Politik
Verdacht auf manipulierte Laborwerte bei Organvergabe in München
Donnerstag, 4. Oktober 2012
München – Die Staatsanwaltschaft untersucht den Verdacht auf vorsätzliche Manipulation bei der Vergabe von Organen am Münchner Klinikum rechts der Isar. Die jüngsten Erkenntnisse würden in den „Prüfvorgang“ mit einfließen, sagte ein Sprecher der Münchner Anklagebehörde am Dienstag. Einem Bericht der Süddeutschen Zeitung vom Donnerstag zufolge erhärtet sich der Verdacht auf Manipulationen bei zwei weiteren Lebertransplantationen.
Zuvor hatte das Krankenhaus dem Gesundheits- und dem Wissenschaftsministerium mitgeteilt, dass womöglich doch Laborwerte vorsätzlich gefälscht worden waren, um einen Patienten bei der Organverteilung gezielt zu bevorzugen. Zunächst war die Klinikleitung davon ausgegangen, dass zwar Fehler gemacht, aber keine vorsätzlichen Verstöße begangen wurden.
Neun auffällige Transplantationen
Insgesamt gibt es bei neun Lebertransplantationen am Klinikum rechts der Isar Auffälligkeiten, die derzeit von der Prüfungs- und der Überwachungskommission der Bundesärztekammer untersucht werden. Der Ärztliche Direktor des Klinikums, Reiner Gradinger, erklärte: „Wir müssen davon ausgehen, dass in einem Fall manipulierte Laborwerte zu einer Transplantation geführt haben könnten.“ Daher sei umgehend die Staatsanwaltschaft eingeschaltet worden.
Nun werde alles daran gesetzt, dass dieser Vorgang aufgeklärt werde. Da es sich um ein laufendes Verfahren handele, könnten zu den beteiligten Personen und den näheren Umständen keine Angaben gemacht werden, sagte Gradinger.
Eurotransplant widerspricht der Klinik
Laut Süddeutscher Zeitung widerspricht die Stiftung Eurotransplant bei zwei weiteren Lebertransplantationen der Darstellung des Klinikums. Demnach sollen zwei Krebspatienten eine Leber erhalten haben, deren Erkrankung offenbar bereits metastasiert war. Dies sei nach den Richtlinien der Bundesärztekammer (BÄK) aber ein Ausschlusskriterium für eine Lebertransplantation.
Dass Patienten dennoch einen Platz auf der Warteliste bekommen hätten, „war mit der Organvermittlungsstelle Eurotransplant abgesprochen“, sagte der Leiter des Transplantationszentrums, Uwe Heemann, dem Blatt. Dem widersprach die Vermittlungsstelle.
Es habe keine Absprachen über die Aufnahme von Patienten auf eine der Wartelisten gegeben, sagte der medizinische Direktor von Eurotransplant, Axel Rahmel, der Zeitung. Eurotransplant könne bei der Vermittlung von Spenderorganen wohl kaum Verstöße gegen die Transplantationsrichtlinien genehmigen. „Allein die Transplantationszentren sind für die Entscheidung über die Aufnahme auf eine der Wartelisten verantwortlich“, sagte Rahmel.
Stiftung fordert Schwerpunktstaatsanwaltschaft
Die Deutsche Hospiz Stiftung forderte, dass sich eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft mit den deutschen Organskandalen befasst: Das Transplantationssystem sei bundesweit organisiert. Daher mache es keinen Sinn, dass die Ermittler an Ländergrenzen Halt machen müssten, sagte Stiftungsvorstand Eugen Brysch. Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) müsse zudem sofort eine Task Force einrichten. © dapd/aerzteblatt.de

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