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Medizin

Politische DDR-Häftlinge leiden noch immer unter Traumafolgen

Donnerstag, 25. Oktober 2012

Ehemaliges Sttasi-Gefängnis Höhenschönhausen © dpa

Zürich – Mehr als zwei Jahrzehnte nach dem Mauerfall leiden noch viele ehemalige politische Häftlinge der DDR unter den psychischen Langzeitfolgen ihrer Haft. Eine Kohortenstudie in Nervenarzt und Torture bescheinigt jedem dritten Ex-Häftling eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS).

Während fast 40 Jahren DDR wurden schätzungsweise 200.000 Menschen aus politischen Gründen inhaftiert. Historiker unterscheiden drei Phasen: In der Stalin-Ära (bis 1953) schreckte die DDR nicht vor physischer Folter bis hin zur Todesfolge zurück. In der Ulbricht-Ära (bis 1971) wurden zunehmend psychologische Methoden anwendet, die in der Honecker-Ära (bis 1989) dominierten, obwohl den Gefangenen auf gegen Ende der DDR durch Schlafentzug oder Flutlichtexposition körperliche Qualen zugefügt wurden.

Bereits Mitte der 1990er Jahre konnten Andreas Maercker, Universität Zürich, und. Matthias Schützwohl von der TU Dresden 146 ehemalige politische Inhaftierte untersuchen. Die meisten hatten damals traumatische Erfahrungen angegeben, die die Folterkriterien von Amnesty International und der UNO erfüllten. Bei 29 Prozent der Inhaftierten stellten die Autoren damals eine PTBS fest. Viele Exhäftlinge litten außerdem unter sozialen Phobien, auch eine Abhängigkeit von Suchtmitteln war häufiger als in einer Vergleichsgruppe (Soc Psychiatry Psychiatr Epidemiol 1997; 32: 435-42).

Im Jahr 2008 konnten die beiden Forscher die Mehrzahl der Betroffenen, 78 Männer und 15 Frauen, noch einmal untersuchen. Die Haft lag inzwischen 37 Jahre zurück, und die DDR existierte seit 19 Jahren nicht mehr. Die Exhäftlinge waren mittlerweile im Durchschnitt 65 Jahre alt, doch die psychischen Wunden der Haft waren bei vielen nicht verheilt. Bei einem Drittel der Exgefangenen diagnostizierten die Experten eine PTBS. Der Anteil war damit nicht nur höher als 15 Jahre zuvor.

Auch die Zusammensetzung der Erkrankten hatte sich verändert. Laut Maercker hatte nur etwa die Hälfte der heutigen PTBS-Patienten schon 1994 an der Störung gelitten. Bei den anderen lag ein Rezidiv einer früheren Erkrankung vor. Einige waren aber erstmals an einer PTBS erkrankt. Dieses Phänomen sei aus früheren Studien an Kriegsgefangenen oder anderen Gewaltopfern bekannt, berichten die Autoren. Der Anteil habe auch da bei etwa 7 Prozent gelegen.

Andere psychische Störungen, unter denen die ehemaligen DDR-Häftlinge litten, nahmen während der 15 Jahre ab. So wurden spezifische Phobien wie die Klaustrophobie seltener diagnostiziert. Ebenso ging die Zahl der Alkohol- oder Medikamentenabhängigen zurück. Um das Vierfache angestiegen auf 41 Prozent der Untersuchten sei dagegen die Zahl der Personen mit akuten Depressionen.

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Die beiden Forscher unterscheiden vier Verlaufstypen. Am häufigsten sei der Genesungs-Verlaufstyp („Remission“). Bei diesen Personen liege die Haft schon sehr lang zurück (Stalin- oder Ulbricht-Ära) und sie hätten auch bei der letzten Untersuchung relativ milde Störungen gezeigt.

Am zweithäufigsten war der störungsfreien Verlaufstyp („Resilienz“). Diese Personen würden angeben, immer psychisch gesund gewesen zu sein, obwohl die Experten bei ihnen eine PTSD diagnostiziert haben.

Beim chronischen Verlaufstyp liegen häufig mehr traumatisierende Erlebnisse vor als bei den anderen Formen. Es handelt sich häufig um Personen mit geringem Bildungs­abschluss die ihre Erfahrungen am wenigsten verarbeitet haben, obwohl sie vermehrt psychotherapeutische Angebote angenommen hatten. Trotzdem fühlten sie sich zuletzt zu wenig von ihrer Umwelt unterstützt.

Die verzögerte Verlaufsform trat dagegen häufiger bei Personen mit einem höheren Bildungsabschluss auf. © rme/aerzteblatt.de

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