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Politik

Verringerung von Transplantations­zentren gefordert

Donnerstag, 3. Januar 2013

dpa

Bonn – Um Korruption in der Transplantationsmedizin zu bekämpfen, haben Patienten­schützer und Ärzte eine Verringerung der Zahl der Transplantationszentren in Deutsch­land gefordert. Der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Frank Ulrich Montgomery, sprach sich am Donnerstag in der Bild-Zeitung für wenige große Zentren aus. Dies mache eine ständige Überprüfung einfacher und sorge dafür, dass „falsche ökono­mische Anreize“ keine Rolle spielten. In Deutschland gibt es derzeit 47 solcher Zentren.

Vorgänge wie in Leipzig müssten „mit allen Mitteln des Straf- und des Berufsrechts geahndet werden", sagte der BÄK-Präsident gegenüber der Passauer Neuen Presse vom Donnerstag. „Wer als Transplantationsmediziner immer noch nicht begreift, dass er sein eigenes Fach durch Schummeln und Manipulieren kaputt macht, der hat in diesem Fach nichts mehr zu suchen.”

Der Chef der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, forderte: „Wir sollten noch in diesem Jahr die Hälfte der Transplantations-Zentren schließen, um schädlichen Wettbewerb zu vermeiden. Organspende braucht Offenheit und Vertrauen statt Profit und Eitelkeit.“

Am Leipziger Transplantationszentrum waren in dieser Woche Unregelmäßigkeiten bei der Organspende aufgedeckt worden. Laut Uniklinik sollen Patienten fälschlich als Dialysepatienten ausgegeben worden sein, um deren Chancen auf eine Spenderleber zu erhöhen.

Kontrollmechanismen funktionieren
Montgomery sagte im ARD-Morgenmagazin, die schlechte Botschaft sei, dass ein weiteres Transplantationszentrum entdeckt wurde, in dem manipuliert worden sei. Es gebe aber auch zwei gute Botschaften: „Unsere Kontrollmechanismen finden die Probleme – wir entdecken die Schummeleien.“ Seitdem 2012 diese Mechanismen bekanntgeworden seien, hätten die Manipulationen schlagartig aufgehört. „Ich kann deshalb mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass die Transplantationsmedizin in Deutschland im Moment so sicher ist, wie sie noch nie war“, betonte Montgomery.

Gesundheitspolitiker von SPD und Grünen rechnen mit Unregelmäßigkeiten auch in anderen deutschen Kliniken. Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Bundestags­fraktion, Karl Lauterbach, sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung vom Donnerstag: „Die Vorwürfe von Leipzig haben mich nicht überrascht. Ich gehe sogar von weiteren Fällen dieser Art in Deutschland aus.“ Grünen-Gesundheitsexperte Harald Terpe sagte der Zeitung, die Kontrollkommission werde im laufenden Jahr weitere Transplantations­zentren überprüfen. „Es ist gut möglich, dass sie weitere Fälle findet“, so Terpe.

Terpe forderte eine strengere staatliche Kontrolle bei der Vergabe von Spenderorganen. „Wir müssen gesetzlich fixieren, dass Bundes- und Landesbehörden direkte Verant­wortung bei der Kontrolle der Organtransplantationen übernehmen.“ Lauterbach warnte vor parteipolitischer Profilierung: „Derzeit suchen wir nach einem parteiüber­greifendem Konzept und sind dabei auf einem guten Weg“, sagte er.

  • Wie groß ist der Bedarf an Organspenden?

    Auf den Wartelisten für ein Spenderorgan stehen derzeit rund 12.000 Patienten. Rund 1.000 von ihnen sterben jedes Jahr, weil sie nicht rechtzeitig ein Spenderorgan erhalten.

    Wie viele Organe werden jährlich gespendet?

    2011 ging die Zahl der Spender deutlich zurück, und zwar von 1.296 im Jahr zuvor auf 1.200. Das bedeutete ein Minus von 7,4 Prozent. Die Zahl der gespendeten Organe sank von 4.205 auf 3.917.

    Welche Organe können gespendet werden?

    Niere, Leber, Herz, Lunge, Bauschspeicheldrüse und Dünndarm können von einem verstorbenen Spender übertragen werden. Außerdem lassen sich Gewebe wie Hornhaut oder Knochen verpflanzen. Ein einzelner Organspender kann bis zu sieben schwer kranken Menschen helfen.

