Medizin
Darmbakterien könnten vor Autoimmunerkrankungen schützen
Freitag, 18. Januar 2013
Toronto – Erkranken Frauen häufiger an Autoimmunerkrankungen, weil sie andere Bakterien im Darm haben als Männer? Diesen Schluss lassen tierexperimentelle Experimente in Science (2013; doi: 10.1126/science.1233521) zu. Sie zeigen auch einen überraschenden Einfluss der Darmflora auf die Sexualhormone.
Das Team um Jayne Danska vom Hospital for Sick Children in Toronto experimentierte mit sogenannten „non-obese diabetic“ oder NOD-Mäusen. Diese Tiere haben eine starke genetische Prädisposition auf einen Typ 1-Diabetes. Weibliche Tiere erkrankten sehr viel häufiger als männliche Tiere.
Diese Geschlechtsspezifität bestand allerdings nicht, wenn die Tiere in keimfreien Käfigen aufwuchsen. Dann erkranken männliche und weibliche Tiere gleich häufig. Die gleiche Auswirkung hatte eine Übertragung von Darmbakterien von ausgewachsenen männlichen auf unreife weibliche Tiere: Statt 85 Prozent erkrankten nur noch 25 Prozent der weiblichen NOD-Mäuse an einem Typ 1-Diabetes.
Die Fäkal-Transplantationen hatten noch eine weitere unerwartete Folge: Bei den weiblichen Jungtieren kam es zu einem Anstieg des männlichen Geschlechtshormons Testosteron. Danska ist überzeugt, dass diese Veränderungen für die protektive Wirkung der Fäkal-Transplantationen verantwortlich sind. Wurde die Aktivität des Testosterons geblockt, ging die protektive Wirkung verloren. Die weiblichen Tiere waren dann wieder anfälliger für einen Typ 1-Diabetes.
Wieso der Austausch der Darmflora bei den weiblichen Tieren zu einem Anstieg des Testosteronspiegels führt, ist unklar. Die Forscher können auch nicht erklären, warum das Hormon die Anfälligkeit auf die Autoimmunerkrankung senkte. Danska interpretiert die Auswirkungen als eine weitere Facette der „Hygiene-Hypothese“, nach der die Wechselwirkung von Bakterien und Immunsystem die Entstehung von Autoimmunerkrankungen beeinflusst.
Um Krankheiten zu meiden, muss das Immunsystem frühzeitig mit Keimen der Umwelt exponiert werden. Diese „Lehrzeit“ des Immunsystems könnte sich vor allem im Darm abspielen. Das darmassoziierte lymphatische Gewebe GALT („gut associated lymphoid tissue“) ist anteilsmäßig der größte Teil des menschlichen Immunsystems.
Ob die Ergebnisse auf den Mensch übertragbar sind, ist natürlich unklar. Sollte eine „intestinale Dysbiose“ auch beim Menschen die Anfälligkeit auf Autoimmunerkrankungen erhöhen, könnte eine Regulierung der Darmflora möglicherweise eine protektive Wirkung haben. © r0e/aerzteblatt.de

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