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Ärzteschaft

Allgemeinmedizin: 24 Zukunftspositionen verabschiedet

Dienstag, 25. September 2012

Rostock  – Wie sieht die Hausarztpraxis der Zukunft aus? Welche Aufgaben übernehmen Hausärztinnen und Hausärzte in den nächsten Jahren in der Versorgung? Welche Rolle sollte die Hausarztmedizin in Zukunft in Aus- und Weiterbildung spielen? Mit Antworten auf diese und andere Fragen hat die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) vor kurzem in Rostock 24 Positionen zur Zukunft der Allge­mein­medizin und der hausärztlichen Praxis formuliert. Sie wurden mit einigen wenigen Änderungen einstimmig von der Mitgliederversammlung angenommen.

„Die DEGAM-Positionen sollen deutlich machen, was die Allgemeinmedizin leisten kann und warum sie heute mehr denn je unverzichtbar ist“, erklärte DEGAM-Präsident Ferdi­nand M. Gerlach. Ziel ist es, in prägnanten und allgemeinverständlichen Aussagen übergreifende Aspekte darzustellen. Jede Position wird erläutert und mit Hinweisen auf wissenschaftliche Studien zum jeweiligen Thema untermauert.

In den ersten Positionen ist festgehalten, dass Hausärzte nicht primär organ- oder aufgabenzentriert arbeiten, sondern sich „als Spezialisten für den ganzen Menschen“ sehen. Darin sei kein „Anspruch auf Allzuständigkeit“ enthalten. Vielmehr sei es Aufgabe von Hausärzten, gerade die langzeitige und umfassende Betreuung von Patienten zum Teil selbst, zum Teil in Koordination verschiedener Disziplinen zu leisten. Die Hausarzt­praxis der Zukunft wird zudem als Teampraxis dargestellt, die ein umfassendes Behandlungsangebot für alle Patientengruppen bietet.

Mehrere Positionen beziehen sich auf die Arzt-Patient-Beziehung in den Hausarztpraxen. Die Zahl chronisch und mehrfach erkrankter Menschen erhöhe sich und damit die Gefahr ihrer Über-, Unter- und Fehlversorgung, so ein Hinweis. Die Integration und Koordination verschiedener Behandlungen sei deshalb eine zunehmend wichtige hausärztliche Aufgabe. Eine wohnortnahe, flächendeckende allgemeinmedizinische Grundversorgung der Bevölkerung gewährleiste zudem den Erhalt der Autonomie alter Menschen.

Mit ihren Zukunftspositionen setzt sich die DEGAM auch dafür ein, das Medizinstudium stärker an den Versorgungsrealitäten zu orientieren und deshalb Studierende kontinuierlich mit der Hausarztmedizin in Kontakt zu bringen. „Allgemeinmedizin ist das Kernfach im Medizinstudium“, heißt es an einer Stelle. Darüber hinaus wird eine strukturierte allgemeinmedizinische Verbundweiterbildung als zukunftsorientierte Form der Weiterbildung angesehen.

Die abgestimmte Fassung der  Zukunftspositionen wird Anfang Oktober auf der Homepage der DEGAM unter www.degam.de/Positionen abrufbar sein. Derzeit ist dort die Fassung abrufbar,  die die Mitglieder am 20. September in Rostock diskutiert haben. Sie unterscheidet sich nur wenig von der Endfassung. © Rie/aerzteblatt.de

Kommentare

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Avatar #1976
barabasch-riedel
am Donnerstag, 27. September 2012, 12:56

Re Schätzler

Na, Sie bestätigen meine Meinung, danke! Ihr Gedanken-Schlenker zum "paternalistischen-vertikalen Rollenverständnis" beantworte ich mit "der Eigen- Verantwortlichkeit des informed Consent-Patienten" (so heist das doch heute auf neudeutsch). Und ich meine damit: es ist immer noch so, dass die Mehrzahl der Patienten nicht die Diskussion über Sinn und Unsinn ärztlicher Taten schätzt, sondern die Kompetenz (und die Bereitschaft, diese auch kompetent zu vertreten, wenn Fragen seitens des Patienten auftreten) und deshalb ist "der Paternalismus" auch nicht mein Alltagsproblem, sondern die Verunsicherung durch allerlei "Dummschwätzerei (auf Badisch) seitens allerlei Sich-informend-Gläubigen gegenüber Patienten. Aber als Kapitän nehme ich meine Verantwortung ernst und mein Patient soll bittschön auch seine ernst nehmen. Ich über-nehme sie nicht für ihn. Der Rest ist die gute alte Kollgialität an Bord, wenn der Lotse sein erforderliches Werk verrichtet - aben (wie gesagt) auch in seiner Verantwortung.
Soviel in Eile für heut'
Richard Barabasch
Avatar #106067
dr.med.thomas.g.schaetzler
am Mittwoch, 26. September 2012, 22:53

Kapitänspatienten ohne Kapitänspatent?

