Politik
Regierung will religiös begründete Beschneidung rechtlich absichern
Freitag, 13. Juli 2012
Berlin – Die religiös begründete Beschneidung von Jungen soll nach dem Willen der Bundesregierung weiter straffrei bleiben. Nach der Debatte über das Kölner Beschneidungsurteil strebe die Regierung nun schnell „Rechtsfrieden“ für muslimisches und jüdisches Leben in Deutschland an, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert heute in Berlin. Die SPD zeigte sich bereit, die Rechtmäßigkeit von Beschneidungen gesetzlich festzuschreiben.
Seibert unterstrich, „verantwortungsvoll durchgeführte Beschneidungen" müssten in Deutschland straffrei möglich sein. „Es bereitet uns Sorge, dass die Ausübung dieser alten, uralten religiösen Bräuche derzeit sich nicht in einer Situation des Rechtsfriedens befinden", sagte der Regierungssprecher. „Uns ist bewusst, dass gerade für die jüdische Religion die frühe Beschneidung von großer Bedeutung ist und dass es auch zeitlich dringend geboten ist, diesen Rechtsfrieden wiederherzustellen.“
Wie dies geschehen könne, werde derzeit mit den zuständigen Ressorts und mit Beteiligung der Bundesregierung besprochen. „Wir wissen, da ist eine zügige Beteiligung notwendig, da kann nichts auf die lange Bank geschoben werden", sagte Seibert. Die Freiheit der religiösen Betätigung sei für die Bundesregierung „ein hohes Rechtsgut".
Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) will unterdessen prüfen, ob sich eine Legalisierung religiös begründeter Beschneidungen im Patientenrecht verankern lässt. „Wir werden diskutieren, ob das im Patientenrecht geregelt werden kann", sagte Bahr der Zeitung Die Welt vom Samstag. Es bleibe abzuwarten, „ob dieser Weg rechtlich überhaupt gangbar ist". Er gehe davon aus, dass bald Vorschläge des Bundesjustizministeriums vorliegen, "wie wir eine Straffreiheit der Beschneidung sicherstellen können".
Montgomery warnt Ärzte vor Beschneidungen
Die Bundesärztekammer riet ihren Mitgliedern wegen der unklaren rechtlichen Lage davon ab, rituelle Beschneidungen vorzunehmen. „Das Urteil des Kölner Landgerichts, wonach die Beschneidung Körperverletzung sei, halte man zwar für sehr kulturunsensibel und falsch", sagte Kammerpräsident Frank Ulrich Montgomery dem Berliner Tagesspiegel vom Sonntag.
Gleichwohl müsse die Kammer derzeit jedem Mediziner davon abraten, den Eingriff vorzunehmen. Wer dies dennoch tue, laufe Gefahr, strafrechtlich belangt zu werden. Das Urteil habe „große Rechtsunsicherheit" produziert, sagte Montgomery. Deshalb sei eine schnelle und klare rechtliche Feststellung wünschenswert.
aerzteblatt.de
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Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel und die frühere SPD-Bundesjustizministerin Brigitte Zypries betonten in einer gemeinsamen Erklärung, religionsbedingte Beschneidungen von Jungen dürften „in Deutschland nicht strafbar sein“. Sollte nach dem Kölner Urteil „eine größere Rechtsunsicherheit bei den Ärzten eintreten, muss im Sinne des Rechtsfriedens über eine gesetzliche Regelung zur Rechtfertigung der religionsbedingten Beschneidung bei Jungen bis zu einem bestimmten Alter neu nachgedacht werden“. „Die SPD wäre in diesem Fall zu einer gesetzlichen Klarstellung bereit“, hieß es weiter in der Erklärung.
Die Grünen-Fraktionschefin Renate Künast erklärte zu den Regierungsplänen für eine gesetzliche Regelung der Zulässigkeit von Beschneidungen, ein „Sturm der Entrüstung“ habe die Bundesregierung „endlich zur Einsicht gebracht“. Der Umgang mit Religionsfreiheit, den jüdischen und muslimischen Aufnahmeriten und eine Abwägung von Grundrechten erfordere viel Sensibilität. „Jetzt müssen sich die Fraktionen sehr zeitnah zusammensetzen und eine Lösung finden, die Rechtssicherheit schafft.“
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), begrüßte die Initiative der Bundesregierung. „Die jüdischen und muslimischen Menschen in unserem Land müssen ihren Glauben leben können“, erklärte Böhmer in Berlin. Die derzeitige Rechtslage sorge bei vielen jüdischen und muslimischen Menschen für eine große Verunsicherung. „Umso wichtiger ist es jetzt, zügig Rechtssicherheit zu schaffen.“
Das Kölner Landgericht hatte in seinem Urteil die Auffassung vertreten, die Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen sei als Körperverletzung strafbar. Daran ändere auch eine Einwilligung der Eltern nichts, da eine solche Zustimmung nicht dem Wohl des Kindes entspreche. Dessen Körper werde durch die Beschneidung „dauerhaft und irreparabel verändert“. Das für andere Gerichte nicht verbindliche Urteil war vor allem bei islamischen und jüdischen Verbänden in In- und Ausland auf scharfe Kritik gestoßen. © afp/aerzteblatt.de

