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Ärzteschaft

Montgomery warnt vor übermächtigen Gesundheitskonzernen

Donnerstag, 17. Mai 2012

Frank Ulrich Montgomery /Hase aerzteblatt

Köln – Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, hat die Kartellbehörden aufgefordert, die Übernahme der Rhön-Kliniken durch den Fresenius-Konzern sorgfältig zu prüfen. „Es besteht die Gefahr, dass Fresenius sich zum Anbieter einer Rundumversorgung entwickelt – analog den Health Maintenance Organizations der USA“, sagte Montgomery in einem Interview mit dem Deutschen Ärzteblatt (Heft 20).

Ein solcher Konzern würde nicht nur über Krankenhäuser verfügen, sondern auch ambulante Versorgung, Medikamente, Hilfsmittel und zudem die Krankenversicherung anbieten. So könne er letztlich die Versorgung der Patienten selbst bestimmen, befürchtet Montgomery. „Das hielte ich für hochgefährlich.“ Ende April hatte der Gesundheitskonzern Fresenius, zu dem auch die Helios-Kliniken gehören, ein Kaufangebot für die Aktien der börsennotierten Rhön-Klinikum AG unterbreitet. Durch die Übernahme würde der mit Abstand größte Klinikkonzern in Deutschland mit 104 Akutkrankenhäusern, 24 Reha-Kliniken und 70 Medizinischen Versorgungszentren entstehen.

Die Frage einer öffentlichen oder privaten Trägerschaft von Kliniken sollte nach Ansicht des Ärztekammerpräsidenten ideologiefrei betrachtet werden. Montgomery: „Mir ist ein gut geführtes privates Krankenhaus lieber als ein schlecht geführtes kommunales – und umgekehrt.“ Etwas Besonderes seien die Unikliniken wegen ihrer hoheitlichen Aufgaben in Forschung und Lehre. Die Probleme des zu Rhön gehörenden Uniklinikums Marburg-Gießen zeigten, „dass das Konzept der Privatisierung eines Universitätsklinik weitgehend gescheitert ist“. Stü. © Stü/aerzteblatt.de

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dr.med.thomas.g.schaetzler
am Donnerstag, 17. Mai 2012, 18:09

Brisanz erkannt

Eine bemerkenswerte Positionsbestimmung von BÄK-Präsident Montgomery. Mit der Übernahme von Rhön Klinikum AG durch Fresenius/Helios würde die neue Aktiengesellschaft "Helios-Rhön" mit derzeit 128 Kliniken und 39.000 Betten formiert. Bei gut 2000 Kliniken in Deutschland liegt damit das Segment Krankenhäuser als AG in privatwirtschaftlicher Trägerschaft insgesamt bei ca. 10 Prozent. Die Fusion Helios-Rhön mit ihren 70 MVZ wäre aber im Gegensatz zur Vielfalt der gemeinnützigen, konfessionellen oder öffentlichen Kliniken regional marktbeherrschend und damit kartellrechtlich bedenklich.

Der 67-Jährige Rhön-Gründer und derzeitige Aufsichtsratschef des MDAX-Konzerns Rhön-Klinikum, Eugen Münch, hält lt. "Financial Times Deutschland" (FTD) 12,45 Prozent der Anteile. Im Berliner IGES-Institut stellte er sich die Zukunft der Krankenhausbranche so vor: "Bei uns wird an Zusammenschlüssen (...) gestrickt, die das Zeug hätten, in ganz Deutschland jedermann einen Auffangpunkt (...) zu bieten, der nicht weiter als eine Autostunde entfernt ist." Diese Auffassung würde eine marktbeherrschende Monopolstellung bedeuten. In der FTD wird am 26.4.2012 das Verkaufsobjekt Rhön ganz im Sinne von Münch aufgehübscht und schöngeredet: "Rhön hatte am Morgen Zahlen vorgelegt und die Erwartungen des Marktes übertroffen". Nur 3 Sätze weiter heißt es konterkarierend für das erste Quartal 2012: "Der Konzerngewinn sank den Angaben zufolge um 10,3 Prozent auf 34,1 Mio. Euro."

Und Münch hat noch weitere Ideen auf Lager, an GKV-Versicherten zu verdienen: "Die Idee ist, eine normierte Versicherung anzubieten, die konkret und vor Ort Leistungen verspricht und einhält", sagte Münch im Interview mit der FTD dann Ende April. GKV-Patienten sollen mit der Erwartung einer Sonderbehandlung geködert und an Rhön-Helios-Leistungserbringer stationär wie ambulant gebunden werden. Neben möglicher Unterversorgung Nicht-Zusatzversicherter sind dann allerdings Einbußen an Qualität oder Autonomie zu befürchten, wenn Versicherung und Versorgung in einer Hand die Entscheidung beeinflussen werden, zu welchem Arzt oder welchem Krankenhaus die Kranken noch gehen können.

In Erwartung des "schnellen Geldes" bei einer marktbeherrschenden Übernahme von Rhön durch Fresenius schießen die Rhön-Aktienkurse nach oben, wogegen die Fresenius-Aktien wegen der zu erwartenden Mehrkostenbelastung und der geplanten Kapitalerhöhung von 1,01 Mrd. € für den Rhön-Aufkauf sinkend notiert werden. Doch eines darf dabei nicht vergessen werden: Die Rhön-Klinikum-AG ist erst durch den beispiellosen "Deal" der CDU-geführten hessischen Landesregierung unter Dr. Roland Koch (Ex-MP und jetzt Vorstand des Baukonzerns Bilfinger & Berger), mittels eines "Landes-Lex-Rhön" und mit "Geiz ist Geil"-Mentalität 2006 an die Universitätskliniken Gießen und Marburg gekommen. Zum Gesamtkaufpreis von schlappen 112 Millionen € wurden damals 2.376 Planbetten erworben. Zuzüglich 260 Mio. € an wertsteigernden Neu- und Umbauten und weiteren Investitionen von 107 Mio. €. Dabei war die Privatisierung von Arbeitsverträgen nicht rechtens, ein geplanter massiver Stellenabbau scheiterte am Widerstand der Mitarbeiter, die auch noch zu allem Überfluss die laufenden Zinslasten von Rhön erwirtschaften sollten. Bei gleichzeitiger Rationalisierung, Arbeitsverdichtung und Qualitätsmängeln in Forschung, Lehre, Ausbildung und Krankenversorgung hatte sich die Bürgerinitiative "notruf113.org" gegründet. Selbst Klinikdirektoren erklärten den unlösbaren Widerspruch zwischen anlegerorientierten Kapitalverwertungsinteressen und humanmedizinischer Versorgung auf universitärem Niveau.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund




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