Medizin
Arbeitsmedizin: Herzfehler durch Lösungsmittel
Mittwoch, 18. Juli 2012
Atlanta – Die berufliche Exposition mit bestimmten Lösungsmitteln in der Frühschwangerschaft begünstigt möglicherweise die Entwicklung von Herzfehlern im Embryo. Problematisch ist nach zwei Publikationen in Occupational and Environmental Medicine (2012; 69: 534-542 und doi: 10.1136/oemed-2011-100536) nicht nur die maternale, sondern möglicherweise auf die paternale Exposition.
Eines von 33 Kindern wird mit einer angeborenen Fehlbildung geboren. Eine Ursache wird in der Regel nicht gefunden. Die US Centers for Disease Control and Prevention (CDC) haben deshalb 1997 die National Birth Defects Prevention Study ins Leben gerufen, um nach möglichen Risikofaktoren zu suchen. Dies geschieht in Fall-Kontroll-Studien, die die Eigenschaften von Eltern von Kindern mit und ohne Fehlbildungen vergleichen. Die jüngste Studie an 5.000 Frauen bestätigt den schon länger bestehenden Verdacht, dass die berufliche Exposition mit organischen Lösungsmitteln ein möglicher Auslöser sind.
Wie Suzanne Gilboa vom National Center on Birth Defects and Developmental Disabilities der CDC in Atlanta berichtet, geht die berufliche Exposition mit organischen Lösungsmitteln mit einem um 60 Prozent erhöhten Risiko auf Ventrikelseptumdefekte einher (Odds Ratio OR 1,6; 95-Prozent-Konfidenzintervall 1,0-2,6).
Für die chlorierten Kohlenwasserstoffe wurde ein um 70 Prozent erhöhtes Risiko gefunden (OR 1,7; 1,0-2,8). Aortenstenosen treten bei einer Exposition mit Lösungsmitteln doppelt so häufig auf (OR 2,1; 1,1-4,1). Für Lösungsmittelnaphtha wurden ebenfalls erhöhte Risiken gefunden für eine Transposition der großen Gefäße (OR 2,0; 1,0-4,2), für eine Obstruktion der rechtsventrikulären Ausflusstrakt (OR 1,9; 1,1-3,3) und eine Pulmonalklappenstenose (OR 2,1; 1,1-3,8).
Eine hohe berufliche Exposition besteht beispielsweise in Friseursalons und Nagelstudios. Das individuelle Risiko der Beschäftigten bleibt allerdings gering. Die Inzidenz würde bei Herzfehlern beispielsweise von 4 auf 5 Prozent steigen. Hinzu kommt, dass sich eine Exposition kaum vermeiden lässt, da die Fehlbildungen in der Frühschwangerschaft (Embryonalphase) entstehen, wenn viele Frauen noch nicht wissen, dass sie schwanger sind.
Die CDC hält es auch für möglich, dass die paternale Exposition ein Auslöser ist. Die Lösungsmittel würden dann zu einer Schädigung der Spermien führen. Als vulnerable Phase schätzt Tania Desrosiers von der Universität von North Carolina in Chapel Hill die drei Monate vor der Zeugung ein.
Eine erste Untersuchung hat ergeben, dass neben Arbeitern der chemischen und Erdölindustrie, Friseuren und Kosmetikern, Druckern, auch Fotografen, Fernfahrer, Arbeiter in Sägewerken, Landschaftsgärtner (wegen der Pflanzenschutzmittel) und Wissenschaftler gefährdet sein könnten. Konkrete Ergebnisse liegen hierzu aber nicht vor. Wie immer bei Fall-Kontroll-Studien besteht die Möglichkeit, dass die Ergebnisse die Wirklichkeit nicht genau abbilden. © rme/aerzteblatt.de

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