Politik
Patientenrechte: Kabinett beschließt Gesetzentwurf
Mittwoch, 23. Mai 2012
Berlin – Das Bundeskabinett hat am 23. Mai 2012 den Gesetzentwurf zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten gebilligt. Der jetzt verabschiedete Gesetzentwurf ist eine nur geringfügig geänderte Fassung des bereits im Januar 2011 gemeinsam von den Bundesministerien der Justiz und für Gesundheit erarbeiteten Referentenentwurfs. Er umfasst Regelungen zur Kodifizierung des Behandlungs- und Arzthaftungsrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch, zur Förderung der Fehlervermeidungskultur und zur Stärkung der Verfahrensrechte bei Behandlungsfehlern. Darüber hinaus soll er die Rechte der Patienten gegenüber Leistungsträgern stärken, mehr Patientenbeteiligung ermöglichen und die Patienteninformation verbessern.
„Mit dem gemeinsam vorgelegten Patientenrechtegesetz schaffen wir endlich eine einheitliche gesetzliche Grundlage und sorgen dadurch für mehr Klarheit und Transparenz im Gesundheitswesen. Damit führen wir eine jahrzehntelange Diskussion einer guten und tragfähigen Lösung zu, die direkt den Patienten und Versicherten zugutekommt“, erklärte Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr.
„So werden die Rechte der Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung weiter ausgebaut und verbessert. Kranken- und Pflegekassen werden verpflichtet, ihre Versicherten bei der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen aus Behandlungsfehlern zu unterstützen.“ Nicht fristgemäße Entscheidungen der Krankenkassen würden künftig sanktioniert, die Fehlervermeidungskultur gestärkt sowie Fehlermelde- und Risikomanagementsysteme eingeführt, erläuterte der Minister.
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„Wichtige Beweiserleichterungen für Patienten werden klar geregelt und für jeden nachvollziehbar gemacht“, ergänzte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Bei groben Behandlungsfehlern sehe das neue Gesetz eine Umkehr der Beweislast vor. Danach muss nicht der Patient darlegen, dass er falsch behandelt wurde. Vielmehr müsse der Arzt beweisen, dass die Behandlung auch ohne den Fehler nicht erfolgreich gewesen wäre, erläuterte die Ministerin.
Als grob ist ein Behandlungsfehler einzustufen, wenn der behandelnde Arzt offensichtlich gegen medizinische Erkenntnisse verstoßen hat. Bahr wandte sich dagegen, bei allen Behandlungsfehlern eine Beweislastumkehr vorzunehmen. Eine solche Regelung würde zu einer „Risikovermeidungskultur“ führen, sagte der Minister. Stattdessen sollten die Ärzte alles tun, um eine bestmögliche Behandlung der Patienten zu erreichen.
Das Gesetz soll Anfang 2013 in Kraft treten. Für die gesetzliche Krankenversicherung werden durch das Gesetz ab 2014 Mehraufwendungen in Höhe von circa 720.000 Euro jährlich entstehen, die als Vergütungszuschläge bei der Beteiligung von Krankenhäusern an einrichtungsübergreifenden Fehlermeldesystemen gezahlt werden. Dieser Betrag wird dem Gesetzentwurf zufolge durch Einsparungen der Kassen für Folgekosten unerwünschter Ereignisse im Behandlungsprozess „deutlich übertroffen“.
Ärztetag begrüßt Gesetzentwurf
Der derzeit in Nürnberg tagende 115. Deutsche Ärztetag hat das Gesetzesvorhaben der Bundesregierung positiv bewertet. Als sinnvoll erachtet das Ärzteparlament vor allem die vorgesehenen Vergütungszuschläge für Kliniken, wenn diese sich an einrichtungsübergreifenden Fehlermeldesystemen beteiligen.
„Hiermit greift der Gesetzgeber die seit langem von der Ärzteschaft und anderen Gesundheitsberufen initiierten Maßnahmen zur Erhöhung der Patientensicherheit und zur Etablierung einer Fehlervermeidungskultur auf“, heißt es in einer Entschließung des Ärztetages.
Mit Blick auf die vorgesehenen Informations- und Dokumentationspflichten warnten die Delegierten jedoch vor zusätzlicher Bürokratie. „Im Vordergrund muss die Behandlung der Patientinnen und Patienten und nicht die Dokumentation aller vor, während und nach der Behandlung veranlassten Maßnahmen stehen. Ausufernde Dokumentation bindet wertvolle Zeit, die primär für die Behandlung genutzt werden sollte“, so der Ärztetag.
Das kürzlich veröffentlichte Positionspapier der Arbeitsgruppe Gesundheit der CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird im Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht berücksichtigt. Es hatte ergänzend zum Referentenentwurf Regelungen unter anderem zur ärztlichen Haftpflichtversicherung und zur Aufklärung über individuelle Gesundheitsleistungen gefordert sowie einen Entschädigungsfonds für Härtefälle bei Behandlungsfehlern vorgesehen.
Kriktik von der SPD
Kritik an dem Gesetzentwurf kam zudem von der Opposition. Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD, Karl Lauterbach, nannte das Gesetz „inhaltslos“. Es sei lediglich eine Bündelung bereits vorhandener Regelungen, kritisierte Lauterbach. Ein paar Paragrafen umzustellen, mache noch lange kein Gesetz.
Lauterbach bemängelte, es sei versäumt worden, einen Fonds einzurichten, der Betroffenen schnell und unbürokratisch helfe. Ärzte wären dadurch auch eher bereit gewesen, Fehler einzugestehen. Zudem hätte es „bei schweren Fällen eine Beweisumkehr zugunsten der Patienten geben müssen“. Dies sei oft auch schon gelebte Rechtspraxis.
Der Gesetzentwurf „Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten“ mache seinem Namen keine Ehre, monierte auch die zuständige Fachpolitikerin der Grünen, Maria Klein-Schmeink. An keiner Stelle seien durchgreifende Verbesserungen für Patientinnen und Patienten vorgesehen.
Nachbesserungen sind auch aus Sicht der Kostenträger erforderlich. „Die Patienten können mit diesem Stand noch nicht zufrieden sein. Hier müssen noch Verbesserungen im weiteren Gesetzgebungsverfahren erreicht werden", sagte der geschäftsführende AOK-Vorstand Uwe Deh. Als Bespiele nannte er den Schutz vor überflüssigen Behandlungen und Regelungen zur Beweislast. Die politischen Akteure hätten sich zunächst einmal nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt, kommentierte Deh.
Enttäuscht zeigte sich der Geschäftsführende Vorstand der Deutschen Hospiz Stiftung von dem Gesetzentwurf. „Im deutschen Gesundheitswesen ist der Patient, insbesondere wenn er schwerstkrank und pflegebedürftig ist, zum geduldigen und demütigen Empfänger degradiert. An dieser Situation wird der Entwurf nichts Grundsätzliches ändern.“ © KBr/aerzteblatt.de

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