Medizin
AMD: Lucentis und Avastin langfristig gleichwertig
Mittwoch, 2. Mai 2012
Cleveland – Der Einsatz des Krebsmedikaments Avastin kann in der Behandlung der altersbedingten Makuladegeneration (AMD) die Kosten deutlich senken, ohne dass die Ergebnisse schlechter wären als unter dem hochpreisigen Ophthalmikum Lucentis. Dies zeigen die Ergebnisse einer Studie des US-National Eye Institute. Sie sind auch mit einer bedarfsabhängigen Therapie vereinbart, durch die die Zahl der ansonsten monatlichen Injektionen gesenkt werden könnte.
Die „Comparison of AMD Treatments Trials“ (CATT) ist der erste große direkte Vergleich von Lucentis mit Avastin bei der AMD. Lucentis wurde speziell für die intraokulare Injektion entwickelt, Avastin wird in der Krebstherapie eingesetzt. Die beiden Wirkstoffe – Ranibizumab in Lucentis und Bevacizumab in Avastin – unterscheiden sich kaum.
Beide binden den „Vascular Endothelial Growth Factor“ (VEGF-A). Sie schalten damit einen Wachstumsfaktor aus, der in der Retina an der Bildung von pathologischen Blutgefäßen beteiligt ist, die zur feuchten AMD führen. VEGF-A wird auch von Tumoren freigesetzt, die damit ihre Blutversorgung sichern.
Starke Unterschiede gibt es im Preis. Eine Dosis Lucentis kostet 1.950 US-Dollar. Zum gleichen Preis können die Augenärzte fast 40 Patienten mit Avastin behandeln, wenn sie einen Apotheker finden, der die Einzeldosis des Krebsmedikaments portioniert. Vor der Einführung von Lucentis war die Off-Label-Therapie die einzige Möglichkeit. Viele Augenärzte berichteten über einen erfolgreichen Einsatz von Avastin bei der AMD und anderen proliferativen Retinopathien.
Nach der Einführung von von Lucentis bestand die Unsicherheit, ob das preisgünstige Medikament tatsächlich eine gleich gute Wirkung erzielt. Für den Hersteller gab es keinen Anreiz dies in einer Studie zu prüfen. Deshalb hat das US-National Eye Institute diese Aufgabe übernommen. An 59 Zentren wurden 1.185 Patienten mit AMD auf beide Therapien randomisiert. Es gab vier Therapiearme: Verglichen wurde einmal die monatliche Injektion mit Bevacizumab oder Ranibizumab und zum anderen eine bedarfsorientierte Therapie („pro re nata“, PRN) mit einem der beiden Wirkstoffe.
Vor einem Jahr waren bereits die Einjahresergebnisse vorgestellt worden (NEJM 2011; 364: 1897-908). Beide Medikamente hatten sich als gleich gut wirksam erwiesen. Die Patienten hatten unter Bevacizumab 8,0 Buchtaben auf der Sehtafel gewonnen, unter Ranibizumab waren es mit 8,5 Buchstaben kaum mehr. Beide Medikamente sind damit in ihrer Wirkung beispiellos.
Der Unterschied zwischen den beiden Wirkstoffen war weder statistisch signifikant, noch klinisch relevant. Auch die bedarfsabhängige Injektion (statt dem festen monatlichen Intervall) erzielte vertretbare Ergebnisse: plus 5,9 Buchstaben unter Bevacizumab versus plus 6,8 Buchstaben unter Ranibizumab.
Auch im zweiten Jahre der Therapie hat sich an den Ergebnissen wenig geändert, wie Daniel Martin vom Cole Eye Institute an der Cleveland Clinic und Mitarbeiter jetzt berichten. Der Vorteil von Ranibizumab hat sich auf weiterhin nicht signifikante 1,4 Buchstaben erhöht. Der Unterschied zwischen der monatlichen Therapie oder der PRN-Gabe von 2,4 Buchstaben war zwar signifikant, die bedarfsabhängige Therapie dürfte jedoch weiterhin eine Option bleiben.
Ein Vertreter der American Academy of Ophthalmology meinte in einer ersten Stellungnahme, die Ärzte könnten die Therapie ruhig auf die Bedürfnisse des Patienten ausrichten. Ein Kompromiss könnte darin bestehen, die Therapie im monatlichen Turnus zu beginnen und später eine PRN-Gabe zu wechseln.
Überraschend war die hohe Rate von Komplikation in beiden Therapiearmen. Unter Avastin kam es bei 40 Prozent zu schweren systemischen Ereignissen. Unter Ranibizumab lag die Rate bei 32 Prozent. Der Unterschied war signifikant (adjustierte Risikorate 1,30;95-Prozent-Konfidenzintervall 1,07−1,57). Dieser Unterschied war bereits nach dem ersten Jahr aufgefallen.
Da die Wirkstoffmenge gering ist und lokal am Augen angewendet wird, hatten die Fachgesellschaften dem keine Bedeutung beigemessen. Daran dürfte sich auch jetzt wenig ändern. Das National Eye Institute und die American Academy of Ophthalmology sind weiter geneigt, das hohe Alter der Patienten (80 Jahre im Durchschnitt) für die häufigen kardiovaskulären und andere systemische Ereignisse verantwortlich zu machen.
Angesichts der hohen Ausgaben für Lucentis dürften viele Ophthalmologen sich für Avastin entscheiden. Der Kostendruck ist enorm. Im Jahr 2010 entfielen fast 10 Prozent des Arzneibudgets im Part B (ambulanter Bereich) von Medicare auf Lucentis. Da die Therapie dauerhaft wiederholt werden muss, dürften auch viele Privatversicherer auf den Einsatz des kostengünstigeren Avastin drängen, vermutet der Fachverband der US-Augenärzte. © rme/aerzteblatt.de

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