Sehr geehrter Herr Kollege Richard Barrabasch,
Selbstverständlich sind Sie "Generalist" und "Kapitän", aber nur als Chef der eigenen Arztpraxis. Mit Ihrem betriebswirtschaftlich orientierten Steuerberater als Lotsen z. B.
Im Gegensatz zum früheren paternalistisch-vertikalen Rollenverständnis, ist heutzutage der Patient s e l b s t Kapitän! S e i n Schiff mit der bio-psycho-sozialen Ladung schlingert durch hohe Wellen und Untiefen, bis es mit Maschinen- und Ruderschaden in Seenot gerät. Spätestens dann sind wir Hausärztinnen und Hausärzte als Lotsen und Bergungsspezialisten gefordert, müssen Fachkollegen, Spezialärzte mit ins Boot holen bzw. über stationäre Interventionen gemeinsam entscheiden, um Havarien zu vermeiden.
Ich gebe gerne zu, dass wir häufig Kapitänspatienten ohne Kapitänspatent behandeln müssen: Leichtsinn, Unvernunft, krankheitsförderndes Verhalten Zivilisationskrankheiten und fehlende Präventivorientierung, aber auch ubiquitäres Krankheitsgeschehen sind sehr verbreitet. Alle derzeit erkennbaren Faktoren deuten auf partnerschaftliche, hoffentlich immer von gegenseitigem Respekt getragene Patienten-Arzt-Beziehungen hin.
Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund
Avatar #1976
barabasch-riedel
am Mittwoch, 26. September 2012, 12:11

DEGAM Hausarzt-Thesen, Ergänzung Schätzler

. . . und so gesehen muss das falsche Bild und der ebenso unlogische Eindruck vom "Hausarzt als Lotse" insofern korrigiert werden, da der "Hausarzt als Generalist" insofern der Kapitätn ist und den Lotsen benötigt in Gewässern, die dann eben dieser Fachmann besser kennt und deshalb auch zur Seite stehen kann, bzw. (seemännisch) das Ruder übernimmt UND die Verantwortung trägt für diese Passagezeit. So wird ein Schuh draus und so können alle an der Krankenbetreuung Beteiligten mit Rückrad und Gesicht miteinander leben und den Patienten wahr-haftig in die Mitte stellen,

meint
Dr. Richard Barabasch
Avatar #106067
dr.med.thomas.g.schaetzler
am Dienstag, 25. September 2012, 19:34

Meine persönlichen Zukunftspositionen

Hausärztliche Allgemeinmedizin bedeutet ökologisch wie ökonomisch optimale Ausnutzung vorhandener Ressourcen. 80 bis 85 Prozent aller Beratungsanlässe werden innerhalb dieses Fachgebietes gelöst. Sie stellt eine adäquate Lotsen- und Steuerungsfunktion für ambulante/klinische, fach- und spezialärztliche Weiterbehandlung bzw. planvoll risikoadaptierte Stufendiagnostik und -therapie dar.

In der biografischen Lebenswirklichkeit unserer Patientinnen und Patienten bzw. im ärztlichen Behandlungsalltag zwischen lapidarer Befindlichkeitsstörung und hochdramatischer Krankheit sind die fach-/spezialärztlichen Behandlungen und klinischen Krankenhausbehandlungen grundsätzlich Ausnahmesituationen. Die lebenslange, generationenübergreifende, bio-psycho-soziale Begleitung ist d a s Metier der hausärztlichen Profession.

Abgestufte, vernetzte Strukturen durch primärmedizinische Hausärzte/-innen auf der Basis von geschultem medizinischen Laienwissen, allgemeinärztlich-internistisch-pädiatrischer Grundversorgung, fachärztlicher-, spezialmedizinischer-, ambulanter bis stationärer Stufendiagnostik, Therapie und Versorgung vom Kreiskrankenhaus bis zur Universitätsklinik sind realisierbar.

Das Paradoxon von Versorgungsungleichheit im ländlichen und städtischen Raum, in Ballungszentren, sozialen Brennpunkten und Randbezirken, aber auch Massenabfertigung, Fließbandmedizin in Einzelpraxis und MVZ, Arbeitsverdichtung führt zu Aufmerksamkeitsfallen: Dadurch werden abwendbar gefährliche Verläufe provoziert oder Komplikationen, ultimative Warnzeichen („red flags“) und Lebensbedrohungen übersehen.

Gesetzliche (GKV) und Private Krankenversicherung (PKV) benötigen ein ausbalanciertes Spannungsverhältnis zwischen Solidarität und Selbstverantwortung. Derzeit können Krankenversicherte in „flatrate“ oder „all you can eat“ Manier personelle und technische Medizinbetriebsressourcen abgreifen – ohne Steuerung durch Gesundheitserziehung, Prävention, medizinische Fachberufe, Ärztinnen und Ärzte im primärmedizinischen Bereich. Dabei bewahren gesunder Menschenverstand bzw. bewährte Haus- und Naturheilmittel bei Bagatellerkrankungen Autonomie, Selbstbestimmung und Selbstbehauptung.

Medizinalisierung und Medikalisierung greifen an: Bei Bronchitis Thorax-Röntgen und der (vorschnelle) Griff zum Antibiotikum. Bei Rückenschmerzen sofort NSAR und orthopädische Kortisonspritze. Bei Schnupfen und Sinusitis sofort Pharmakotherapie. Bei jedem Kopfschmerz komplexe Migränediagnostik, Schädel-MRT, Neurologe oder Neurochirurg. Jede Prellung zum Radiologen, jede Verletzung zum Chirurgen, jede Arthrose zum Rheumatologen, jede Schilddrüse zum Szintigramm.

Gegensätze zwischen universitärer/klinischer Hochleistungs- und Intensivmedizin und der "Feld-, Wald- und Wiesenmedizin" hausärztlicher Provenienz führt zu Verständnislosigkeit, Konflikten und Schuldzuweisungen. Widersprüche zwischen Herz-Lungen-Transplantationen, interventioneller Kardiologie, Onkologie, Nephrologie, Neurochirurgie usw. und pharmakologisch mit "Antibiotika-ähnlichen" Pflanzenextrakten bzw. sinnlosen Lutschpastillen an behandelten subfebrilen Atemwegserkrankungen mit Husten, Schnupfen, Bronchialkatarrh in der allgemeinmedizinisch-pädiatrisch-internistischen hausärztlichen Praxis könnten größer nicht sein.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund
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