendebereitschaft zu selten dokumentiert
Montag, 30. Januar 2012
dpa |
Frankfurt/Berlin – Der Anteil der Menschen in Deutschland, die ihre Entscheidung für oder gegen eine Organspende schriftlich hinterlegt haben, ist geringer als angenommen. Zwar gäben rund 20 Prozent der Befragten an, einen Organspendeausweis zu besitzen, in der Realität im Krankenhaus sehe dies jedoch anders aus, so die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO)am Montag in Frankfurt unter Hinweis auf ihr vorliegende Zahlen aus dem vergangenen Jahr. Danach gab es nur in sieben Prozent der Fälle eine schriftlich hinterlegte Entscheidung zur Organspende.
Die DSO legte dar, derzeit würden in neun von zehn Todesfällen die Angehörigen über eine mögliche Organspende befragt, weil der Verstorbene seinen Willen nicht dokumentiert habe. In 27,6 Prozent der Fälle sei dann der mündliche Wille ausschlaggebend, in 42,4 Prozent der mutmaßliche Wille.
In 24,4 Prozent der Fälle, die zu einer Zustimmung oder Ablehnung geführt hätten, habe es keinen Anhaltspunkt für einen mutmaßlichen Willen des Verstorbenen gegeben. Laut DSO ist die Ablehnung mit über 40 Prozent dann am höchsten, wenn die Entscheidung allein im Ermessen der Angehörigen liegt.
aerzteblatt.de |
Die DSO bedauerte, die Ärzte auf der Intensivstation würden in ihrer Ausbildung meist nicht auf Gespräche mit den Angehörigen vorbereitet. Man biete deshalb den Ärzten Unterstützung durch einen DSO-Koordinator an. Dieser könne die Familienmitglieder ausführlich und ohne Zeitdruck beraten und umfassende Informationen zur Organspende und zur Transplantation geben. Ziel bei den Gesprächen sei, die Familie bei ihrer Entscheidung zu begleiten und eine stabile Lösung zu finden.
„Es ist unerlässlich, die Koordinatoren und Ärzte gleichermaßen auf diese emotional belastende Situation vorzubereiten – vor allem im Sinne der Angehörigen, die in dieser schwierigen Situation nicht allein gelassen werden dürfen“, erklärte Günter Kirste, Medizinischer Vorstand der DSO.
Die Berliner Tageszeitung (taz) vom Montag berichtete unterdessen, der Vorstand der DSO unterstütze „offenbar seit Jahren manipulative Methoden der Gesprächsführung im Umgang mit Angehörigen von Hirntoten“. Dazu finanziere die DSO seit Ende 2006 für Mitarbeiter sowie für Krankenhauspersonal Kommunikationsseminare nach der umstrittenen Methode des Neurolinguistischen Programmierens (NLP).
Die DSO dementierte die Vorwürfe. „In der Angehörigenbetreuung der DSO gab und gibt es keine Inhalte oder Lehrmethoden nach NLP“, hieß aus der Stiftung. Die DSO schule ihre Koordinatoren zum Thema „Entscheidungsbegleitung für Angehörige (EfA)“ seit 2008 und biete seit 2010 auch bundesweit Krankenhäusern Workshops zu diesem Thema an.
Das Programm basiere auf Erfahrungen aus den USA zur Entwicklung der kommunikativen Fähigkeiten (bringing bad news) und berücksichtige dabei die spezifische Situation der Angehörigen. Die Gespräche seien entscheidungsoffen und enthielten keine manipulativen Elemente. Ziel sei, Rahmenbedingungen für ein Gespräch zu schaffen, um auf die Bedürfnisse der Angehörigen in dieser schwierigen Ausnahmesituation einzugehen zu können.
© kna/EB/aerzteblatt.de

