Politik
SPD will IGeL-Leistungen eindämmen
Freitag, 11. Mai 2012
Berlin – Die SPD-Bundestagsfraktion will das Erbringen Individueller Gesundheitsleistungen (IGeL) erschweren. So soll es Ärzten künftig verboten werden, innerhalb eines Tages sowohl IGeL-Leistungen als auch Leistungen zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für einen Patienten abzurechnen, wie es in einem SPD-Antrag heißt, der gestern in erster Lesung im Bundestag diskutiert wurde. Zudem soll der Arzt dazu verpflichtet werden, seinen Patienten darüber zu informieren, weshalb die IGeL-Leistung nicht Teil des GKV-Leistungskataloges ist.
Die SPD fordert darüber hinaus, dass in jeder Praxis eine von der Bundesregierung erstellte Übersicht über die angebotenen IGeL-Leistungen aushängen soll, in der ebenfalls erklärt wird, weshalb diese nicht im Leistungskatalog enthalten sind. Zudem soll sichergestellt werden, dass Vertragsärzte den überwiegenden Anteil ihrer Arbeitszeit für Kassenleistungen verwenden.
Die Geschäftemacherei in ärztlichen Praxen wachse rasant, kritisierte die zuständige Berichterstatterin im Gesundheitsausschuss, Mechthild Rawert (SPD). So seien im Jahr 2010 Individuelle Gesundheitsleistungen im Wert von 1,5 Milliarden Euro in deutschen Arztpraxen erbracht worden. Von Bürgern höre sie, dass diese in der Praxis mit IGeLn überhäuft würden und manche nur dann einen Termin beim Arzt erhielten, wenn sie zuvor einer IGeL-Leistung zugestimmt hätten.
Die Patienten könnten IGeL-Leistungen schwer einschätzen, sagte der Gesundheitsexperte der Linken, Harald Weinberg. Viele ahnten nur, dass die wenigsten dieser IGeL sinnvoll, die meisten nutzlos und einige sogar schädlich seien. Im Durchschnitt verdiene jeder Arzt in Deutschland 11.000 Euro mit IGeL-Leistungen.
Für manche sei das ein sehr gutes Geschäftsmodell. Dadurch könne sich jedoch das Arzt-Patient-Verhältnis ändern. In diesem Zusammenhang zitiert Weinberg den Vorstandsvorsitzenden der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Köhler, der an die Ärzte appelliert habe, sensibel mit dem IGeLn umzugehen, weil anderenfalls das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient Schaden nehmen könne.
Der Gesundheitsexperte der Union, Erwin Rüddel, erklärte, dass manche IGeL-Leistungen durchaus sinnvoll sein könnten, zum Beispiel Impfungen vor Fernreisen oder sportmedizinische Untersuchungen. Es stehe dem Patienten frei, diese Angebote in Anspruch zu nehmen.
Der Antrag der SPD renne bei der Koalition offene Türen ein, sei jedoch nicht frei von Übertreibungen und erwecke den Eindruck, dass der SPD jegliche Wahlfreiheit von Patienten ein Dorn im Auge sei. Rüddel verwies auf das Patientenrechtegesetz, das zum Beispiel die Aufklärung über Kosten und Nutzen von IGeL-Leistungen durch den behandelnden Arzt enthalten und das zum Jahreswechsel in Kraft treten werde.
Der SPD-Antrag wurde zur weiteren Beratung an den Gesundheitsausschuss überwiesen. © fos/aerzteblatt.de

re: Sorry, aber wie dumm...
Doch, kann man. Vor allem wenn man mit populistischem Geschwafel an Wählerstimmen kommt.

