Medizin
Starker Rückgang der Windpocken durch Impfung
Montag, 7. Januar 2013
Berlin – Die Zahl der Windpockenerkrankungen ist in Deutschland stark zurückgegangen, seit die ständige Impfkommission (STIKO) zur Impfung aller Kleinkinder aufgerufen hat. Die Impfquote ist laut einem Beitrag im Epidemiologischen Bulletin (2013; 1: 1-5) aber noch zu gering, um durch eine Herdenimmunität Erkrankungen bei älteren ungeimpften Personen zu verhindern.
Die STIKO empfiehlt seit 2004, alle Kinder im Alter von 11 bis 14 Monaten gegen Windpocken impfen zu lassen. Zunächst war eine einzelne Impfung vorgesehen, seit 2009 ist eine zweite Impfdosis im Abstand von mindestens vier Wochen hinzugekommen. Die Impfung wird inzwischen recht gut angenommen. Nach KV-Daten erhalten inzwischen 85 Prozent der Kinder die erste und 60 Prozent die zweite Impfung. In den letzten Jahren wurden nicht selten auch ältere Kinder nachgeimpft.
Die Folge war ein deutlicher Rückgang der Erkrankungen um 85 Prozent (nach den jüngsten Zahl der Arbeitsgemeinschaft Varizellen, AGV). Der Rückgang betraf nicht nur die von der Impfempfehlung betroffenen Jahrgänge – bei den 1- bis 4-Jährigen gingen die Erkrankungen um 92 Prozent zurück. Auch Säuglinge (die noch zu jung für eine Impfung sind) und Erwachsene (die in der Regel nicht nachgeimpft wurden) erkranken seltener. Für die STIKO ist dies ein klarer Hinweis auf eine Abnahme der Viruszirkulation in der Bevölkerung, die auch als Herdenimmunität bezeichnet wird.
Hospitalisierungen bei älteren Patienten gleich geblieben
Zu den positiven Auswirkungen gehört sicherlich, dass die Zahl der komplizierten Windpocken-Infektionen deutlich zurückgegangen ist. Im AGV-Sentinel war die Zahl zuletzt so klein, dass die Erfassung eingestellt wurde. Auch Krankenhauseinweisungen sind seltener geworden – allerdings nur bei den jüngeren Patienten. Bei älteren Personen (15 Jahre und älter) ist die Zahl der Klinikbehandlungen wegen Windpocken gleich geblieben.
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Wichtige Fragen über die langfristigen Auswirkungen sind noch offen - und werden es vermutlich noch einige Zeit bleiben. Eine mögliche ungünstige Folge könnte eine Verschiebung der Krankheitslast in höhere Altersgruppen sein. Da die früher regelmäßigen Windpocken-Epidemien immer seltener werden, erwischt es ungeimpfte Personen (oder Impfversager) möglicherweise in einem höheren Lebensalter, in dem das Komplikationsrisiko höher ist.
Bislang gibt keine Hinweise auf eine derartige Rechtsverschiebung der Erkrankungen. Das beste Mittel, sie für die Zukunft zu vermeiden, wäre nach Ansicht der STIKO eine Steigerung der Impfquoten auf 90 Prozent für die erste und 80 Prozent für die zweite Impfung. Dann würden größere Epidemien ausbleiben.
Unklar ist derzeit auch, wie lange die Immunität gegen die Varizellenimpfung anhält. Ein lebenslanger Schutz ist nicht garantiert, auch wenn die Windpocken in der Regel eine einmalige Kinderkrankheit sind (was durchaus Folge der wiederholte Boosterung in höherem Lebensalter durch die regelmäßigen Epidemien gewesen sein kann, die ja jetzt entfallen).
In den USA, wo schon seit 2005 zwei Impfungen empfohlen werden, sei dieses Problem bisher nicht aufgetreten, heißt es in dem Beitrag. Dort erfolgt die zweite Impfung aber erst mit 4 bis 6 Jahren. Eine derartige Verlegung hält die STIKO für problematisch, da die Impfquote in Deutschland im Vorschulalter deutlich nachlasse.
Die interessanteste Frage betrifft die Auswirkung auf die Inzidenz von Herpes zoster. Da die Erkrankungen zumeist im hohen Alter auftreten, wird eine Antwort noch länger auf sich warten lassen. Im günstigsten Fall senkt die Impfung die Rate der Zoster-Erkrankungen, die ja eine Reaktivierung der im Kindesalter erworbenen Infektion ist.
Im ungünstigen Fall könnte es vorübergehend zu einem Anstieg der Erkrankungen kommen, da die exogene Boosterung des Immunsystems durch die regelmäßigen Windpockenepidemien entfällt. Die STIKO hat deshalb gute Gründe den Immunschutz der Bevölkerung im Auge zu behalten. Die Meldepflicht und seroepidemiologische Studien sollen dies leisten. © rme/aerzteblatt.de

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