Medizin
Pneumokokken: Studie belegt Schutz vor invasiven Erkrankungen
Montag, 19. November 2012
Helsinki – Ein vor drei Jahren eingeführter 10-valenter Pneumokokken-Konjugatimpfstoff hat in einer landesweiten Studie in Finnland Kinder unter 2 Jahren effektiv vor schweren Pneumokokken-Erkrankungen geschützt. Neben der empfohlenen „3+1-Strategie“ könnte nach den im Lancet (2012; doi: 10.1016/S0140-6736(12)61856-X) publizierten Ergebnissen auch eine „2+1-Strategie“ ausreichend wirksam sein.
Die Pneumokokken-Impfung hat sich seit der Einführung des ersten 7-valenten Impfstoffs (Prevenar von Pfizer) im Jahr 2001 in vielen Ländern durchgesetzt. Inzwischen gibt es Nachfolge-Impfstoffe, die wie Synflorix von GlaxoSmithKline 10 Serotypen oder Prevenar 13 von Pfizer sogar 13 Serotypen abdecken. Es gibt aber vermutlich mehr als 90 Serotypen von Streptococcus pneumoniae. Es ist deshalb nicht ganz auszuschließen, dass die Impfstoffe, auch wenn sie gegen die wichtigsten Serotypen immunisieren, ihr Ziel verfehlen, und die Zahl der schweren Erkrankungen wie Pneumonien, Meningitis oder Sepsis gar nicht sinkt. Diese Befürchtung wird jetzt – vorerst – für Synflorix durch eine randomisierte klinische Studie entkräftet.
Für die „Finnish Invasive Pneumococcal disease“ oder FinIP-Studie wurde das Land in 78 Cluster aufgeteilt. Von ihnen wurden 52 Cluster auf eine Impfung mit dem 10-valenter Pneumokokken-Konjugatimpfstoff ausgelost. In den anderen 12 Clustern erhielten die Kinder Hepatitis-Impfungen.
Die Studie war doppelblind. Weder Eltern noch die Kinderärzte wussten, ob die Kinder mit Synflorix oder einem Quasi-Placebo geimpft wurden. Endpunkt war das Auftreten von invasiven Pneumokokken-Erkrankungen (IPD). Ihre Zahl wurde im jedem Cluster anhand von obligatorischen Labormeldungen bestimmt, die die nationale Gesundheitsbehörde THL (Terveyden ja hyvinvoinnin laitos) sammelte und prüfte.
Bei den Impfungen wurden – wiederum aufgeteilt nach Clustern – zwei Strategien verglichen: Ein Teil der Säuglinge erhielt drei Impfungen plus Booster („3+1-Strategie“), bei den anderen begnügte man sich mit 2 Impfungen plus Booster („2+1-Strategie“). Außerdem gab es Catch-Up-Gruppen: Wurden die Kinder erst im Alter von 7 bis 11 Monaten vorgestellt, wurde nur die 2+1-Strategie eingesetzt. Noch ältere Kinder erhielten nur zwei Impfungen.
Unter den 47.000 teilnehmenden Kindern kam es zu 13 dokumentierten IPD. Davon entfielen 12 auf die Kontrollgruppe und 1 auf die Cluster mit einer „2+1-Strategie“. Aus den Clustern mit „3+1-Strategie“ wurden keine Erkrankungen gemeldet. Arto Palmu vom THL-Zentrum in Helsinki und Mitarbeiter errechnen daraus eine Effektivität von 100 Prozent für die „3+1-Strategie“ (95-Prozent-Konfidenzintervall (83-100 Prozent) und eine Effektivität von 92 Prozent (58-100 Prozent) für die „2+1-Strategie“.
Auch Erkrankungen mit Serotypen, die nicht vom Impfstoff erfasst wurden, waren selten. Unter den geimpften Kindern gab es zwei PID, unter den nicht geimpften Kindern 14 PID. Dies ergibt eine Effektivität von 93 Prozent (75-99 Prozent). Auch in den „catch-up“-Kohorten, wo wegen des höheren Alters der Kinder nur eine inkomplette Impfung erfolgte, erzielte der Imofstoff hohe Effektivität.
Der Impfstoff hat sich Palmu zufolge als sicher erwiesen. Es kam unter den Geimpften nicht zu vermehrten Todesfällen (die in der Altersgruppe ohnehin sehr selten waren). Bei 18 Kindern kam es nach den Impfungen (einschließlich in der Kontrollgruppe) zu schweren Reaktionen, von denen 9 als mögliche Reaktion auf die Impfung eingestuft wurden. Davon entfielen 6 auf den Pneumokokken-Impfstoff und 3 auf die Hepatitis-Vakzine in der Kontrollgruppe. Ernsthafte Sicherheitsbedenken zu dem neuen Impfstoff sieht Palmu nicht.
Die Studie war dem Lancet zufolge die erste bisher in Europa durchgeführte Doppelblindstudie, die zu einem Konjugatimpfstoff gegen Pneumokokken mit dem Endpunkt IPD durchgeführt wurde. Es war auch weltweit die erste Studie, die für die „2+1-Strategie“ eine Wirksamkeit dokumentieren konnte. Synflorix dürfte nach Einschätzung des Journals insgesamt die gleiche Effektivität erreichen wie der 7-valente Impfstoff, der bisher nur in der „3+1-Strategie“ untersucht wurde.
Die Bedenken gegen die Impfung wird die Studie nicht restlos beseitigen. Auch wenn derzeit nur wenige Erkrankungen durch die nicht von den Impfstoffen abgedeckten Serotypen ausgelöst wurden, muss dies nicht so bleiben. Es ist vorstellbar, dass andere Serotypen die durch die Impfung entstandene „ökologische Nische“ besetzen und ihre Virulenz verändern. Die Aufgabe besteht darin, diese Änderungen frühzeitig zu erkennen und durch eine erneute Modifikation des Impfstoffes abzufangen. © rme/aerzteblatt.de

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