selten soviel Arroganz erlebt...
Es geht doch "nur" um die Beschneidung von Knaben aus religiösen Gründen.
Weder Juden noch Muslime fordern die Möglichkeit der Steinigung oder der Klitorisverstümmelung, es will auch niemand die Hexenverbrennung wieder einführen. Es geht allein um die männliche Beschneidung im Kontext dessen, dass weltweit ein Viertel bis ein Drittel aller Männer beschnitten sind.
In der öffentlichen Diskussion in Deutschland ist mir auch kein Fall bekannt, dass sich ein beschnittener Mann deswegen beklagt oder gar seine Eltern verklagt hat.
Die öffentliche Aufgeregtheit zeigt aber, dass einerseits einige Interessengruppen die Gelegenheit zur Selbstdarstellung nutzen: Antireligiöse Gruppen ebenso wie "Kinderschützer", die vor allem durch Spendensammeln auffallen, nicht aber durch den Nachweis, wie sie die Spenden sachgemäß ausgeben (das Spendensiegel wurde einer der Gruppen, die jetzt in den Schlagzeilen auftauchen, deswegen ausdrücklich entzogen).
Und dann durch viele Einzelpersonen, die vor allem durch religiöse Uninformiertheit und religiöse Intoleranz auffallen.
Das Schlimme ist: Es gibt auch in unserem Land so viele Missstände im Blick auf das Kindswohl, die dringend abgestellt werden müssten, bei denen es leider zu überhaupt keiner derartigen Aufgeregtheit kommt.
Reden wir doch mal über Verletzungen oder getöteten Kinder im Straßenverkehr, die durch Tempo 30 in Städten (mit Ausnahme von Hauptverkehrsachsen in Städten) vermieden oder drastisch reduziert werden könnten! Im Gegenteil: Hier werden mit dem Argument von "freier Fahrt für freie Bürger" entsprechende Maßnahmen regelmäßig entsprechende Befürworter lächerlich gemacht und durch den Dreck gezogen. Diese Borniertheit hat schon geradezu fundamentalistisch-religiöse Züge: Für wenige Sekunden Zeitvorteil wird die Gesundheit oder das Leben von Kindern auf dem Altar der Mobilität geopfert.
Reden wir über getötete Kinder oder deren Eltern an den europäischen Außengrenzen.
Reden wir darüber, wie viele Lehrerinnen und Lehrer an Schulen mobben und Kindern darüber psychische Schäden zufügen, indem Schüler, die aus welchen Lebensumständen auch immer gerade nicht die nötige Leistung bringen können und bloßgestellt werden.
Oder reden wir über die autoritäre Erziehung in manchen Kulturbereichen, von der etwa Kirsten Heisig (jene Richtgerein aus Berlin) schrieb, oder jene ehemalige Hauptschulleiterin in Essen-Katernberg, die sich bei Schulproblemen allein deswegen nicht an manche muslimischen Eltgern wendete, weil sie genau wusste, dass ihre Schüler dann massiv verdroschen wurden. Und alle schauen weg, Jugendämter wie Schulreferate und viele mehr. Die Folgen dieses Wegschauens sind massive Traumatisierungen mit nachweisbaren Veränderungen in der Gehirnstruktur bis zur (falls weitere benachteiligende Ereignisse erfolgen) Unfähigkeit, sich in das Leiden anderer Menschen einzufühlen, und daraus resultierender krimineller Karrieren (vgl. etwa Joe Bausch, Knast oder Hirnforscher Gerd Roth, http://www.arte.tv/de/Dem-Boesen-auf-der-Spur/6759942,CmC=6760710.html)
Da wäre wirklich genug zu tun, um sich für die Menschenrechte gerade auch von Jungen einzusetzen, und es könnte hochwirksam geschehen, es könnte wirkliches Leid vermindert werden.

