Politik
Streichung der Praxisgebühr: Bundeskabinett und Gesundheitsausschuss stimmen zu
Mittwoch, 7. November 2012
Berlin – Sowohl das Bundeskabinett als auch der Gesundheitsausschuss des Bundestages haben die Abschaffung der Praxisgebühr befürwortet. Am kommenden Freitag wird nun der Bundestag über den Wegfall der 2004 eingeführten Gebühr abstimmen. Da sowohl Koalition als auch Opposition die Abschaffung befürworten, „können sich die Bürger darauf einstellen, dass die Praxisgebühr am 1. Januar Geschichte ist“, wie Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) heute in Berlin erklärte.
Erst am Sonntag hatten sich die Spitzenpolitiker von Union und FDP im Koalitionsausschuss auf die Streichung der Praxisgebühr geeinigt. Damit sie zum kommenden Jahr rechtskräftig werden kann, soll sie mit Hilfe von Änderungsanträgen in das Gesetz zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs in stationären Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen aufgenommen werden, das am Freitag im Bundestag beschlossen werden soll.
Die Zuzahlung werde „zur finanziellen Entlastung der Patientinnen und Patienten abgeschafft“, heißt es in einem Änderungsantrag von Union und FDP, der dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt. Damit werde gleichzeitig ein Teil der finanziellen Überschüsse der gesetzlichen Krankenversicherung zurückgegeben, die insbesondere auf die Erhöhung des allgemeinen Beitragssatzes und die positive Entwicklung der beitragspflichtigen Einnahmen durch höhere Löhne und Beschäftigung zurückzuführen sei.
Zudem würden durch die Abschaffung der Praxisgebühr die Praxen und Notfallambulanzen entlastet. „Die Praxisgebühr muss pro Jahr rund 200 Millionen Mal bei Patientinnen und Patienten erhoben werden“, heißt es in dem Antrag. „Dies verursacht in Arzt- und Zahnarztpraxen sowie Notfallambulanzen der Krankenhäuser für Einbehalt und Dokumentation der Praxisgebühr einen erheblichen bürokratischen Aufwand.“
330 Millionen Euro weniger Bürokratiekosten
Die Bürokratiekosten der an der ärztlichen und zahnärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer verringerten sich nun schätzungsweise um rund 330 Millionen Euro jährlich, erklären die Antragsteller. Darüber hinaus würden auch die Kassenärztlichen Vereinigungen von bürokratischen Belastungen befreit.
„Mit der Einführung der Praxisgebühr im Jahr 2004 sollte vor allem das Ziel erreicht werden, die Anzahl der unnötigen Arztbesuche zu verringern“, schreiben Union und FDP. „Studien, die einen längeren Zeitraum betrachten, kommen zu dem Ergebnis, dass die Praxisgebühr die Inanspruchnahme von Ärzten ab 2005 nicht signifikant beziehungsweise nicht nachhaltig gegenüber dem Niveau vor 2004 gesenkt hat.“
Dem Änderungsantrag zufolge erhalten die Krankenkassen durch den Wegfall der Praxisgebühr ab 2013 1,8 Milliarden Euro pro Jahr weniger. Diesen Betrag sollen sie künftig aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds bekommen.
Auch Beamte profitieren
Auch den Beamten wird der Wegfall der Praxisgebühr zugutekommen. Eine „wirkungsgleiche Umsetzung" des Beschlusses für die Staatsdiener soll in dieser Woche auf den Weg gebracht werden, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums am Mittwoch in Berlin. Dazu sei eine Anpassung des Beihilferechts notwendig. Die Zahlungen der Beamten sollten genau wie die Praxisgebühr zum Jahreswechsel wegfallen.
Bundesbeamte bekommen ihre Gesundheitskosten in der Regel zur Hälfte als staatliche Beihilfe ersetzt, den Rest sichern sie sich meist privat ab. Seit 2004 wird ihnen die Beihilfe um zehn Euro pro Quartal gekürzt, falls sie sich bei einem Arzt oder Zahnarzt behandeln lassen. Jährlich summiert sich das auf etwa 14 Millionen Euro. Die Länder haben für ihre Beamte teils sehr verschiedene Regelungen.
Die Abschaffung der Praxisgebühr war in den vergangenen Monaten innerhalb der Koalition insbesondere von der FDP vorangetrieben worden. In der Union hingegen gibt es bis heute Vorbehalte. So wies die CDU/CSU-Fraktion im Gesundheitsausschuss darauf hin, dass die Abschaffung der Praxisgebühr Teil des Kompromisspakets sei, das die Koalition am Wochenende geschnürt habe. Die Union trage diesen Beschluss mit, weil er sich aufgrund der guten Finanzlage der Krankenkassen gegenfinanzieren lasse.
„Die Union hat diese Maßnahme aber nicht favorisiert“, argumentierten die Abgeordneten der CDU/CSU. Außerdem werde die Abschaffung der Praxisgebühr nicht alle Patienten entlasten. „Schwerkranke Patienten werden davon nicht profitieren, weil sie stattdessen andere Zuzahlungen bis zur Belastungsgrenze werden leisten müssten“, gab die CDU/CSU-Fraktion zu bedenken.
Opposition zufrieden
Bei der Opposition traf die Maßnahme hingegen auf ungeteilte Zustimmung. „Was lange währt, wird endlich gut“, hieß bei der SPD-Fraktion. Sie begrüße es, dass die Koalition sich endlich dazu durchgerungen habe, einer Forderung, die die Opposition seit längerem erhebe, nachzukommen. Für die Fraktion Die Linke ist die Abschaffung der Praxisgebühr „ein Lichtblick“ in dem Koalitionskompromiss vom Wochenende, der ansonsten von „viel Schatten“ gekennzeichnet sei.
Demgegenüber bezeichnete die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Maßnahme als lediglich ersten Schritt auf dem Weg zu einem neuen Finanzierungsmodell für die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV). „Wir wollen letztlich alle Formen von Zusatzbeiträgen abschaffen“, betonten die Grünen. © fos/hib/afp/dapd/aerzteblatt.de

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