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Medizin

Künstliche Befruchtung: ICSI mit mehr Fehlbildungen

Montag, 7. Mai 2012

/picture-alliance maxppp

Adelaide – Unter den verschiedenen Formen der künstlichen Befruchtung scheint die intra­zyto­­plasma­­tische Spermieninjektion (ICSI) mit einer erhöhten Rate von Fehlbildungen einher zu gehen. Auch der Einsatz von Clomifen zur Hyperovulation könnte bedenklich sein. Dies geht aus einer Datenbankanalyse hervor, die anlässlich der Vorstellung auf einer Fachtagung in Barcelona im New England Journal of Medicine (2012; doi: 10.1056/NEJMoa1008095) publiziert wurde.

In den letzten Jahren hatte bereits eine Reihe von anderen Kohortenstudien auf eine erhöhte Rate von Fehlbildungen bei Kindern hingewiesen, die mit reproduktions­medizinischer Unterstützung gezeugt worden waren. Die Analyse des South Australian Birth Defects Registers ist nach Auskunft von Michael Davies, Universität Adelaide, die bisher umfassendste Untersuchung. In die Analyse flossen die Daten von 308.974 Kindern ein, von denen 6.163 mittels künstlicher Befruchtung gezeugt wurden.

Das Register sammelt nicht nur die Daten aus den Geburtsbescheinigungen. Es fließen auch Informationen aus anderen Quellen ein, so dass alle bis zum Alter von 5 Jahren bekannt gewordenen Fehlbildungen erfasst werden. Als Fehlbildungen wurden auch die Zerebralparese und angeborene Stoffwechselstörungen und hämatologische Erkrankungen gezählt. Die Häufigkeit war bei den Kindern nach einer medizinisch assistierten Konzeption mit 8,3 Prozent höher als bei Kindern ohne künstlicher Befruchtung (5,8 Prozent). Dies ergibt eine Odds Ratio von 1,47.

Sie sank nach Berücksichtigung zahlreicher potenzieller Einflussfaktoren (Alter der Mutter, Parität, fetales Geschlecht, Jahr der Geburt, Ethnie und Geburtsland der Mutter, Schwangerschaftsanamnese und Beruf von Mutter oder Vater) auf 1,28. Diese adjustierte Odds Ratio blieb mit einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 1,16 bis 1,41 signifikant.

Dank der großen Fallzahl konnte Davies die Daten nach der Art der künstlichen Befruchtung aufschlüsseln. In der adjustierten Analyse verlor die Assoziation mit der In-vitro-Fertilisation (IVF) die statistische Signifikanz, während die Rate der Fehlbildungen nach ICSI mit 9,9 Prozent weiterhin statistisch signifikant war (adjustierte Odds Ratio 1,57; 1,30-1,90).

Davies führt diese um 57 Prozent erhöhte Rate nicht auf die Technik der ICSI zurück, bei der die Chromosomen des Spermiums mit einer Hohlnadel in die Eizelle injiziert werden. Plausibler erscheint ihm, dass die Infertilität Ausdruck einer genetischen Prädisposition ist, zu der die Übertragung von Fehlbildungen gehört. Dafür spricht, dass eine Infertilität in der Anamnese auch dann mit einer erhöhten Rate von Fehlbildungen einherging, wenn der Kinderwunsch am Ende doch ohne künstliche Befruchtung in Erfüllung ging.

Bedenklich stimmt die Autoren, dass der Einsatz von Clomifen mit einer dreifach erhöhten Rate von Fehlbildungen assoziiert war. Dieses Medikament zur Auslösung eines Eisprungs war allerdings nur selten eingesetzt worden, so dass das Konfidenzintervalle weit (wenn auch signifikant) war.

Damit lässt sich das Ausmaß des Risikos nur schwer abschätzen. Problematisch könnte sein, dass Clomifen nicht nur in der Reproduktionsmedizin eingesetzt wird. Es ist auch als preisgünstiges Mittel zur Behandlung einer Amenorrhoe im Einsatz. Davies will die Analyse künftig wiederholen, da mit den Methoden der künstlichen Befruchtung auch deren potenzielle Risiken einem Wandel unterliegen. Weltweit wurden mehr als 3,7 Millionen Kinder nach einer künstlichen Befruchtung geboren. © rme/aerzteblatt.de

Kommentare

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Avatar #92498
wunschkinder
am Dienstag, 15. Mai 2012, 10:55

PID hilft nicht zum Ausschluss aller Fehlbildungen

@ Mathilda,

ich bin sicherlich alles andere als ein Gegner der PID. Jedoch muss man die Möglichkeiten dieser Technik kennen. Mit ihr lassen sich nur monogene Erkrankungen ausschließen sowie Aneuploidien (zahlenmäßige Veränderung des Chromosomensatzes).

Die überwiegende Anteil der in dem Originalrtikel beschriebenen Fehlbildungen sind jedoch nicht genetischer Natur. Mit anderen Worten: Da hilft die PID nicht. Und dass nach ICSI mehr Fehlbildungen entstehen, ist schon lange bekannt. Auch, dass dies nicht auf die Technik zurückzuführen ist, sondern auf die "Negativauswahl" bei Sterilitätspaaren, die ein höheres Risiko für erkrankte Kinder haben, unabhängig davon, wie die Schwangerschaft entstatnd.
Avatar #33377
steck
am Montag, 7. Mai 2012, 23:35

Glaube keiner Studie, die du nicht selbst übersetzt hast ...

"Von insgesamt 308.974 Kindern hatten 6.162 Fehlbildungen."
Original:
"Of the 308,974 births, 6163 resulted from assisted conception."

Vielleicht hat die DÄ-Redaktion ja die Originaldaten überprüft und deshalb aus 6163 6162 gemacht. Dabei aber übersehen, dass hier nicht die Zahl der Fehlbildungen, sondern der assistierten Konzeptionen genannt war. Von diesen hatten 513 (8,3%) Fehlbildungen.
Kein weiterer Kommentar!

Wir haben den Text korrigiert. Vielen Dank für den Hinweis, da ist uns leider ein Fehler unterlaufen. Redaktion DÄ
Avatar #108046
Mathilda
am Montag, 7. Mai 2012, 20:55

Was soll diese reißerische Schlagzeile?

Soll hier wieder mal Stimmung gegen PID gemacht werden?

Die Aussage der Studie ist klar: eben nicht die ICSI führt zu höheren Fehlbildungsraten, sondern wegen vorhandener genetischer Prädisposition kommt es auf natürlichem Weg nicht zu einer Schwangerschaft bzw. zu mehreren Aborten, so dass der Weg der ICSI gewählt wird.

Eigentlich ist damit die Studie ein klares Argument Pro PID, da damit nicht nur EIN (möglicherweise krankes oder fehlgebildetes) Kind per ICSI gezeugt werden kann, sondern auf die Fehlbildung getestet und ein Kind ohne diese Krankheit oder Lebensgefährdung auf die Welt kommen darf.

Ich benutze hier bewusst nicht die Bezeichnung "Behinderung", diese hat in Deutschland inzwischen eine Art Heiligenschein, eine Art Aura von etwas Höherem. Das Gefühl dafür, dass eine Behinderung in den allermeisten Fällen eine alle Grenzen des Erträglichen überschreitende Belastung für Kind und Eltern und ggf. Geschwister ist, ist vor lauter Moralisieren verloren gegangen.
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