Medizin
Gedächtnisstörung: Erinnerung für Musik blieb erhalten
Mittwoch, 29. August 2012
Berlin – Von einem professionellen Cellisten, der trotz schwerer Gedächtnisstörungen über ein völlig intaktes Gedächtnis für Musik verfügt, berichten Ärzte der Klinik für Neurologie am Campus Virchow-Klinikum der Charité in Berlin. Ihre Fallbeschreibung ist in der Zeitschrift Current Biology erschienen (doi:10.1016/j.cub.2012.05.041).
Der Patient leidet unter einer durch das Herpes-Virus verursachte Gehirnentzündung. In Folge dieser Entzündung entwickelte er eine schwere Gedächtnisstörung. Diese betraf sowohl sein Altgedächtnis (retrograde Amnesie) als auch die Abspeicherung von neuen Informationen (anterograde Amnesie).
Während der Patient über keine Ereignisse aus seinem privaten oder professionellen Leben berichten und sich nicht an Verwandte und Freunde erinnern konnte, verfügte er jedoch über ein völlig intaktes Gedächtnis für Musik. Darüber hinaus besaß er weiterhin die Fähigkeit, Noten zu lesen und Cello zu spielen.
Im Vergleich mit Amateurmusikern und mit professionellen Musikern der Berliner Philharmoniker zeigte der Patient in allen Aufgaben ein normales Gedächtnis für Musik. Er konnte sich nicht nur an Musikstücke aus der Vergangenheit erinnern, sondern auch neue, ihm unbekannte Musik dauerhaft speichern.
Die betreuenden Ärzte Carsten Finke, Nazli Esfahani und Christoph Ploner entwickelten zur systematischen Untersuchung seines Musikgedächtnisses verschiedene Aufgaben, die den Beginn seiner Amnesie berücksichtigten. „Die Befunde legen nahe, dass das Musikgedächtnis zumindest teilweise unabhängig vom sogenannten Hippokampus, einer Struktur im Gehirn, die Gedächtnisinhalte speichert, organisiert ist“, sagte Finke, der Erstautor der Studie. Möglicherweise habe die enorme Bedeutung von Musik zu allen Zeiten und in allen Kulturen zu der Entwicklung eines eigenständigen musikalischen Gedächtnisses beigetragen.
Finke und seine Kollegen hoffen, dass ein intaktes musikalisches Gedächtnis bei Patienten mit Amnesie genutzt werden kann, um das Gedächtnis auch für andere Inhalte zu stimulieren. So könnte eine bestimme Melodie mit einer Alltagsaufgabe verknüpft werden, beispielsweiser einer Tabletteneinnahme. © hil/aerzteblatt.de

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