Medizin
ICD: Neue Programmierung halbiert Sterblichkeit
Mittwoch, 7. November 2012
Rochester – Schon geringe Veränderungen in den Grundeinstellungen eines implantierbaren Kardioverter/Defibrillators (ICD) können die Zahl der unangemessenen Aktivierungen deutlich senken. In einer randomisierten Studie im New England Journal of Medicine (2012; doi: 10.1056/NEJMoa1211107) hatte dies eine überraschend deutliche Reduktion der Sterberate zur Folge.
ICD und die verwandten CRT-D – dort ist die Defi-Funktion mit einer kardialen Resynchronisierungstherapie (CRT) verbunden – können durch die Abgabe eines gezielten elektrischen Impulses ein Kammerflimmern beenden und damit einen plötzlichen Herztod verhindern. Die Therapie gilt seit der Multicenter Automatic Defibrillator Implantation Trial–Reduce Inappropriate Therapy (MADIT) als evidenzbasiert. In der Studie war die Mortalität nach der Implantation eines ICD um ein Drittel gesunken (NEJM 2002; 346: 877-83).
ICD und CRT-D erkennen einen drohenden Herzstillstand anhand einer EKG-Analyse. Die Fähigkeiten der heutigen Algorithmen blitzschnell zwischen einer benignen atrialen und einer lebensgefährlichen ventrikulären Tachyarrhythmie zu unterscheiden, sind jedoch begrenzt. Dies hat zur Folge, dass die ICD auch bei einem harmlosen Herzrasen „anspringen“ können. In der MADIT-2-Studie war dies immerhin bei 8 bis 40 Prozent der Patienten der Fall. Die 10 bis 40 Joule starken Stromstöße sind nicht nur angstauslösend und schmerzhaft, es gibt Hinweise, dass die Stromschläge das Herz beschädigen können.
Die meisten heutigen Geräte sind so eingestellt, dass sie erst ab einer Frequenz von 170/min einen Impuls abgeben können. In der MADIT-RET (Reduce Inappropriate Therapy) wurde diese Grundeinstellung mit zwei veränderten Einstellungen untersucht: Für die „High-Rate“-Therapie wurden die Geräte so eingestellt, dass sie erst ab einer Herzfrequenz von 200/min und dann erst mit einer Verzögerung von 2,5 Sekunden „feuerten“. Bei der „delayed“-Therapie wurde bei Frequenzen von 170 bis 199/min eine Verzögerung von 60 Sekunden einprogrammiert. Sie verkürzte sich bei einer Herzfrequenz von 200 bis 249/min auf 12 Sekunden und bei einem noch schnelleren Herzschlag auf 2,5 Sekunden.
Für die Studie wurden an 98 Kliniken in Nordamerika, Europa, Israel und Japan 1.500 ICD- oder CRT-D-Träger auf eine „High-Rate“-Therapie, „delayed“-Therapie oder eine konventionelle Programmierung randomisiert. Wie Arthur Moss vom University of Rochester Medical Center und Mitarbeiter jetzt berichten, kam es unter den beiden neuen Programmierungen deutlich seltener zu unangemessenen Aktionen: Wurden unter der konventionellen Programmierung durch die „Fehlzündungen“ 3.714 Joule abgegeben, so waren es unter der „delayed“-Therapie nur 1.698 Joule und unter der „High-Rate“-Therapie sogar nur 868 Joule.
Primärer Endpunkt der Studie war der Anteil der Patienten, bei denen in der Studiendauer von 1,4 Jahren eine Aktion ausgelöst wurde: Dies war unter der „High-Rate“-Therapie signifikant um 79 Prozent (Hazard Ratio HR 0,21; 0,13-0,34) unter der „delayed“-Therapie signifikant um 76 Prozent (HR 0,24; 0,15-0,40) seltener der Fall als unter der konventionellen Programmierung.
Die Zahl der Todesfälle wurde mehr als halbiert: von 34 Todesfälle unter der konventionellen Programmierung auf 16 unter der „High-Rate“-Therapie und 21 unter der „delayed“-Therapie. Dies ergibt laut Moss für die „High-Rate“-Therapie einen signifikanten Rückgang um 55 Prozent (HR 0,45; 0,24-0,85), während die „delayed“-Therapie die Rate der Todesfälle nur tendenziell um 44 Prozent (HR 0,56; 0,30-1,02) reduzierte. Im direkten Vergleich gab es indes keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden neuen Einstellungen.
Möglicher Nachteil Synkopen
Ein möglicher Nachteil der neuen Einstellungen sind Synkopen, zu denen es infolge der verzögerten Impulsabgabe kommen kann. Unter der „High-Rate“-Therapie verzeichnet die Studie einen Anstieg der Synkopen um 32 Prozent, unter der „delayed“-Therapie traten sie zu 9 Prozent häufiger auf. In beiden Fällen wurde das Signifikanzniveau nicht erreicht, ein Zufall ist also nicht auszuschließen.
Die Studie zeigt erneut, dass bei Medizinprodukten bereits geringe Änderungen, die hier nicht einmal das Gerät selbst, sondern nur die Einstellungen betrafen, einen Einfluss auf die Wirkung haben können. Moss zeigte sich vom Ausmaß der Veränderungen erstaunt, auch wenn frühere Studien darauf hingewiesen hatten, dass die Elektroschocks eine schädigende Wirkung auf das Herz haben könnten. © rme/aerzteblatt.de

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