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Montgomery: Spezielle Prüfer müssen flächendeckend kontrollieren

Freitag, 3. August 2012

dpa

Köln/Regensburg – Die Ausweitung des  Transplantationsskandals von der Universitäts­klinik Göttingen auf die Universitätsklinik Regensburg, dem früheren Arbeitsplatz eines Leberchirurgen, der im großen Stil Akten von Patienten gefälscht haben soll, um sie bei der Vergabe von Lebern zu bevorzugen, hat die Diskussion darüber verschärft, wie Struktur und Organisation der Transplantationsmedizin verbessert werden sollten.

Politiker verschiedener Bundestagsfraktionen, aber auch Patientenschutzorganisationen wie die Deutsche Hospiz Stiftung fordern, Möglichkeiten einer effektiveren Kontrolle gesetzlich zu verankern. Erst vor kurzem ist das Transplantationsgesetz novelliert worden. Bundesärztekammerpräsident Frank Ulrich Montgomery mahnt zur Sorgfalt: „Es muss Gesetzesänderungen geben, aber die handwerkliche Qualität dieser Änderungen muss gut sein“, sagte Montgomery gegenüber der Welt in Berlin.

Was man „ganz schnell umsetzen“ könne, sei das „Vier-Augen-Prinzip“: die obliga­to­rische Kontrolle von Laborwerten beispielsweise bei der Lebertransplantation durch einen von der Transplantation unabhängigen Labormediziner.

Es sei „nicht mehr staatliche Aufsicht erforderlich“, so Montgomery, sondern eine Stärkung von Kompetenzen der ärztlichen Selbstverwaltung: „Es muss spezielle Prüfer geben, die flächendeckend kontrollieren, aber auch ganze Verläufe von Transplan­tationen begutachten können.“ Dafür sei mehr Personal und mehr Geld nötig.

Seit Mitte der Woche ermittelt die Staatsanwaltschaft Regensburg gegen denselben Lebertransplantationschirurgen, der auch im Visier der Staatsanwaltschaft Braunschweig steht: unter anderem wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und der fahrlässigen Tötung. Dr. O. war seit 2003 am Universitätsklinikum Regensburg (UKR) tätig, bis er im Oktober 2008 an die Uniklinik Göttingen wechselte.

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaften beziehen sich auf jeweils 23 Patienten von 110 und 91 Lebertransplantationen in Regensburg und Göttingen: „Labordaten waren manipuliert, teilweise Dialysetherapien angegeben worden, die nicht stattgefunden hatten“, sagte Hans Lilie von der Universität Halle, Vorsitzender der Ständigen Kommission Organtransplantation, zum Deutschen Ärzteblatt. Es könne sich um das „schwerwiegendste Fehlverhalten im Bereich Organtransplantation“ handeln, das ihm bekannt sei, sagte Lilie.

Innerhalb der Ärzteschaft verdichtet sich Kritik, dass bereits lange bestehende Hinweise auf Verstöße gegen Regeln und Richtlinien im Bereich der Transplantationsmedizin nicht genügend Konsequenzen und damit keine Abschreckungseffekte gehabt hätten. Zum einen hatte eine Prüfungskommission der BÄK bei Leberchirurg Dr. O. bereits 2005 in seiner Zeit in Regensburg gravierende Regelverstöße festgestellt und dies Aufsichts- und der Landesärztekammer mitgeteilt.

„Mit Ausnahme der Universitätsklinik, die damals Richtlinien zum Umgang mit auslän­dischen Patienten aufgestellt hat, gab es keine erkennbare Aktivität“, sagt Kommissionsmitglied Richard Viebahn, Direktor der Chirurgischen Universitätsklinik Bochum.

„Das berufsrechtliche Instrumentarium der Ärzte sollte geschärft werden“, meint Montgomery. „So könnte jenen Ärzten, die sich nicht korrekt verhalten haben, bestimmte Tätigkeiten wie etwa Transplantationen verboten werden.“

Auch von den Fachgesellschaften wie der Deutschen Transplantationsgesellschaft (DTG) hatten manche Ärzte mehr Konsequenzen aus bekannt gewordenen Verstößen erwartet. So hat die DTG erst im Juli diesen Jahres beschlossen, die Mitgliedschaft von Dr. O. bis zur vollständigen Aufklärung aller Vorgänge ruhen zu lassen, obwohl schon die früher bekannt gewordenen Regelverstöße mehrere Patienten betrafen.

Der damalige Vorgesetzte von Dr. O., der Direktor der Klinik und Poliklinik für Chirurgie in Regensburg, Hans Jürgen Schlitt, war 2011 Gastgeber der DTG-Jahrestagung in Regensburg. Nun ist er wegen einer möglichen Verletzung seiner Aufsichtspflicht vom Klinikum vorläufig beurlaubt.

Ebenfalls gefordert wird eine Abkehr von einer vom Klinikumsatz abhängigen Vergütung für Ärzte, die falsche Anreize schaffe, größere Transparenz bei den Ergebnissen der Transplantation und eine Zertifizierung von Transplantationszentren, die auch Qualitäts­kriterien für die Nachsorge erfüllen sollten. „Wenn sich ein Patient informieren möchte, welche Zentren welche Transplantationsergebnisse haben – er wird nicht fündig“, sagt der Medizinische Direktor der Deutschen Stiftung Organtransplantation Günter Kirste. „Die risikobereinigten Ergebnisse zu veröffentlichen, ähnlich, wie dies in den USA geschieht, würde Transparenz erhöhen und Vertrauen stärken“, sagt Kriste.

Das Bundesgesundheitsministerium bestätigte unterdessen, dass Bundesgesundheits­minister Daniel Bahr (FDP) für den 27. August Vertreter der Ärzteschaft, der Kranken­häuser und Krankenkassen sowie Transplantationsexperten zu einem Gespräch über mögliche Konsequenzen aus dem Skandal um Organspenden eingeladen hat.

Auch im Gesundheitsministerium würden derzeit Ideen gesammelt. Allerdings sei es vor allem Aufgabe der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen, Vorschläge vorzulegen, betonte eine Sprecherin. © nsi/aerzteblatt.de

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