Medizin
Netzhautablösung durch Fluorochinolon-Antibiotika
Mittwoch, 4. April 2012
Vancouver – Die orale Therapie mit Antibiotika aus der Gruppe der Fluorochinolone geht offenbar mit einer erhöhten Rate von Netzhautablösungen im Auge einher. Das relative Risiko einer Ablatio retinae war in einer Fall-Kontroll-Studie im US-amerikanischen Ärzteblatt (JAMA 2012; 307: 1414-1419) fast fünffach erhöht.
Fluorochinolone gehören zu den am häufigsten verschriebenen Antibiotika. Aufgrund ihres breiten Wirkungsspektrums und der guten Gewebeverteilung werden sie im ambulanten Bereich für eine Vielzahl von bakteriellen Infektionen eingesetzt. Obwohl Fluorochinolone in der Regel gut vertragen werden, gibt es eine Vielzahl möglicher Nebenwirkungen.
Auch Toxizitäten im Auge, wo Fluorochinolone ebenfalls eine hohe Konzentration erreichen, wurden beschrieben. Dazu gehören Hornhautperforationen, eine optische Neuropathie sowie Netzhautblutungen. Berichte über Netzhautablösungen gab es aber nur vereinzelt.
Ein möglicher Pathomechanismus für Netzhautablösungen sind Störungen im Kollagen- und Bindegewebe des Glaskörpers, schreibt Mahyar Etminan vom Child and Family Research Institute in Vancouver. Solche Störungen sind für Sehnenrupturen verantwortlich, die eine bekannte Nebenwirkung von Fluorochinolonen sind.
Etminan hat deshalb die Verschreibungsdaten für Antibiotika im kanadischen Teilstaat British Columbia mit den dortigen Hospitalisierungen und ambulanten Behandlungen wegen Netzhautablösungen verglichen. In einer genesteten Fall-Kontrollstudie stellte der Epidemiologe 4.384 Patienten mit Netzhautablösung jeweils zehn Kontrollen gleichen Alters gegenüber.
Tatsächlich findet Etminan bei den Patienten mit Netzhautablösung eine erhöhte Rate von Verordnungen von Fluorochinolonen, nicht aber von anderen Antibiotika. Für die aktuelle Anwendung ermittelt Etminan ein um den Faktor 4,5 erhöhtes Risiko (adjustiere Rate Ratio 4,50; 95-Prozent-Konfidenzintervall 3,56-5,70). Die Netzhautablösung trat durchschnittlich nach 4,8 Tagen Therapie auf. Nach dem Ende der Einnahme war das Risiko nicht mehr erhöht.
Danach sind das Ausmaß des Risikos und der Auftrittszeitpunkt ähnlich wie bei den Rupturen der Achillessehne, dessen Risiko laut einer von Etminan zitierten Studie unter der Therapie mit Fluorochinolonen um den Faktor 7,1 erhöht ist und die median nach 7 Tagen Therapie auftraten.
Wie bei den Sehnenrupturen dürfte die Gefahr für den einzelnen Patienten gering sein. Laut Etminan kommen auf 10.000 Patienten und Jahre vier zusätzliche Erkrankungen. Die Number Needed to Harm beträgt 2.500. Angesichts der hohen Zahl von Verordnungen könnten in den USA jährlich 1440 Netzhautablösungen auf die Einnahme von Fluorochinolonen zurückzuführen sein, schreibt Etminan.
Dass dies bisher unentdeckt blieb, könnte damit zusammenhängen, dass die Netzhautablösungen nicht von den gleichen Ärzten (Augenärzte) behandelt werden, die die Antibiotika verschrieben haben (zum Beispiel Hausärzte, Internisten). Eine Stellungnahme der Arzneimittelbehörden liegt noch nicht vor. © rme/aerzteblatt.de

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