Politik
Krankenhauseinweisungen: Steuernde Rolle für die Krankenkassen?
Freitag, 1. Juni 2012
Kiel – Die Bundesregierung will den Krankenkassen eine Steuerungsfunktion im stationären Bereich zugestehen. Die Krankenkassen sollen in ihren Satzungen vorsehen können, dass Versicherte für eine Krankenhausbehandlung keine Zuzahlung leisten müssen (aktuell zehn Euro je Tag für längstens 28 Tage), wenn sie ein von der Kasse gewähltes Krankenhaus aufsuchen. Dies sieht ein Änderungsantrag der Bundestagsfraktion von Union und FDP zum Entwurf des Gesetzes zur Einführung eines neuen Entgeltsystems in der Psychiatrie vor. Die Änderungsanträge zum Psych-Entgeltgesetz sollen am nächsten Mittwoch vom Gesundheitsausschuss des Bundestages beschlossen werden.
Fünf Fragen an den schleswig-holsteinischen Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) zur Möglichkeit des Verzichts auf die Zuzahlung zur vollstationären Krankenhausbehandlung
DÄ: Herr Garg, die gesetzlichen Krankenkassen sollen ihren Versicherten künftig ein geeignetes Krankenhaus für eine Operation empfehlen dürfen. Folgt der Versicherte dem Rat seiner Kasse, wird ihm die Zuzahlung in Höhe von zehn Euro je Tag erlassen. Was halten Sie von dieser Idee?
Garg: Diese Idee ist kontraproduktiv und unsinnig.
DÄ: Warum? Wollen Sie die Versicherten etwa nicht entlasten?
Garg: Doch natürlich. Aber das könnte man viel einfacher erreichen, wenn man die unsinnige Praxisgebühr abschaffte. Dafür braucht man nicht das Primat der Politik aus der Hand geben und die Krankenkassen mit noch mehr Macht ausstatten. Die gesetzliche Krankenversicherung würde durch eine solche Gesetzesänderung weiter gestärkt.
DÄ: Sie befürchten demnach, dass durch eine solche Regelung die Krankenhausplanungskompetenz der Länder untergraben würde.
Garg: Aber selbstverständlich! Dann könnten wir gleich – und das wäre der ehrlichere Weg – die Monistik wieder einführen. Dann wären die Kassen wieder alleine für die Finanzierung der Krankenhäuser zuständig und könnten auch alleine entscheiden, wo ein Krankenhaus gebaut, ausgebaut oder geschlossen wird und welche Stationen es haben soll. Ich hielte diese Anreicherung von Macht im Gesundheitswesen für den völlig falschen Weg.
DÄ: Die Gesundheitspolitiker der Regierungskoalition auf Bundesebene gehen davon aus, dass die Regelung eine sinnvolle Steuerungsfunktion hätte, weil die Kassen bei ihrer Empfehlung insbesondere qualitative Kriterien berücksichtigten. Sehen Sie das auch so?
Garg: Um es klar zu sagen: Ich spreche den Kassen schlichtweg die Fähigkeit ab, die Qualität eines Krankenhauses beurteilen zu können.
DÄ: Am Mittwoch entscheidet der Gesundheitsausschuss des Bundestages über die Änderungsanträge zum Psych-Entgeltgesetz. Was meinen Sie: Wird der Vorschlag, den Versicherten die Zuzahlung zu erlassen, wenn sie auf die freie Krankenhauswahl verzichten, letztlich Gesetzeskraft erlangen?
Garg: Also ich rate dringend dazu, diese Initiative noch einmal ernsthaft zu überdenken. Am Ende wird auch der Bundesrat zustimmen müssen. In den vergangenen zwei Jahren haben die Gesundheitsministerien der Länder über alle Parteigrenzen hinweg sehr konstruktiv zusammengearbeitet und gemeinsam dafür gekämpft, vom Bund wieder mehr Entscheidungskompetenzen übertragen zu bekommen.
Wenn die Kolleginnen und Kollegen in den anderen Bundesländern bedenken, was das an Einschränkung von Handlungsspielräumen mit sich bringt, dann bin ich optimistisch, dass der Bundesrat diesen unsinnigen Vorschlag ablehnt. Denn wo soll das denn enden? Will man den Kassen demnächst auch noch eine solche Steuerungsfunktion für den ambulanten Bereich übertragen? © JF/aerzteblatt.de
