Medizin
Levofloxacin: Indikationseinschränkungen wegen schwerer Nebenwirkungen
Dienstag, 4. September 2012
Bonn – Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat auf Empfehlung des Ausschusses für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) die Indikation für das Antibiotikum Levofloxacin eingeschränkt. In die Fachinformationen wurden Warnungen vor weiteren schwerwiegenden Nebenwirkungen aufgenommen. Betroffen sind neben dem Originalpräparat Tavanic® auch Levofloxacin-Generika (mit Ausnahme der Augentropfen, die nur lokal appliziert werden).
Das CHMP hatte Levofloxacin im Mai 2012 als Reserveantibiotikum eingestuft. Die zugelassenen Indikationen sind akute bakterielle Sinusitis, akute Exazerbation einer chronischen Bronchitis, ambulant erworbene Pneumonie sowie komplizierte Haut- und Weichteilinfektionen. Der Einsatz ist hier aber künftig streng auf Situationen einzuschränken, in denen „andere Antibiotika, die für die initiale Behandlung der entsprechenden Infektionen üblicherweise empfohlen werden, als nicht indiziert erachtet werden“.
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Anlass für die Neubewertung sind neue schwerwiegende Nebenwirkungen, die der Rote-Hand-Brief wie folgt auflistet: hypoglykämisches Koma, ventrikuläre Arrhythmie und Torsade de pointes, ventrikuläre Tachykardie, die zum Herzstillstand führen kann, tödliche Fälle von akutem Leberversagen, benigne intrakranielle Hypertonie, vorübergehender Sehverlust, Pankreatitis, Verschlimmerung der Symptome einer bestehenden Myasthenia gravis, Bänder- und Muskelrisse, Hörverlust.
Levofloxacin wurde 1987 patentiert und in den Folgejahren weltweit eingeführt. Für den Hersteller Johnson and Johnson/Ortho McNeil war es seinerzeit ein Blockbuster. Tavanic® gehörte zeitweilig zu den 20 weltweit umsatzstärkten Medikamenten. Noch 2007 war Levofloxacin das weltweit am häufigsten eingesetzte Fluorochinolon. Schon damals wurde die Sicherheit infrage gestellt.
Die Bedenken betrafen zunächst das Risiko einer Sehnenruptur. Die Hersteller konnten in den USA eine Black-Box-Warnung jedoch lange hinauszögern. Seit 2011 warnt die FDA auch ausdrücklich vor einer Exazerbation der Muskelschwäche bei Myasthenia gravis, einer potenziell lebensbedrohlichen Komplikation. Trotz der Risiken ist das Antibiotikum als Reservemedikament unverzichtbar. © rme/aerzteblatt.de

BfArM in der Pflicht?
Zu meinem Kommentar sei der Fairness halber angemerkt, daß mir der Herstelelr von TAVANIC mitteilte, die indizierte Formulierung "neu" sei nach Maßgabe des BfArM erfolgt.
Ich habe das BfArM daraufhin kontaktiert, ohne Erfolg. Nach erneutem Nachhaken mit der Anmerkung, daß keine antwort auch eine Antwort sei, wurde mir in den letzten Tagen eine zeitnahe Antwort zugesichert.
Zudem ist zunehmend aufgrund von Literaturrecherche (vgl. auch http://www.levofloxacon.eu) feststellbar, daß bestimmte Nebenwirkungen neuer Flurchinolone bereits seit mehreren Jahrzehnten bekannt sind.

Akute Geschichtslosigkeit
Sanofi glaubt doch selbst nicht im Ernst, daß es sich bei der Nennung von z.B. Bänder- und Muskelrissen um, wie es im Rote Hand Brief heißt, "neue" schwerwiegende Nebenwirkungen handelt! Diese Nebenwirkungen sind vielmehr zum Teil schon bald 20 Jahre bekannt, also alles andere als "neu" oder zuvor unbekannt. Es ist eine Respektlosigkeit gegenüber den bislang betroffenen Patienten, daß Sanofi auf besagte Weise versucht, seine nicht wahrgenommene Verantwortung für die einschlägigen Nebenẃirkungen tatsachenwidrig zu verharmlosen.
Als früherer Mitarbeiter der Hoechst AG bin ich von der chemischen Industrie einen anderen Umgangsstil der einschlägigen Unternehmen mit der Kundschaft gewohnt.
Insoweit erwarte ich auch deshalb, daß Sanofi den aktuellen Rote Hand Brief umgehend wahrheitsfördernd richtigstellt.

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