Politik
Klinikdirektoren in Marburg und Gießen: Ende der Privatisierung prüfen
Freitag, 30. März 2012
Berlin – Mit Kritik am Betreiber des Universitätsklinikums Gießen und Marburg (UKGM), der Rhön-Klinikum AG, haben sich die Klinikdirektoren der beiden Standorte in die Diskussion um einen möglichen Abbau ärztlicher Stellen eingeschaltet. „Es stellt sich die Frage, ob das Projekt der Privatisierung einer Universitätsklinik durch ein börsennotiertes Unternehmen nach guten Anfangserfolgen nunmehr als gescheitert anzusehen ist“, heißt es in ihren „22 Thesen zur Krise des UKGM“, „oder ob eine Veränderung des Geschäftsmodells der Rhön-Klinikum AG, zum Beispiel im Sinne eines Ansatzes erreichbarer Renditevorgaben, das gesamte Projekt doch noch auf den Erfolgsweg zurückbringen kann.“
Die seit Jahresbeginn erlebte Krise des UKGM zeige sich als ein offener Interessenskonflikt zwischen den Renditeerwartungen der Rhön-Klinikum AG und dem Bestreben der hier tätigen Mediziner und Pflegenden zu einer qualitätsorientierten Hochleistungsmedizin. Dieser Konflikt könne innerhalb von Jahresfrist zu erheblichen Nachteilen durch Weggang von Kompetenzträgern auf verschiedenen Ebenen oder durch Ausbleiben von Neuberufungen führen, schreiben die Klinikdirektoren, die nicht Mitglieder der UKGM-Geschäftsführung sind.
Mit der Privatisierung der Universitätskliniken Gießen und Marburg sei anfangs die Hoffnung verbunden gewesen, den Investitionsstau zu überwinden und so die Zukunftsfähigkeit der Universitätskliniken in Mittelhessen zu sichern. „In den sechs Jahren der Privatisierung haben wir zahlreiche Umstrukturierungen und Optimierungen der Abläufe erlebt, die zu einer erheblichen Verdichtung der Arbeit im ärztlichen und auch im pflegerischen Bereich geführt haben“, heißt es in dem Thesenpapier.
aerzteblatt.de
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Durch eine intensive und konstruktive Zusammenarbeit der kaufmännischen Geschäftsführung vor Ort mit den Leistungsträgern im ärztlichen und pflegerischen Bereich sei gerade in den letzten Jahren Leistungsumfang und Effizienz gesteigert worden. Schon vor dem Jahreswechsel 2011/2012 habe sich jedoch ein Wandel in diesem konstruktiven Miteinander abgezeichnet, in dem de facto eine Stellen- und Investitionssperre praktiziert worden sei, ohne dass eine offene Kommunikation über geänderte Vorgaben seitens der Rhön-Klinikum AG stattgefunden habe.
Die Klinikdirektoren beschreiben einen „nicht weiter aufzuschiebenden Investitionsstau vor allem in Form von umfangreichen Sanierungsmaßnahmen“ in Höhe von über 100 Millionen Euro. Ein größerer Investitionsstau bestehe darüber hinaus bei medizinischen Geräten.
„Der im Kooperationsvertrag vorgesehene dauerhafte Verzicht auf eine Bauförderung durch die öffentliche Hand erweist sich als Fehleinschätzung der Rhön-Klinikum AG, da dieser Wettbewerbsnachteil gegenüber allen anderen Universitätskliniken nicht kompensiert werden kann“, resümieren die Chefärzte des UKGM.
Die Entwicklung am UKGM werde von den Klinikdirektoren beider Standorte mit großer Sorge gesehen, weil schon jetzt eine zunehmende Verunsicherung bei den Patienten erkennbar sei. Auch potenzielle Bewerber aus den Reihen der umworbenen jungen Ärztinnen und Ärzte wendeten sich vom UKGM ab. Ferner spürten die Studierenden eine Gefährdung ihrer Ausbildung, und den Forschenden entziehe sich die solide Basis und Perspektive für ihre wissenschaftliche Tätigkeit.
Abschließend heißt es: „Da ein Scheitern des Projektes im Raum steht, sollte eine Alternative, zum Beispiel die Rückführung der Privatisierung, sehr rechtzeitig geprüft werden, bevor durch Rufschädigung und Weggang von Kompetenzträgern ein schwer wieder gut zu machender Schaden entstanden ist.“ © fos/aerzteblatt.de

Was haben Klinikdirektoren mit Martin Luther und ROI zu tun?
Doch jetzt zeigt das Rhön-Schlachtschiff nicht nur Kratzer und Risse, sondern droht auf Grund zu laufen:
• war die Privatisierung von Arbeitsverträgen bei ehemaligen Landesbediensteten der Kliniken nicht rechtens.
• wehren sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gegen einen massiven Stellenabbau.
• hat die Kritik an Rationalisierung, Arbeitsverdichtung und Qualitätsmängel in Forschung, Lehre, Ausbildung und Krankenversorgung zugenommen.
• hat sich 2009 die Bürgerinitiative "notruf113.org" gegründet, aus Sorge um die medizinische Versorgung der betroffenen Bevölkerung.
• bemängeln selbst Klinikdirektoren den Widerspruch zwischen anlegerorientierten Kapitalverwertungsinteressen und humanmedizinischer Versorgung auf universitärem Niveau.
Dagegen wollte sich die Rhön-Klinikum AG mit einem Rundum-Sorglos-Paket schützen und hat sich nicht nur auf dem Krankenhausmarkt deutschlandweit etabliert. Selbst der Vorstandsvorsitzende der BARMER/GEK Krankenkasse, Dr. med. Christoph Straub, war vorher Vorstandsmitglied der Rhön-Klinikum AG für den Bereich Versorgung.
Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Die 22 Thesen der Chefärzte können den 95 Thesen Luther nicht das Wasser reichen
Jetzt will man mehr Geld (solange es nicht das eigene ist) und droht, wie immer, mit Patientenschwund, Fachkräfteverlust und sieht eine Verunsicherung bei den Patienten (wie wurde das festgestellt?).
Jetzt möchten die Chefärzte, die bei einer Privatisierung meistens diejenigen sind, die als erste Einfluss verlieren, zurück an den Subventionsrock des Landes (was das Land angesichts knapper Kassen wohl kaum mitmacht, zumal Rhön die Zusagen bisher eingehalten hat).
Ich finde dies recht kurzsichtig und ideologisch dominiert, abgesehen von den offensichtlich mangelhaften Managementkenntnissen bei den Chefärzten, die Personal führen wollen.
Nachdem die 22 Thesen es wohl kaum an die Wittenberger Tore schaffen, ist es nur noch die unverschämte Einspannung von Patienten von Personal für die eigenen Macht- und Finanzinteressen

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