Sorry, aber wie dumm ist das denn?
• Die Leistungspflichten in der GKV sind nach § 12 (Wirtschaftlichkeitsgebot) und die Leistungsausschlüsse nach § 34 für alle Beteiligten verbindlich eingeschränkt. § 34 SGB V, Satz 1: "(1) Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel sind von der Versorgung nach § 31 ausgeschlossen" ...u n d... "1. Arzneimittel zur Anwendung bei Erkältungskrankheiten und grippalen Infekten einschließlich der bei diesen Krankheiten anzuwendenden Schnupfenmittel, Schmerzmittel, hustendämpfenden und hustenlösenden Mittel, 2. Mund- und Rachentherapeutika, ausgenommen bei Pilzinfektionen, 3. Abführmittel, 4. Arzneimittel gegen Reisekrankheit" sind n i c h t verordnungsfähig. In § 34 SGB V heißt es weiter: "Von der Versorgung sind außerdem Arzneimittel ausgeschlossen, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht. Ausgeschlossen sind insbesondere Arzneimittel, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, der Anreizung sowie Steigerung der sexuellen Potenz, zur Raucherentwöhnung, zur Abmagerung oder zur Zügelung des Appetits, zur Regulierung des Körpergewichts oder zur Verbesserung des Haarwuchses dienen." (Ausnahmeregelungen können nur für Kinder und Jugendliche bis zum 12. bzw. 18. Lebensjahr bestehen). Alle ärztlichen Leistungen j e n s e i t s der §§12+34 SGB V sind verpflichtend privatärztliche und IGeL-Leistungen, dürfen als gar nicht zu Lasten der GKV angewandt werden.
• Die Forderung, Vertragsärzte sollten mindestens 51 % ihrer Arbeitszeit für Kassen- und maximal 49 % für Privatpatienten und IGeL-Leistungen verwenden, zeugt von krasser Unkenntnis und Ignoranz vertragsärztlichen Alltags.
• Zu behaupten, jeder Arzt in Deutschland würde im Durchschnitt 11.000 Euro mit IGeL-Leistungen, ist einfach kindisch: Nicht alle Vertragsärztinnen und -ärzte, wie z. B. Pathologen, haben die Möglichkeit dazu, und die Mehrheit ist in anderen Berufsbereichen, z B. im Krankenhaus angestellt tätig.
• Unter AZ.: L 1 KR 298/10 befand selbst das Hessische Landessozialgericht in 2. Instanz, dass die GKV-Kassen nicht alles finanzieren müssten, was verfügbar sei, um die Gesundheit zu erhalten oder wiederherzustellen. Es bestehe kein Anspruch auf "Spitzenmedizin um jeden Preis" - Konkret ging es um eine spezielle MRT-Untersuchung beim Prostatakarzinom im Wert von 1.500 €, die nur in den Niederlanden durchgeführt werden konnte.
• Ausschluss von GKV und IGeL-Leistungen am gleichen Tag steht im Widerspruch zur ganzheitlichen Betrachtung, Untersuchung, Hilfeleistung und Behandlung gerade und insbesondere bei den ansonsten durch Vertragsärzte angeblich so vernachlässigten "Kassenpatienten". Man kann nicht Abbau von Wartezeiten und uneingeschränkte, zeitnahe Behandlung von Erkrankten zu Recht fordern, um sie dann bei individuellen Gesundheitsleistungen zugleich schikanieren zu wollen.
Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Hm, da kommt mir ein Gedanke ....
Man kann von der SPD auch lernen.

Patienten als naive Dummköpfe (und @ Frau Rawert)
Was für ein Menschenbild ! Und noch schlimmer: Was für ein Selbstbild !
Liebe SPD - Politiker: 1,5 Mrd. IGeL - Umsatz sind weit unter einem Prozent der Kosten im Gesundheitswesen. Da muss man nicht so einen populistischen Wirbel drum machen. Lasst die Bürger wenigstens doch noch ein paar Entscheidungen im Leben selbst fällen. Sowohl Ärzte wie auch Patienten. Und versucht nicht mehr und mehr, jeden Menschen zu entmündigen.
Und versucht doch vor allem nicht, die sowieso schon überbordende Bürokratie im Gesundheitswesen durch immer mehr Regeln noch mehr zu lähmen. Fällt Euch denn gar nichts weiter ein, als dem System noch mehr Unsinn wie ausgehängte Listen, inhaltslose Belehrungen und überflüssige Informationspflichten aufzubürden ? Das alles interessiert doch keinen einzigen Patienten. Und die eigentliche Arbeit der Ärzte am Patienten erschwert es sinnlos.
Aber vielleicht soll es das ja auch. Man hat manchmal den Eindruck, als wenn niedergelassene Ärzte und selbst zahlende Patienten eine Art Feindbild für diese Leute darstellen.
An Frau Rawert speziell:
Sie zitieren auf Ihrer Homepage Max Weber über die Verantwortung von Politkern. Gerade der hat in seinen Schriften aber vor dem "stahlharten Gehäuse" gewarnt, was der Staat den Bürgern durch immer mehr Bürokratie und Reglementierung aufbürdet. Man denkt doch, dass Sie als Sozialpädagogin von seinen Büchern etwas mehr gelesen hätten als nur die Einleitung. Vielleicht lesen Sie nochmal nach ?
Viele Grüße
S.

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