Medizin
1000-Genom-Projekt: Gesunde Menschen haben viele Genfehler
Donnerstag, 1. November 2012
Oxford – Mit der Entschlüsselung des Erbguts von 1,092 Personen aus 14 verschiedenen ethnischen Gruppen hat das internationale 1000-Genom-Projekt ihr Ziel erreicht. Zu den in Nature (2012; doi: 10.1038/nature11632) publizierten Ergebnissen gehört, dass auch gesunde Menschen zahlreiche Genfehler in den Proteinen aufweisen.
Schon vor 2 Jahren bei der Vorstellung der Pilotstudie hieß es: „No genome is perfect“. Damals war die Gensequenz von 179 Personen entschlüsselt, bei weiteren 697 Personen waren die proteinkodierenden Abschnitte (Exom) des Erbguts entziffert. Jetzt liegen die Daten von allen 1,092 Teilnehmern vor. Beim Exom wurde die Sequenz jedes Teilnehmern zwischen 50 und 100 Mal bestimmt. Diese hohe Zahl ist erforderlich, um an alle Stellen des Genomen zu gelangen.
Für die Sequenzierung muss das Erbgut nämlich in kleine Schnipsel zerlegt werden. Dieses Puzzle später wieder lückenlos zusammenzusetzen, gelingt erst beim wiederholten Sequenzieren mit jeweils neuen Schnipseln. Die Grenze zur Perfektion gibt das Projekt selber mit etwa 28 Sequenzierungsrunden an. Dieser Aufwand wurde aus Kostengründen für die großen Masse des Erbguts, das keine Informationen für Proteine enthält, gescheut. Hier wählte das Team um Gil McVean eine „low-coverage“ mit 2 bis 6 Sequenzierungen.
Die genauere Exom-Analyse zeigt, dass auch gesunde Menschen – die Teilnehmer der Studie waren frei von erkennbaren Krankheiten – Fehler im Erbgut haben. Im Durchschnitt lagen 120 bis 400 Mutationen vor, von denen 10 bis 20 zur Bildung eines funktionslosen Proteins führten und zwei bis fünf Mutationen das Protein insgesamt beschädigten. Weitere 1 bis 2 Mutationen wurden in Genen gefunden, die mit einer Krebsentstehung in Verbindung gebracht werden.
Dass Personen mit Genfehlern dennoch gesund bleiben, führt das Team um Gil McVean von der Universität Oxford darauf zurück, dass die meisten Gene (auf den homologen Chromosomen) doppelt vorhanden sind. Von einigen gibt es auch mehrere Kopien auf den einzelnen Chromosomen, so dass Einzelmutationen hier häufig ohne Folgen bleiben. Denkbar ist ferner, dass die Mutation Zellfunktionen betrifft, die für den einzelnen Menschen keine Rolle spielt. Ein Beispiel wäre eine Störung des Alkoholabbaus für Menschen aus Kulturen, in denen Alkohol verpönt ist.
Die Kenntnis der „normalen“ Genfrequenz könnte die Medizin in zwei Bereichen beeinflussen. Zum einen wird es leichter, bei Erbkrankheiten die verantwortlichen Genfehler zu finden. Zum anderen werden laut Gil McVean die genom-weiten Assoziationstudien profitieren. Diese suchen nach Genvarianten, die für die familiäre Häufung vieler Erkrankungen verantwortlich sind. Diese Untersuchungen könnten davon profitieren, dass die Referenzdatenbank immer genauer wird.
Das Projekt soll jetzt um die Daten von weiteren 1,500 Genomen aus zwölf bisher nicht erfassten Bevölkerungsgruppen erweitert werden. Bisher nahmen Menschen aus 14 unterschiedlichen Ethnien von allen Kontinenten daran teil. Darunter waren Afrikaner aus Nigeria und Kenia, Han-Chinesen aus Peking und Südchina, Japaner aus Tokio, Weiße und Afro-Amerikaner und solche mexikanischer oder puerto-ricanischer Herkunft, Italiener, Briten, Finnen, Spanier und Kolumbianer, aber keine Deutsche. © rme/aerzteblatt.de

"Leben gefährdet die Gesundheit!"
1. gibt es keine gesunden Patienten. Sie sind nur nicht genau und invasiv genug untersucht worden.
2. auch wenn die Teilnehmer der Studie mit der Exom-Analyse frei von erkennbaren Krankheiten und somit "scheinbar" gesunde Menschen waren, sind sie potentielle Krankheitsträger.
3. wesentliches Merkmal von Lebendigem ist Krankheit, Zelluntergang und Tod.
Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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