Medizin
Colitis: Entzündung plus E. coli ergibt Darmkrebs
Freitag, 17. August 2012
Chapel Hill – Colitis ulcerosa und wahrscheinlich auch der Morbus Crohn gehen mit einer erhöhten Rate von Krebserkrankungen einher, die auf den Dickdarm beschränkt sind. Tierexperimente in Science (2012; doi: 10.1126/science.1224820) legen jetzt die Vermutung nahe, dass Darmbakterien und hier vor allem eine bestimmte Variante von Escherichia coli an der Entstehung der Tumoren beteiligt sind.
Das Team um Christian Jobin vom der Universität von North Carolina in Chapel Hill experimentiert mit Mäusen, die aufgrund einer Genmutation an Darmentzündungen erkranken. Solange die Tiere keimfrei gehalten werden, bleiben sie gesund. Werden sie allerdings in einen Käfig gesperrt, wo zuvor Mäuse mit intakter Darmflora gehalten wurden, entwickeln die Gen-Mäuse eine schwere Darmentzündung, und die meisten erkranken an Darmkrebs. Dies legt nahe, dass die Darmflora den entscheidenden Impuls zur Entwicklung von Darmkrebs liefert.
Dass Bakterien im Prinzip die Entwicklung von Krebs fördern können, ist bekannt. Das prominenteste Beispiel ist Helicobacter pylori, der heute als wesentliche Ursache für Magenkrebs gilt. Doch warum erkranken gesunde Mäuse und Menschen nur selten an Darmkrebs, während das Risiko bei der Colitis ulcerosa deutlich erhöht ist? Die Untersuchung der Darmflora der erkrankten Tiere liefert hierfür möglicherweise die Erklärung.
Jobin kann zeigen, dass die chronische Entzündung die Zusammensetzung der Darmflora verändert. Warum dies geschieht ist unklar. Doch die Folge könnte eine starke Vermehrung von bestimmten Darmbakterien sein, die die Entwicklung von Tumoren fördern. Jobin verdächtigt hier die E. coli-Varianten NC101. Dieses Bakterium bildet das Protein Colibactin, das die DNA schädigen kann, was ein plausibler Pathomechanismus für die Induktion von Krebserkrankungen ist.
Die Tierexperimente von Jobin zeigen, dass bei Tieren, die infolge der Colitis an Darmkrebs erkranken, häufiger NC101 gefunden wird. E. coli, die kein Colibactin bilden, können bei den Versuchstieren auch eine Darmentzündung hervorrufen, es kommt aber nicht zum Darmkrebs.
Die E. coli-Variante NC101 wird laut Jobin auch häufiger in Biopsien von Patienten mit entzündlicher Darmerkrankung gefunden (zu 40 Prozent), vor allem wenn diese an einem Darmkrebs erkrankt sind (zu 66,7 Prozent). Experimente an Zelllinien bestätigen den Verdacht: Wenn E. coli mit dem pks-Gen ausgestattet sind, können sie die Bildung von Krebszellen begünstigen.
Die Wirklichkeit im Darm mag komplexer sein, als diese Experimente den Anschein erwecken. So ist es beispielsweise möglich, dass andere Bakterien als E. coli das „Karzinogen“ Colibactin oder eine verwandte Substanz bilden. Die Experimente schließen auch nicht aus, dass noch andere Bakterien als E. coli an der Entwicklung der Tumoren beteiligt sind.
Auch Faktoren, die den Kontakt der Bakterien mit den Darmepithelien fördern, könnten die Krebsentstehung beeinflussen. Jonathan Rhodes von der Universität Liverpool, der an der aktuellen Studie beteiligt ist, hatte in einer früheren Untersuchung herausgefunden, dass Ballaststoffe wie Plantain oder Broccoli das Eindringen der Bakterien in die Schleimhaut behindern, während der Emulgator Polysorbat 80 sie förderte (Gut 2010; 59: 1331-9).
Dies bedeutet allerdings nicht, dass eine Diät aufgrund dieser Studie einem Darmkrebs vorbeugen kann, wie auch die Wirkung von probiotischen Nahrungsmitteln nur in klinischen Studien belegt werden kann. Experimente der Grundlagenforschung liefern in erster Linie Erklärungen. Ob die daraus abgeleiteten Rezepte in der komplexen Umgebung der Darmflora wirksam sind, ist eine andere Frage. © rme/aerzteblatt.de

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