Politik
Berliner Senator: Anonyme Geburt weiter ermöglichen
Dienstag, 24. Juli 2012
Berlin - Angebote zur anonymen Geburt sind notwendig, weil manche Frauen sonst nicht zur Entbindung in die Klinik kommen würden. Diese Ansicht hat der Berliner Senator für Gesundheit und Soziales, Mario Czaja (CDU), heute im Berliner Vivantes Klinikum Neukölln vertreten. Czaja kritisierte in diesem Zusammenhang ein Eckpunktepapier aus dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, wonach es lediglich Angebote zu einer vertraulichen Geburt geben soll.
Bei dieser Variante hinterlässt die Mutter zwar ihre persönlichen Daten beim Jugendamt. Sie werden aber unter Verschluss gehalten, bis das Kind 16 Jahre oder älter ist und von seinem Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung Gebrauch machen kann. „Die vertrauliche Geburt erreicht nicht die Mütter in Krisensituationen, die sicher sein wollen, dass am nächsten Morgen nicht die Staatsanwaltschaft oder die Polizei vor der Tür stehen“, erklärte Czaja. Deshalb müsse die anonyme Geburt erhalten bleiben.
Seit Einführung der Babyklappen und der anonymen Geburt 2001 in Berlin sind in der Hauptstadt 57 Kinder in Babyklappen abgegeben worden. 18 Geburten blieben am Ende anonym. Das Angebot habe jedoch sehr viel mehr Betroffene erreicht, erklärte der Senator: „Über 90 Prozent der Mütter, die für eine anonyme Geburt ins Krankenhaus kommen, entscheiden sich dann doch nicht dafür. Aber ohne ein solches Angebot wären sie gar nicht erst ins Krankenhaus gekommen.“
Klaus Vetter, Chefarzt der Klinik für Geburtsmedizin im Vivantes-Klinikum Neukölln, unterstrich die Bedeutung der anonymen Geburt: „Sie kann Leben retten.“ Er berichtete von einer Frau, die durch eine Vergewaltigung schwanger wurde. Sie habe das Kind nicht abtreiben wollen, hätte sich aber auch kein Leben mit ihm vorstellen können. Nach einer vertraulichen Geburt hätte das Kind aber nach 16 Jahren seine Mutter finden können.
Wäre dies die einzige Option für eine Entbindung in einer Klinik gewesen, hätte diese Frau ihr Kind wahrscheinlich woanders zur Welt gebracht oder doch abgetrieben, vermutete Vetter. „Für die wenigen Fälle, die wirklich anonym bleiben wollen, müssen wir diese Möglichkeit auch offenhalten. Denn die Alternative ist dann oft ein Schwangerschaftsabbruch.“
Über den Nutzen von Angeboten wie Babyklappen und anonymer Geburt wird seit Jahren kontrovers diskutiert. Im März hatte die CDU-Familienexpertin Ingrid Fischbach sich für ein Gesetz für die vertrauliche Geburt, aber gegen anonyme Geburten ausgesprochen. Zur Begründung verwies sie auf eine Studie des Deutschen Jugendinstituts, die Mängel bei der Kooperation mit den Jugendämtern sowie aus den Statistiken „verschwundene“ Kinder zutage gebracht habe.
Auch der Deutsche Ethikrat hatte sich in einer Stellungnahme 2009 skeptisch geäußert. Die Mehrheit seiner Mitglieder forderte damals, Angebote wie Babyklappen und anonyme Geburt aufzugeben, aber die Beratungsangebote zu legalen Hilfen auszubauen. © mei/aerzteblatt.de

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