Ärzteschaft
Ärztetag verabschiedet Positionspapier zur Rolle des Hausarztes
Donnerstag, 24. Mai 2012
Nürnberg – Ein Positionspapier zur Rolle des Hausarztes in der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung hat der 115. Deutsche Ärztetag heute in Nürnberg verabschiedet. Ziel ist es, Medizinstudierende sowie junge Ärzte und Ärztinnen für die Allgemeinmedizin zu interessieren.
„Der Arbeitsauftrag des 114. Deutschen Ärztetages lautete, die Positivpotenziale des Berufs zu vermitteln“, erläuterte Max Kaplan, Vizepräsident der Bundesärztekammer und zugleich Präsident der Landesärztekammer Bayerns, den Entschließungsantrag des Bundesärztekammervorstands, den die Delegierten einstimmig annahmen.
zum Thema
Hausärztinnen und Hausärzte sind die zentralen Ansprechpartner für die akute Versorgung und die kontinuierliche, oft lebenslange Betreuung der Bürger bei allen gesundheitlichen Problemen, heißt es in dem Positionspapier. Es listet den Arbeitsauftrag der Allgemeinmedizin auf, der von der haus- und familienärztlichen Funktion bis zur Gesundheitsbildung reicht. Außerdem betont es die Arbeitsteilung mit anderen ärztlichen Fachgebieten ebenso wie die Bedeutung der allgemeinmedizinischen Forschung.
„Der Beruf des Hausarztes bietet ein abwechslungsreiches, interessantes und patientennahes Berufsbild“, erklärte Kaplan. Die Allgemeinmedizin sei ein vielseitiges Fach, in dem auch eine wissenschaftliche Karriere möglich sei. Einige Teilnehmer warfen dem Bundesärztekammervorstand vor, das Positionspapier verkläre den Beruf und verschweige Probleme des ärztlichen Alltags.
Dazu Kaplan: „Ich weiß, wo die Probleme liegen. Uns ging es bei dem Papier darum, eine Vision darzustellen.“ Es gehe um einen Paradigmenwechsel in der öffentlichen Darstellung des Hausarztes - heraus aus dem Jammertal. © HK/aerzteblatt.de

Positionspapier zur Darstellung einer Vision
Leider hat die Geschichte der Menschheit gezeigt, dass Neues erst entstehen kann, wenn das Alte zusammengebrochen ist.
Wir muessen uns also weiter in Geduld ueben, verweigern oder auswandern.

Hausärztinnen und Hausärzte - eine Standortbestimmung
• Steuerung (Lotsenfunktion) und Koordination mit abgestuften und offen vernetzten Strukturen durch primärmedizinische Hausärzte/-innen auf der Basis von präformiertem, geschultem medizinischen Laienwissen, allgemeinärztlich-internistisch-pädiatrischen Grundversorgung, fachärztlicher-, spezialmedizinischer-, ambulanter bis stationärer Stufendiagnostik, Therapie und Versorgung vom Kreiskrankenhaus bis zur Universitätsklinik sind realisierbar. Das Paradoxon von Versorgungsungleichheit im ländlichen und städtischen Raum, in Ballungszentren, sozialen Brennpunkten und Randbezirken, aber auch die Massenabfertigung in vielen Praxen, Fließbandmedizin in manchen Medizinischen Versorgungszentren (MVZ), Arbeitsverdichtung in den Kliniken führen zur Reduzierung von Empathie, Aufmerksamkeit, Achtsamkeit und gegenseitigem Respekt von Patienten wie Ärzten.
• Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und auch Private Krankenversicherung (PKV) im ausbalancierten Spannungsverhältnis zwischen Solidarität der Versichertengemeinschaft, Selbstverantwortung und Subsidiarität müssen ausschließen, dass Krankenversicherte in einer Art „flatrate“ oder „all you can eat“ Manier besinnungslos personelle und technische Medizinbetriebsressourcen abgreifen – ohne Steuerung durch Gesundheitserziehung, Prävention, medizinische Fachberufe, Ärztinnen und Ärzte im primärmedizinischen Bereich. Gesunder Menschenverstand, bewährte Hausmittel insbesondere bei Bagatellerkrankungen des Alltags sind für die Bewahrung von Autonomie, Selbstbestimmung und Selbstbehauptung vorteilhaft.
• Die Medizinalisierung und Medikalisierung der Menschen schreitet voran. Bei Bronchitis der (vorschnelle) Griff zum Antibiotikum; bei Rückenschmerzen sofort NSAR; bei Schnupfen und Sinusitis sofort Pharmakotherapie und keine Naturheilverfahren. Bei jedem Kopfschmerz steckt mindestens Migräne dahinter, abzuklären durch Schädel-MRT, Neurologen oder besser gleich Neurochirurgen. Jede Prellung wird geröntgt, jede Verletzung zum Chirurgen, jede Arthrose zum Rheumatologen, jede Schilddrüse zum Radiologen geschickt.
• Der diametrale Gegensatz zwischen universitärer/klinischer Hochleistungs- und Intensivmedizin und der "Feld-, Wald- und Wiesenmedizin" hausärztlicher Provenienz führt zu Verständnislosigkeit, Konflikten und Schuldzuweisungen. Widersprüche zwischen Herz-Lungen-Transplantationen (HLTX), interventioneller Kardiologie, Onkologie, Nephrologie, Neurochirurgie usw. und mit Pflanzenextrakten aus der Laienapotheke vorbehandelten Fließschnupfen mit Bronchialkatarrh und evtl. AU-Wunsch in der allgemeinmedizinisch-internistischen hausärztlichen Praxis eines sozialen Brennpunktes oder einer Landgemeinde könnten größer nicht sein.
Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Nachrichten zum Thema


Kommentare
Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.