    Neben der Spende nach dem Tod ist es möglich, eine Niere oder einen Teil der Leber bereits zu Lebzeiten zu spenden. Lebendspenden sind aber nur unter nahen Verwandten und einander persönlich eng verbundenen Personen zulässig.

  • Welche Voraussetzungen gelten für eine Organspende?

    Damit Organe nach dem Tod entnommen werden können, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Es muss eine ausdrückliche Zustimmung des Spenders oder der Angehörigen vorliegen und der Hirntod muss eindeutig festgestellt worden sein.

    Wie gelangt das Organ vom Spender zum Empfänger?

    Eine Organentnahme nach dem Tod ist in jedem der mehr als 1.300 Krankenhäuser mit Intensivstation durchführbar. Die Krankenhäuser sind verpflichtet, einen Transplantationsbeauftragten zu ernennen. Er informiert dann die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO). Sie vermittelt unabhängige Fachärzte, die die Hirntoddiagnostik durchführen. Zudem veranlasst der Koordinator Untersuchungen der Organe auf Erkrankungen und Infektionen. Die Untersuchungsergebnisse zu Spender, Blutgruppe und Gewebemerkmalen leitet der Koordinator an die europäische Organvermittlungsstelle Eurotransplant weiter, die mit Hilfe der Daten der Patienten auf der Warteliste die passenden Empfänger ermittelt und die zuständigen Transplantationszentren informiert. Die Zentren, von denen es rund 50 in Deutschland gibt, verständigen den Empfänger und führen die Transplantation durch.

  • Nach welchen Kriterien werden die Organe vergeben?

    Für die schwer kranken Patienten werden Wartelisten geführt und Punkte vergeben, deren Kriterien die Bundesärztekammer festlegt. Die Platzierung der Patienten richtet sich vor allem nach der Erfolgsaussicht und der Dringlichkeit einer Transplantation.

    Auch werden die Gewebeverträglichkeit und die Wartezeit gewichtet. Patienten in akuter Lebensgefahr werden vorrangig behandelt. Alkohol- oder Drogensucht können eine Aufnahme auf die Warteliste verhindern.

Der Vorsitzende der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO), Rainer Hess, kritisierte eine mangelnde Qualitätssicherung in den Transplantationszentren. Daran müsse jetzt gearbeitet werden, sagte er im Südwestrundfunk (SWR). Zwar könne man ein System nie ganz frei von Manipulationen, aber durch Datenerhebungen und Kontrollen deutlich sicherer machen. Dadurch würde auch den Ärzten und Transplantationszentren klar, dass sich ein solches Verhalten nicht lohne, so der DSO-Vorsitzende. Mit Blick auf eine mögliche Reduzierung der Transplantationszentren sagte Hess, verantwortlich seien die Bundesländer, da sie die Hoheit bei der Planung der Krankenhäuser hätten.

Dauer des Prüfverfahrens noch nicht abzuschätzen
Das von der Staatsanwaltschaft zu den Leipziger Vorgängen eingeleitete Prüfverfahren kann noch mehrere Wochen dauern. Umfang und Zeitrahmen könnten noch nicht genau abgeschätzt werden, sagte ein Sprecher der Leipziger Staatsanwaltschaft am Donnerstag. In den nächsten Tagen seien keine Ergebnisse zu erwarten. „Wir wollen auch die Arbeit der von der Bundesärztekammer geschickten Sonderkommission in unsere Ermittlungen mit einfließen lassen“, sagte Schulz weiter. Diese beginne erst in der kommenden Woche ihre Prüfungen am Leipziger Universitätsklinikum.

Weniger Organspenden im letzen Jahr
Nach Angaben der für die Organvermittlung zuständigen Stiftung Eurotransplant wurden 2012 mehr als zehn Prozent weniger Organe aus Deutschland gemeldet. Der medizi­nische Leiter von Eurotransplant, Axel Rahmel, sagte dem WDR, ein Zusammenhang mit den Organspende-Skandalen in Deutschland sei „sicher anzunehmen". Die Zahl der tatsächlichen Organverpflanzungen sei in Deutschland dennoch nur um vier Prozent von 2190 auf 2104 gesunken, weil andere Länder mehr Organe zur Verfügung stellten. © kna/dapd/afp/aerzteblatt.de

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