Rituelle Beschneidungen von Kindern sind Unrecht.
Aus einem Urteil zu "Scientology":
2. Art. 4 GG sieht keine ausdrückliche Einschränkungsm öglichkeit der in ihm verbürgten Rechte vor. Dennoch ist auch die Glaubens-,Gewissens-,Bekenntnis-und Religionsausübungfreiheit nicht schrankenlos. Sie findet wie alle sonstigen im Wortlaut uneingeschränkten Grundrechte ihre Grenzen an kollidierenden Grundrechten Dritter, z.B. aus Art. 1 Satz 1 GG. Sobald eine Glaubensgemeinschaft die so gezogenen Grenzen des Art. 4 GG überschreitet, und dabei etwa, was darzulegen ist, Art. 1 GG verletzt, handelt sie automatisch sittenwidrig im Sinne des § 138 Abs. 1 GG.
aus: http://www.religio.de/refund.html
Aber auch die UN-Kinderrechtskonventionen sehen inzwischen klar vor, das "Sitten und Bräuche" - auch religiöser Art - nicht mehr zu tolerieren sind, wenn sie die körperliche Unversehrtheit des Kindes gefährden. Diesen Passus setzte man ja auch beim Verbot der Mädchenbeschneidung an, die weltweit als verboten gilt. Warum führen wir Deutsche sie eigentlich nicht wieder - im Namen der "Religionsfreiheit" - ein? Worin soll hier der wesentliche Unterschied liegen?
Die sog. "Religionsfreiheit" hat selbstverständlich Grenzen, wer das Gegenteil behauptet, redet gefährlichsten Stuß, denn Religion (vs irrationale Überzeugung) kann und darf keine Grundrechte Dritter aushebeln, egal wie alt, wie laut oder wie "nett" sie auch sei.
Das VerfG könnte demnach nur zu keiner Strafbarkeit kommen, wenn man die resultierende Körperverletzung in ihren Auswirkungen (Schmerzen, lebenslangeEinschränkungen) allen Ernstes als "vernachlässigbar" ansieht, was anhand heutigen medizinischen Wissens kaum anzunehmen sein dürfte, eher noch, das es sich um eine schwere Körperverletzung handele.

Körperverletzung aus religiösen Gründen ohne Einwilligung der betroffenen Person
Die Bundesregierung will den Eingriff ja aus religiösen Gründen erlauben, nicht aus medizinischen. Wohlgemerkt: Körperverletzung aus religiösen Gründen ohne Einwilligung der betroffenen Person! Wir verabschieden uns gerade vom humanitären und ethischen Vortschritt der letzen Jahrhunderte!

Deutschland heilig Vorhautland?

Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Person (nicht der Kultur in der er lebt)
Wie ist es dann mit der religiös motivierten Verweigerung zur Bluttransfusion? Wie ist es denn dann mit der religiös motivierten Beschneidung von Mädchen? Wie ist es dann mit der religiös motivierten Steinigung von Ehebrecherinnen? Wie ist es dann mit der religiös motivierten Amputation bei Dieben?
Wie weit wollen wir denn Jahrtausende alte Traditionen tolerieren, denen im 21. Jahrhundert in der westlichen Welt jede begründende Basis fehlt, und zwar sowohl humanitärer als auch wissenschaftlicher Art?
Religionsausübung muß da ihre Grenzen haben, wo die körperliche Unversehrtheit nicht mehr gewährleistet ist, in diesem Fall insbesondere bei einwilligungsunfähigen Personen. Wir Ärzte haben uns per "Eid" dazu verpflichtet und sollten (gerade in Deutschland!) allerhöchste Ansprüche an das Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Person stellen.
Das Kölner Urteil ist ein Einzelfall, die vorschnellen negativen Reaktionen darauf sind unüberlegte Verbeugungen gegenüber Islam und Judentum, möglicherweise aus Schuldgefühlen oder übertriebener Toleranz motiviert, aber sicherlich nicht zu Ende gedacht.

Fremdschämen ist angesagt!
Ich schäme mich dafür, dass durch die Bank alle Parteien bei kleinstem politischen und religiösen Widerstand unser Gesellschaftssystem insbesondere die Judikative in Frage stellen und ihr in den Rücken fallen.
Ich freue mich, dass es diese eine Instanz in Deutschland gibt, die der frühkindlichen Orchiektomie entgangen ist und die noch „Eier in der Hose“ hat und die uns Ärzte daran erinnert, was unsere Aufgabe ist, zu h e i l e n und wenn schon nicht das … dem Menschen wenigstens nicht zu schaden, sei es auch „nur“ einigen Fibroblasten. Arztissimo

Verfassungswidriges Urteil ?

Religionsfreiheit/körperliche Unversehrtheit
Selbst wenn z.B. die Übertragung von HIV oder HPV bei Beschnittenen etwas seltener vorkommt als bei Unbeschnittenen ist die Übertragung durch sexuell nicht aktive Kleinkinder ja wohl ausgeschlossen. Das Peniskarzinom ist selten und darüber hinaus auch durch einfache Hygienemassnahmen vorbeugend zu bekämpfen. Niemand würde ja auch eine prophylaktische Appendektomie fordern, weil theoretisch das Risiko einer Appendicitis besteht.
Ein wirklich schwieriges Thema, da es an elementaren religiösen Gefühlen rührt. Ein schwieriges Thema auch deshalb, weil eine Verweigerung der Zirkumzision durch professionelle Operateure zu einer Zunahme der Beschneidungen durch Laien führen wird mit entsprechenden Komplikationen.
M.E. bleibt die Beschneidung gesunder Kleinkinder jedoch ein medizinisch nicht zu rechtfertigender Eingriff und somit eine Körperverletzung.
Und die aufgrund des Drucks religiöser Verbände schnell gestrickte Verlautbarung der Regierung, rasch gesetzliche Grundlagen für die Straffreiheit ritueller Beschneidungen zu schaffen, bereitet mir, gelinde gesagt, Entsetzen. So locker sollte man nämlich nicht über eine schmerzhafte Prozedur, die kleine Kinder erdulden müssen, entscheiden. Bezeichnenderweise gibt es keinen deutschen Politiker, der sich getraut, hier anderer Meinung zu sein.
In den USA ist man da schon weiter und es gibt eine lebhafte Diskussion, an der sich auch moderne Juden und Moslems beteiligen, die keine Sinn in diesem archaischen Ritual mehr sehen..

