Politik
Wissenschaftsrat empfiehlt Akademisierung der Gesundheitsberufe
Montag, 16. Juli 2012
Berlin – Der Wissenschaftsrat hat empfohlen, Krankenpfleger, Physio-, Logo- und Ergotherapeuten künftig verstärkt an Hochschulen auszubilden. In patientenorientierten Studiengängen mit einem Bachelor-Abschluss sollten künftig zehn bis 20 Prozent eines Ausbildungsjahrgangs zur unmittelbaren Tätigkeit am Patienten befähigt werden. Besonders staatliche Hochschulen und Universitäten müssten die dafür notwendigen Studienplätze stärker als bisher einrichten, so das Gremium.
Künftig werde es wegen des demografischen Wandels deutlich mehr multimorbide, chronisch erkrankte und pflegebedürftige Patienten geben. „Diese Menschen brauchen nicht nur mehr, sondern auch qualitativ andere Versorgungsleistungen“, hieß es aus dem Wissenschaftsrat. Die Gesundheitsberufe akademisch auszubilden trage dazu bei, die Herausforderungen an das Gesundheitswesen zu bewältigen.
Der Magdeburger Neurologe Hans-Jochen Heinze, Mitglied der wissenschaftlichen Kommission des Wissenschaftsrats, betonte, notwendig sei auch eine stärkere Vernetzung der einzelnen Berufe. Durch die wachsende Zahl chronisch kranker und pflegebedürftiger Menschen müssten die verschiedenen Fachkräfte bei der Gesundheitsversorgung stärker zusammenarbeiten.
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Fachhochschulen sollten neu geschaffene Studiengänge unter dem Dach einer Fakultät für Gesundheitswissenschaften einrichten. Diese sollten dann eng mit der medizinischen Fakultät einer benachbarten Universität kooperieren. Für Universitäten empfahl der Wissenschaftsrat die Gründung eines Departments für Gesundheitswissenschaften, das der medizinischen Fakultät angegliedert ist.
Mit Blick auf die diskutierte Umschulung von Arbeitslosen zu Pflegekräften erklärte Heinze, dies sei generell zu begrüßen. Es müssten aber die Qualitätsstandards eingehalten werden. Die Bundesagentur für Arbeit warf den Bundesländern am Montag Untätigkeit im Kampf gegen den Mangel an Pflegekräften vor und warnte vor drastischen Engpässen.
„Es ist nicht zu verstehen, dass die Länder, die doch ein vitales Interesse an genügend qualifizierten Altenpflegekräften haben müssten, sich seit Jahren nicht bewegen", sagte Vorstandsmitglied Raimund Becker der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Dabei gehe es vor allem um die Finanzierung des dritten Förderjahres für arbeitslose Umschüler, die Verkürzung der Ausbildung und die Öffnung der Pflegeschulen für diese Personengruppe.
Dies sei „kein schönes Signal” für die Pflegebedürftigen in den jeweiligen Ländern, so Becker weiter. Pfleger gehören schon heute zu den gesuchtesten Fachkräften in Deutschland. Die Arbeitsagentur spricht von „einem flächendeckenden Fachkräftemangel”. Derzeit dauere es im Bundesdurchschnitt 115 Tage, eine offene Stelle mit einem Altenpfleger zu besetzen. Das sei mehr als 40 Prozent über dem Durchschnitt für alle Berufe. Mit dem demografischen Wandel werde sich die Situation nach Einschätzung der Experten noch verschärfen.
Der Wissenschaftsrat berät die Bundesregierung und die Regierungen der Länder zu Fragen der Wissenschaft und der Hochschulen. © hil/aerzteblatt.de

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