Medizin
HIV: Studien zeigen Therapienutzen in der Primärinfektion
Donnerstag, 17. Januar 2013
London – Wird eine HIV-Infektion frühzeitig entdeckt, kann eine vorübergehende antiretrovirale Therapie sinnvoll sein. Eine randomisierte klinische Studie im New England Journal of Medicine (NEJM 2013; 368: 207-217) dokumentiert eine beschleunigte Erholung der Immunparameter. Eine Heilung war nicht möglich, doch der Therapiebeginn in der Spätphase der Infektion konnte hinausgezögert werden.
Die meisten Patienten bemerken ihre HIV-Infektion erst Jahre nach der Ansteckung, wenn sich erste Zeichen einer Immunschwäche einstellen. Eine primäre HIV-Infektion in der ersten Phase, in der sich die Viren noch ungebremst von Antikörpern vermehren, wird nur selten und oft zufällig diagnostiziert, etwa wenn es bei zwei kurz aufeinanderfolgenden HIV-Tests zu einer Serokonversion kommt.
Auch ein positiver Virusnachweis bei negativem Antikörpertest ist hoch verdächtig, da das Immunsystem nach einer frischen Infektion mehrere Wochen benötigt, um eine Abwehr aufzubauen. Einer dieser beiden Kriterien lag bei den meisten der 366 Teilnehmer der Short Pulse Anti-Retroviral Therapy at Seroconversion oder SPARTAC-Studie vor.
Die Studie hat in dieser Situation drei mögliche Strategien untersucht. Ein Drittel der Patienten wurde nicht behandelt. Dies entspricht den heute geltenden Leitlinien, die erst zu einer Therapie raten, wenn die CD4-Zellen auf unter 350/mm3 abgefallen sind. Die Teilnehmer der SPARTAC-Studie hatten im Durchschnitt noch 559 Zellen/mm3. In den beiden anderen Gruppen wurde dennoch mit einer antiretroviralen Therapie begonnen.
In einer Gruppe wurde sie über 12 Wochen, in der anderen über 48 Wochen durchgeführt und dann beendet. Primärer Endpunkt der Studie war ein Abfall der CD4-Zellen auf unter 350/mm3, um dann mit der lebenslangen antiretroviralen Therapie zu beginnen. Bei den Patienten ohne initiale Therapie wurde dieser Endpunkt nach 157 Wochen erreicht. Die 12-wöchige Therapie verschob den Endpunkt auf 184 Wochen, und nach einer 48-wöchigen Therapie musste die Dauertherapie erst nach 222 Wochen begonnen werden, wie das Team um Jonathan Weber vom Imperial College London mitteilt.
Die Verzögerung des Therapiebeginns hielt sich damit in Grenzen. Signifikant war sie nur für die 48-wöchige Therapie. Wenn man die Therapiedauer bei der Primärinfektion berücksichtigt, bleibt den Patienten nur 17 Wochen Therapie erspart (222 minus 157 minus 48 Wochen). Die Studie kann damit die Notwendigkeit einer Therapie nicht sicher belegen. Die Therapie hatte jedoch keine Nachteile.
Resistenzen traten laut Weber nicht häufiger auf. Eine Subgruppen-Analyse zeigte, dass der Effekt umso größer ist, je früher die Therapie begonnen wird. Einen Vorteil könnte die Therapie für die Sexualpartner haben, da die Virussuppression das Ansteckungsrisiko mindert. Dieser Schutz ist nach anderen Studien beträchtlich, aber nicht absolut. Er ist auch auf die Phase der Therapie begrenzt. Nach deren Ende steigt die Viruskonzentration im Blut und damit das Ansteckungsrisiko wieder an.
Dies ist eine der Gründe, warum einige Fachgesellschaften wie die International Antiviral Society-USA mittlerweile dazu raten, alle HIV-Infizierte ungeachtet der CD4-Werte antiretroviral zu behandeln. Epidemiologen haben ausgerechnet, dass dadurch die HIV-Epidemie am besten gebremst werden könnte.
Für einen frühen Therapiebeginn sprechen sich auch Tuan Le von South Texas Veterans Health Care System in San Antonio und Mitarbeiter aus. In einer Beobachtungsstudie zeigen sie, dass Patienten häufiger normale CD4-Werte (900/mm3 oder mehr) erreichen, wenn sie die Therapie innerhalb der ersten vier Monate nach der Infektion beginnen (NEJM 2013; 368: 218-230). Dass sich daraus für die Patienten klinische Vorteile ergeben, kann daraus aber nicht „hieb- und stichfest“ geschlossen werden, räumen die Editorialisten Bruce Walker und Martin Hirsch von der Harvard Medical School in Boston ehrlicherweise ein. © rme/aerzteblatt.de

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