Gegen den Strom !
Printmedien von links bis rechts, von aufgeklärt bis traditionell, Funk und Fernsehen überschlagen sich fast unisono mit vorauseilendem Beschneidungsenthusiasmus. Da fällt es mir persönlich schwer, ernsthafte und aufrichtige Bedenken gegen eine staatlich zu legitimierende, rituelle Beschneidung ausgerechnet bei zwei Religionsgemeinschaften zu äußern, die sich bei diesem speziellen Ritus so einig sind, wie sie sich in anderen Bereichen ebenso fanatisch wie existenziell bekämpfen.
Ist es nicht doch Zeit für einen Wechsel ("time for a change"), eine neue Sichtweise auf unsere Kinder, auf deren genitale und körperliche Selbstbestimmung, auf ihr Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit? Blutige Eingriffe bei blutjungen Menschen durchzuführen, passt nicht mehr in unserer Zeit. In Deutschland trifft die verstärkte Religionsmüdigkeit der Bevölkerung und auch der Richterschaft auf die rechtstheoretische Ansicht, dass die Religionsmündigkeit sich erst mit dem Beginn des selbstreflektierenden Denkens, Fühlens, Wollens und Handelns entwickelt. Vielleicht auch ein Grund mehr für die von vielen inkriminierte Entscheidung des Kölner Landgerichts.
Professionelle Bedenkenträger des Islam und des Jüdischen Glaubens werden jetzt mit jahrtausendealten Traditionen kommen. Aber genau diese haben uns z. B. im Christentum zu Unterdrückungsherrschaft, Pogromen, Glaubenskriegen, Gesinnungs- und Glaubensterror, zu kolonial-imperialistischen Genoziden in Mittel- und Südamerika, zu erbarmungslosen Kreuzzügen gegen Islamgläubige und Juden geführt. Hexenverfolgungen, Folter, Exorzismus, Züchtigungen und Misshandlungen, auch sexuell motiviert, wurden erst in unserer Zeit in Umfang und Auswirkungen erkannt und zurückgedrängt. Beispiele aus anderen Religionen erwähne ich hier bewusst nicht, weil das Andere besser beurteilen können. Ebenso berücksichtige ich hier nicht die Gräuel der verbrecherischen Nazizeit, weil diese nicht religiös eingefärbt waren, sondern ausschließlich mit der faschistischen Hakenkreuz-Ideologie Vernichtungsfeldzüge betreiben sollten.
Die rituelle Beschneidung eines Kindes ist und bleibt ein willkürlicher Akt, je nach dem, in welche Religionsgemeinschaft Jungen (oder Mädchen) hineingeboren wurden. Bei Mädchen ist die Beschneidung weltweit geächtet und wird geahndet. Bei Jungen liegt im Kindesalter nach unserer deutschen Rechtsauffassung keine Einwilligungsfähigkeit vor. Es geht auch nicht um einen irgendwie gearteten Präventiv- oder Heileingriff, wie der Israelische Botschafter jüngst im Israelischen Parlament, der Knesset, zu erläutern versuchte. Selbst WHO und UNO können keine verbindlichen Leitlinien für die männliche Beschneidung begründen oder Studienergebnisse auf Evidenzniveau präsentieren. Dann hätte der nicht beschnittene Rest der Männerwelt ja auch lebenslang etwas völlig falsch gemacht.
In unser aufgeklärten, säkularisierten Bundesrepublik Deutschland mit Trennung von Staat und Kirche sind rein religiös begründete Zirumzisionen (Beschneidungen, Vorhautentfernungen) k e i n e bei Säuglingen und Kindern einwilligungsfähige Eingriffe. Weder der Gemeinsame Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (G-BA) noch irgendeine Vorschrift im Sozialgesetzbuch V (SGB V) sehen eine Kostenübernahme und/oder Durchführung einer rituellen Beschneidung in Klinik und Praxis vor. Sexualwissenschaftliche, präventivmedizinische, epidemiologische und infektiologische Argumente für oder gegen rituelle Beschneidungen sind im Dunstkreis historisch obsoleter rassehygienischer und volksgesundheitlicher Erwägungen vorgeschoben. Wir leben in einer demokratischen, von individuellen Menschenrechten und Achtsamkeit geprägten postmodernen Industriegesellschaft. Es gibt sauberes fließendes Wasser, Seife und frische Handtücher.
Alle Religionsgemeinschaften, die rituell beschneiden wollen, sind am Zug. Sie müssen ihren Ritus reflektieren und sich erklären, statt richterliche Willkür anzuprangern. Unsere Rechtsordnung und spätestens die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes bzw. der Europäischen Gerichtshöfe werden für alle Menschen verbindlich und zu befolgen sein. Bis dahin werde ich in dieser Frage zur Not gegen den Strom schwimmen.
Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