@Bibaba
Aber es ist nunmal so, das NLP höchst manipulative Methoden der Gesprächsführung kennt. Diese mögen auch zu einer heilenden Beieinflussung geeignet sein. Das lasse ich jetzt dahin gestellt.
Aber solche Methoden haben ganz gewiß nichts in einem Beratungsgespäch für Verwandte eines Hirntoten zu suchen.
Denn dass der gesprächführende "Anwender" ein Interesse an einer Manipulation hat, muß man voraussetzen. Sonst würde das Gespräch nicht stattfinden. Dass ein solcher Anwender dann aber auch noch eine so manipulative Methode wie NLP dazu als "Werkzeug" oder gar "Waffe" (O-Ton eines "NLP-Masters") in die Hand bekommen soll, finde ich schon sehr fragwürdig.
Und dass die Ausbildung dazu dann auch noch von solchen einseitg ökonomisch orientierten "Interessenverbänden" wie der DSO bezahlt wird, "stinkt" dann schon sehr massiv nach üblen Methoden.
Frau Bader: Hier soll nicht (wie bei Ihnen) ein psychsch Kranker geheilt werden. Vielmehr soll hier ein gesunder Mensch zu einer Entscheidung manipuliert werden, die die Betroffenen in diversen Fällen später massiv bereuen.
Aber das interessiert die DSO dann natürlich eher weniger.
Und Sie anscheinend auch nicht. Sie rufen nur reflexartig (wie so viele NLPler): "NLP ist gut. Und Kritik ist unintelligent."
Ein bißchen einfach, oder nicht ?
Viele Grüße
S.

Mensch und Methode - ein Unterschied
Als "NLPlerin", die ich u.A. auch bin, kann ich nur sagen, dass es in der Regel der Mensch ist, der sich daneben benimmt. Die Methode ist letztlich nur ein Werkzeug, das aber natürlich wie alle wirksamen Dinge verantwortlich benutzt werden will. Oder würden Sie Schmerztherapeuten als Dealer bezeichnen, die ihre Patienten mit Drogen versorgen?
Eigentlich kann ich mich nicht mehr wirklich empören über die Gleichsetzung von Mensch und Methode. Es wird mit der Zeit langweilig, da wenig intelligent.
Birgit Bader, mehrfach ausgebildete Psychologische Psychotherapeutin

Das ist die Höhe! Das Gespräch mit den Angehörigen soll mißbraucht werden ...
Zuerst zum Neurolinguistischen Programmieren (NLP): man kann jede Form des Kommunikationstrainings mißbrauchen, nicht nur das NLP. Die politische Umerziehung, die "Gehirnwäsche", in autoritären Systemen geschieht überwiegend unter dem Mißbrauch erprobter psychiatrischer, psychologischer oder psychotherapeutischer Maßnahmen. NLP ist tatsächlich ein scharfes Werkzeug, jedoch ist es nicht selbst umstritten. Die betrügerische Anwendung des NLP ist das Verwerfliche. NLP entlarvt Lügen und offenbart Absichten.
Ich bin sicher, mithilfe des NLP könnte man auch rasch erkennen, daß es dem NLP- anwendenen DSO-Koordinator keineswegs um die - wie hieß das doch - mangelnde Ausbildung auf das Gespräch mit den Angehörigen geht, sondern allein um eine möglichst hohe Spenderquote. Das nenne ich einen Mißbrauch begehen. Dafür ist das Gespräch mit den Angehörigen nicht da. So wird das Gespräch zur gezielten Manipulation.
Wie kann sich die DSO anmaßen zu behaupten, Ärzte würden in ihrer Ausbildung nicht auf die Angehörigengespräche vorbereitet?
Und wie kann sich die DSO anmaßen, als "Unterstützer" aufzutreten?
Das ist im Fall einer negativen Einstellung zur Organspende so, als würde eine Brauerei die Unterstützung bei der Alkoholentwöhnung anbieten.
Und erst recht im Fall einer positiven Einstellung muß es doch ohne Frage skeptisch machen, wenn man in Richtung Organspernde "gecoacht" wird.
Anhand dieses Artikels wird offenbar, hier ist eine Organisation am Werk, der jedes Mittel recht ist, Mißbrauch von Statistiken, Einsatz psychotherapeutischer Verfahren, medialer Druck auf die Öffentlichkeit.
Dem muß man entschieden entgegentreten.
Dr.Karlheinz Bayer, Bad Peterstal

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