Politik
Vollversorgungsverträge mit Ärztenetzen sparen den Kassen Geld
Donnerstag, 5. April 2012
Ärztenetze können seit 1997 Vertragspartner von Krankenkassen werden. Viele Netze haben sich seitdem gegründet; einige haben die Zeit genutzt, um sich in ihrer Region zu etablieren und neue Wege in der Patientenversorgung zu gehen. Ein solches Netz ist das 2004 gegründete Ärztenetz Südbrandenburg (ANSB). Dem Deutschen Ärzteblatt erklärt Jens Zierz von der Managementgesellschaft des ANSB, wie der Vollversorgungsvertrag „ProMED plus Südbrandenburg“ die Qualität der Versorgung im südlichen Brandenburg verbessert hat.
Fünf Fragen an Jens Zierz, Geschäftsführer der ANSB Consult GmbH:
DÄ: Was beinhaltet „ProMED plus Südbrandenburg“?
Zierz: Wir haben aus aktuellen Leitlinien Behandlungspfade definiert, zum Beispiel zur Koronaren Herzkrankheit, Rheumatoider Arthritis, Diabetes Mellitus oder auch zu Vorsorgeuntersuchungen ab dem 35. Lebensjahr. Hausärzte übernehmen dabei die ersten Untersuchungen, erheben eine vollständige Anamnese und überweisen anhand klarer Vorgaben online zu den Fachärzten. Für Notfallpatienten halten die Fachärzte Zeitfenster offen, damit diese schnell weiterbehandelt werden können und nicht in eine Klinik eingewiesen werden müssen. Die Patientendaten werden auf eine IT-Plattform eingestellt, auf die alle Netzärzte Zugriff haben – wir arbeiten dabei mit KV-Safenet. Per Mausklick können die Daten ausgetauscht werden. Darüber hinaus haben wir ein einheitliches Qualitätsmanagementsystem, nach dem jede Einzelpraxis zertifiziert wird.
DÄ: Wer ist bei „ProMED plus Südbrandenburg“ beteiligt?
Zierz: Wir haben den Vertrag 2008 mit der AOK Nord und der Barmer GEK ins Leben gerufen. Diese beiden Kassen decken 65 Prozent aller Versicherten in unserer Region ab. Weitere, kleinere Kassen ins Boot zu holen, würde für uns nur den Aufwand erhöhen. Das sehen wir nicht als Ausgrenzung anderer Versicherter, sondern als sinnvollen Beitrag zum Wettbewerb unter den Krankenkassen. Interessieren sich Patienten aus anderen Kassen an „ProMED plus Südbrandenburg“, haben sie jederzeit die Möglichkeit, ihre Krankenkasse zu wechseln. Auf ärztlicher Seite sind die 44 niedergelassenen Haus- und Fachärzten aus unserem Netz dabei; außerdem beteiligt sind das Niederlausitz-Klinikum in Senftenberg und Lauchhammer und vier Medizinische Versorgungszentren in der Region. Bislang eingeschrieben sind etwa 10.000 vorwiegend multimorbide, ältere Patienten.
DÄ: Und? Verbessert Ihr Vertrag die Patientenversorgung in Südbrandenburg?
Zierz: Ja. Unsere Patienten werden strukturiert behandelt, sie erhalten im Notfall schneller Termine und werden auch besser betreut als im Kollektivvertrag. Ein Beispiel: Insbesondere chronisch kranke, multimorbide Patienten wenden sich nicht selten an die Notaufnahme des Krankenhauses, weil sie sich im Umgang mit ihren Beschwerden und Problemen unsicher fühlen und der Hausarzt als vertrauter Ansprechpartner außerhalb der Dienstzeit nicht zur Verfügung steht. Wir schließen die Versorgungslücke für diese Patienten im Rahmen unseres Case Managements. Unsere Fallmanager sind Pflegfachkräfte die den Patienten und seine Krankengeschichte bestens kennen und zu jeder Zeit ambulante pflegerische und/oder ärztliche Versorgung organisieren. Dies geschieht in engster Abstimmung mit dem Hausarzt im Netz. Damit bieten wir unseren Patienten Sicherheit und Einbindung in nahtlose Versorgungsketten.
DÄ: Stichwort Kosten. Sparen die beteiligten Kassen durch Ihren Vertrag?
Zierz: Ja, das tun sie. Zum Beispiel eben, weil es weniger Krankenhauseinweisungen gibt. Wir folgen strikt der Maxime „ambulant vor stationär“. Und das zahlt sich aus. Außerdem sparen wir Doppeluntersuchungen, weil Fachärzte keine Untersuchungen vornehmen müssen, die an anderer Stelle im System bereits durchgeführt worden sind. Und wir konnten die Arbeitsunfähigkeitstage reduzieren. Teile der erzielten Gewinne werden dann wieder in Projekte investiert, zum Beispiel in das Case Management.
DÄ: Wenn Ihr Vollversorgungsvertrag so gut läuft, brauchen wir dann überhaupt noch den Kollektivvertrag?
Zierz: Selbstverständlich! Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind die Standesvertretung der Vertragsärzte, dort sind große Kompetenzen vorhanden. Und eine Abschaffung des KV-Systems würde sich auch aus kaufmännischer Sicht überhaupt nicht rechnen. In Brandenburg haben wir zum Beispiel eine starke KV, die uns viele Wege geöffnet hat und uns unsere Projekte entwickeln ließ. Eine Managementgesellschaft der KV übernimmt als Dienstleister auch die Abrechnung von „ProMED plus Südbrandenburg“ gegenüber den Kassen. © fos/aerzteblatt.de

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