man muß pro und kann nicht gegen Beschneidung sein
Die Moslems haben Recht, denn die Beschneidung verhindert das Auftreten von Krankheiten aufgrund schlechter Hygiene sowohl beim Beschnittenen selbst, wie auch bei seinen männlichen oder weiblichen Sexualpartnern. Es ist ein Akt der Reinheit. Der Eingriff selbst ist medizinisch alles andere als eine Körperverletzung. Das Setzen von Tattoos (ich bin selbst tätowiert) oder das Piercen sind ohne Zweifel größere Eingriffe.
Bei den Mitbürgern jüdischen Glaubens sollten wir uns ganz besonders davor hüten, formal hochgespielte medizinische Behauptungen über eine Glaubensentscheidung zu stellen. Viele Christen lassen sich es schließlich auch nicht nehmen, daß nur Getaufte einen Anspruch auf einen Platz im Himmel haben oder nur Gesalbte in Ruhe sterben können. Und die Liste abergläubischer Glaubensregeln ist damit noch lange nicht zuende.
"Gesundheit ist ein Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht allein das Fehlen von Krankheit und Gebrechen"
diese Definition der WHO gilt immer noch als die beste, und die Kölner Richter haben sie offenbar noch nie gehört. Weder die, noch den Artikel 4.
Wie kann sich ein muslimischer oder jüdischer Knabe geistig und sozial wohl befinden, wenn man seiner Familie und ihm die Beschneidung verweigert?
Der Artikel 4 ist in den Augen vieler Menschen der vielleicht grundrechtsfremdeste alle Grundgesetzartikel, wenn man nur an daraus folgende Auswüchse, wie den Zölibat oder die Frauenfeundlichkeit denkt, die in jedem Wirtschaftsbetrieb zu Arbeitsprozessen führen würde. Was macht kränker? Eine Beschneidung oder der Ausschluß Geschiedener vom Heiligen Abendmahl?
Allerdings ist gerade dieser Artikel geschrieben worden unter dem Eindruck der Massaker im Dritten Reich, namentlich gegen das jüdische Volk. Weil sich das nie wiederholen darf, noirgendwo und niemals auf deutschem Boden, ist das Kölner Urteil ein krasses Fehlurteil. Und das egal, ob man es rechtlich, moralisch oder selbst medizinisch betrachtet.
Ich will auch nicht, daß Ärzte zu lügen beginnen müssen und vorgeben, es lägen Phimosen vor, die garnicht gegeben sind, nur um einer Strafverfolgung zu entgehen. Dieses Urteil muß weg, weil Ärzte in einem demokratischen Deutschland auch dem religiösen Wunsch der Eltern nachgehen dürfen sollen.
Dr.Karlheinz Bayer, Bad Peterstal

Die Neugeborenenbeschneidung Brit Mila

Religionsfreiheit in Art. 4 Absatz 1, 2 (GG)
Welchen Sinn haben GG-Artikel wie dieser, wenn Verstöße dagegen straffrei bleiben? Bei einer christlichen Taufe liegt noch keine Körperverletzungen vor und der Betroffene kann sich als Erwachsener religiös immer noch umorientieren.
Die Beschneidung ist endgültig.
Eine Zirkumzision aufgrund medizinischer Indikation ist notwendig und sicher unumstritten (Phimose...)
Würde nach Straffreiheit nicht weiteren religiösen Riten die Türen geöffnet, die heute noch verhindert werden können?
Wo wären die Grenzen? Vor oder hinter Verstümmelung auch weiblicher Genitalien?

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