Politik
Grüne: Bundestag soll sich mit Thema Sterbehilfe befassen
Freitag, 3. August 2012
Bonn – Die aktuelle Sterbehilfedebatte soll nach Ansicht des Grünen-Gesundheitsexperten Harald Terpe im Bundestag ausgetragen werden. „Ein ethisches Thema wie die Sterbehilfe sollte nicht vom Ministerium vorgegeben werden, sondern über Gruppenanträge von den Abgeordneten entwickelt werden“, sagte Terpe der Neuen Osnabrücker Zeitung vom Freitag: „Die anschließende Abstimmung muss freigegeben werden.“ Es sei „falsch, wenn die Koalition das unter sich ausmacht“.
Unterdessen reißt die Kritik an dem vom Bundesjustizministerium vorgelegten Gesetzentwurf nicht ab. Die Regelungen sollen die kommerzielle Sterbehilfe in Deutschland verbieten. Zudem sieht der Entwurf Medienberichten zufolge vor, dass die Beihilfe zum Suizid außer für Angehörige und Freunde des Todkranken auch für ihm „nahestehende“ Ärzte und Pfleger straffrei bleibt. Entscheidend sei, ob sie zu dem Patienten eine „über das rein berufliche Verhältnis hinausgehende, länger andauernde persönliche Beziehung“ gehabt hätten.
Der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, sprach sich gegen eine derartige Bestimmung aus. „Die Ärzteschaft hat diese Linie vor einem Jahr klar markiert“, sagte er der Bild-Zeitung vom Freitag und zitierte: 'Ärztinnen und Ärzten ist es verboten, Patienten auf deren Verlangen zu töten. Sie dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten.' Es wäre „abwegig“, so Huber, wenn sich die Politik über dieses Votum hinwegsetzte.
Der Berliner Rechtsmediziner Michael Tsokos nannte den Vorstoß „völlig bürgerfremd und gefährlich“. Dem Berliner Tagesspiegel vom Freitag) sagte er, die Ausnahmeregelung öffne Sterbehelfern Tür und Tor. Es sei ein „Freifahrtschein für jene, die mit dem Tod und dem Elend von Menschen Geld verdienen wollen“.
Ebenfalls gegen den umstrittenen Passus wandte sich der Sprecher der „ChristSozialen Katholiken“ (CSK) in der CSU, Thomas Goppel. Artikel 2 des Grundgesetzes verpflichte den Staat, das Leben der ihm anvertrauten Menschen zu schützen, sagte Goppel in München. Die Aufforderung zum Lebensschutz sei eindeutig. Gesetzliche Einschränkungen oder Befreiungen seien dort unzulässig.
Kritik kam auch vom Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD). Es dürfe keine Tür zur Beihilfe zum Mord geöffnet werden, erklärte die ZMD-Frauenbeauftragte Houaida Taraji in Köln. Das Leben eines Menschen sei in jedem Stadium schützenswert. Der ZMD fordere daher eine Überarbeitung des Entwurfs. © kna/aerzteblatt.de

Bestürzung macht sich breit!
Die strafrechtsdogmatischen Fragen hinsichtlich der Beihilfe zum Suizid – sehen wir von den aktuellen Bestrebungen zum Verbot der kommerziellen Sterbehilfe ab -, sind hinreichend geklärt und insbesondere Altbischof Huber scheint mit den Rechtsfragen, die sich unmittelbar mit dem berufsrechtlichen Verbot der ärztlichen Mitwirkung bei einem Suizid, völlig überfordert zu sein.
Selbstverständlich kann und muss sich der parlamentarische Gesetzgeber über das Votum etwa des 114. Deutschen Ärztetages hinwegsetzen, wo die entsprechende Norm des § 16 MBO-Ä auf den Weg gebracht worden und zwischenzeitlich von einigen Landesärztekammern übernommen worden ist. Der Gesetzgeber ist zur Regelung nicht nur befugt, sondern insbesondere dann verpflichtet, wenn er erkennt, das Standesorganisationen ihre Satzungskompetenz überschreiten, wie das mit Blick auf das Verbot der ärztlichen Suizidassistenz der Fall ist. Es fehlt einerseits die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage und überdies hält die Verbotsnorm einer materiell verfassungsrechtlichen Prüfung nicht stand.
Insofern muss sich der Gesetzgeber über das Votum der Ärzteschaft hinwegsetzen und der Kommentar von Nicolaischäfer geht rechtsirrig von dem Umstand aus, dass „der Tod resp. das Sterben nicht normierbar sei“.
Diese These wird seit Jahren von der BÄK lanciert und trifft lediglich „nur“ in dem Punkte zu, als das der kreatürliche Prozess des Sterbens selbst nicht „normierbar“ ist.
Dass eine Regelung möglich ist, zeigt uns allen insbesondere der Alternativentwurf zum Strafgesetzbuch mit Blick auch auf das eigenverantwortliche Sterben und es muss daran erinnert werden, dass auch der Nationale Ethikrat bereits vor Jahren für eine Liberalisierung eingetreten ist.
Die derzeitige Aufregung über ein sattsam diskutiertes Thema ist nicht nachvollziehbar und die Gegner der Sterbehilfe halten nach wie vor unverändert an ihren ideologisch eingefärbten Positionen fest, wonach das Leben des Menschen das höchste Gut sei. Dem ist mitnichten so, wie ein unverkrampfter Blick ins Grundgesetz zeigt.
Hilfreich wäre überdies, wenn nicht immer der Widerspruch zwischen der Palliativmedizin und der Sterbehilfe behauptet wird. Dieser besteht ausdrücklich nicht, denn über die palliativmedizinischen Angebote und deren Annahme entscheidet letztendlich der Patient. Etwas anderes annehmen zu wollen, hieße zugleich, dass die Palliativmedizin im Begriff ist, den Patienten für ihr Gelingen zu instrumentalisieren!
Die Diskussion ist derzeit mehr als unstrukturiert und in Teilen durchaus „unterbelichtet“, zumal die widerstreitenden Positionen seit Jahrzehnten hinreichend klar sind!
Es ist hohe Zeit, dass sich der Gesetzgeber umfassend des Problems annimmt und sich den drängenden Fragen eines effektiven Grundrechtsschutzes stellt.

Bisherige Regelungen und Leitlinien sind völlig ausreichend

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