Medizin
Urethra-Sling verhindert Inkontinenz nach Prolaps-Operation
Donnerstag, 21. Juni 2012
Ann Arbor – Nach der operativen Korrektur eines Prolaps uteri kommt es bei einigen Patientinnen zu einer Inkontinenz. Ein erweiterter Eingriff konnte dies in einer randomisierten klinischen Studie im New England Journal of Medicine (NEJM 2012; 366: 2358-2367) häufig verhindern – allerdings zum Preis einer erhöhten Komplikationsrate. Die Empfehlung einer Editorialistin fällt deshalb zurückhaltend aus.
Nach der Menopause entwickeln viele Frauen einen Descensus uteri. In den USA unterzieht sich inzwischen jede fünfte Frau im Verlauf ihres Lebens einer Prolaps-Operation. Der Eingriff ist heute transvaginal möglich. Viele Chirurgen führen dabei gleichzeitig eine Inkontinenzoperation durch. Dabei wird ein Kunststoffband spannungsfrei unter der mittleren Harnröhre platziert.
Dieser Sling verhindert, dass es bei der Anspannung der Bauchdecke, bei Anstrengungen oder beim Husten zu einem ungewollten Harnabgang kommt. Bei der Stressinkontinenz hat sich die „Sling-Operation“ in den letzten Jahren zu einem Behandlungsstandard entwickelt. Der Nutzen steht hier in einem günstigen Verhältnis zu den Risiken.
Bei der Prolaps-Operation wird der Sling allerdings prophylaktisch eingelegt, so dass eine erneute Nutzen-Risiko-Bewertung notwendig wird. Sie war Gegenstand der „Outcomes Following Vaginal Prolapse Repair and Midurethral Sling“ oder OPUS-Studie, die das Pelvic Floor Disorders Network, ein Zusammenschluss aus acht US-Zentren, im Auftrag des National Institute of Child Health and Human Development durchgeführt hat.
Die randomisierte klinische Studie schloss 337 Frauen im Alter von Anfang 60 Jahren ein, die bereit waren, die Entscheidung einer zusätzlichen Sling-Operation dem Los zu überlassen. Die Operation wurde nur bei jeder zweiten Patientin durchgeführt. Bei den anderen wurde nur eine kurze Inzision gesetzt, damit die Patientin später den Unterschied nicht erkennen konnte.
Wie John Wei von der Universität von Michigan in Ann Arbor und Mitarbeiter berichten, senkte der urethrale Sling die Häufigkeit von Inkontinenzen nach 3 Monaten von 49,4 auf 23,6 Prozent. Nach 12 Monaten waren es 43,0 Prozent gegenüber 27,3 Prozent. Dies ergibt eine Number Needed to Treat von 6,3 Patientinnen, die mit einem Sling versehen werden müssen, damit bei einer Patientin eine Inkontinenz verhindert wird.
Auf der anderen Seite kam es während der Sling-Operation jedoch häufiger zu Blasenperforationen (6,7 versus 0 Prozent). Auch die Zahl der Harnwegsinfektionen (31,0 versus 18,3 Prozent) und der schweren Blutungen (3,1 versus 0 Prozent) war höher. Außerdem klagten einige Frauen nach der Operation über eine unvollständige Entleerung der Blase (3,7 versus 0 Prozent).
Die Sling-Operation ist demnach nicht ohne Risiken und nach Ansicht von Cheryl Iglesia von der Georgetown University School of Medicine in Washington dürften sich die meisten Frauen wohl eher gegen einen prophylaktischen Eingriff entscheiden, wenn ihnen diese Zahlen vorgelegt werden. Anders ist die Situation bei Frauen, die bereits vor der Operation an einer Stressinkontinenz leiden. Bei diesen Frauen sei die Prolaps-Operation eine gute Gelegenheit auch die Inkontinenz in Angriff zu nehmen, findet die Editorialistin. © rme/aerzteblatt.de

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