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Medizin

Vogelgrippe: Ende des Forschungs­moratoriums

Donnerstag, 24. Januar 2013

dpa

Rotterdam/Madison – Nach einem mehr oder weniger freiwilligen Moratorium von einem Jahr sollen die umstrittenen Experimente am Vogelgrippe-Virus fortgesetzt werden. Dies kündigte eine Gruppe von 40 Forschern jetzt in einem offenen Brief in Science und Nature an. Sie hoffen darauf, dass die US-National Institutes of Health und andere Sponsoren demnächst grünes Licht geben.

Vor genau einem Jahr hatten die Virusforscher angekündigt, vorerst keine weiteren genetischen „Gain-of-Function“-Experimente am Vogelgrippe-Virus H5N1 vorzunehmen, die darauf zielen, die Virulenz des Erregers für den Menschen zu erhöhen. Voraus­gegangen war eine weltweite Empörung über Laborversuche, in denen Ron Fouchier von der Erasmus Universität in Rotterdam und Yoshihiro Kawaoka von der Universität von Wisconsin in Madison die Infektiosität des VogelgrippeVirus H5N1 mittels genetischer Manipulationen künstlich erhöht hatten.

Der H5N1-Wildtyp ist für den Menschen normalerweise nicht ansteckend. Seit seiner Entdeckung in 1997 sind weltweit nur 610 Erkrankungen bekannt geworden, ver­gleichsweise wenig im Vergleich zu der saisonalen Influenza, an der jedes Jahr Millionen von Menschen erkranken, aber in den allermeisten Fällen vollkommen genesen. Die Vogelgrippe nimmt dagegen in der Regel einen schweren Verlauf: Mehr als die Hälfte aller bekannt gewordenen Vogelgrippe-Erkrankungen beim Menschen endeten tödlich. Wenn die Viren, die Fouchier und Kawaoka in ihren Experimenten geschaffen hatten, an die Umwelt abgegeben würden, könnte dies eine verheerende Vogelgrippe-Pandemie auslösen.

Fouchier selbst hatte sich im November 2011 gegenüber der Presse damit gebrüstet, wahrscheinlich „eines der gefährlichsten Viren, die man sich vorstellten kann“, produziert zu haben – was der Forscher im Nachhinein bedauert haben dürfte. Der National Science Advisory Board for Biosecurity, der die US-Regierung zu Fragen eines potenziellen Bioterrorismus berät, stoppte vorübergehend die von Fouchier bei Science eingereichte Studie, und auch die Publikation von Kawaoka in Nature wurde verschoben. Beide wurden erst im März 2012 in „entschärfter Form“ veröffentlicht. Im methodischen Teil waren alle Hinweise getilgt, die böswilligen Nachahmern die Reproduktion der Experimente ermöglicht haben könnten.

Mittlerweile waren weltweit alle Experimente in diesem Bereich gestoppt worden, wofür auch die National Institutes of Health (NIH) gesorgt hatten. Der weltweit größte Sponsor für die biomedizinische Grundlagenforschung vergibt derzeit keine Forschungsgelder. Zuvor hatten die NIH die Experimente der beiden Forschergruppen gefördert.

Das Ziel des Moratoriums war es, Öffentlichkeit und Sponsoren von der Sicherheit der Experimente zu überzeugen. Dies sei jetzt erreicht, schreibt das Team in ihrem öffentlichen Brief. Es beruft sich dabei auf mehrere Publikationen und drei Konferenzen, in denen die Forscher ihre Argumente zu Nutzen und Sicherheit der Experimente vorgestellt hatten. Die Weltgesundheitsorganisation hat inzwischen neue Empfehlungen zu den Sicherheitsstandards in den Laboratorien veröffentlicht.

Zweitoberste Sicherheitsstufe jetzt Voraussetzung
Die Experimente sollen nur noch in Laboren mit der zweitobersten Sicherheitsstufe, Biosafety level 3 plus, durchgeführt werden. Die Behörden in den USA, Kanada und in den Niederlanden haben laut den Autoren die Sicherheit der Labore inzwischen geprüft. Es gebe deshalb keinen Grund, das Moratorium weiter aufrecht zu erhalten, meinen Fouchier, Kawaoka und 38 weitere Unterzeichner, darunter auch Vertreter der Universität Marburg und des Friedrich-Loeffler-Instituts von der Insel Riems.

Die Zeit dränge, da das Vogelgrippe-Virus sich in der Zwischenzeit weiter entwickele und jederzeit in eine für den Menschen gefährlichere Form mutieren könne. Die Forscher sehen sich deshalb der Öffentlichkeit gegenüber geradezu in einer Verpflichtung ihre Experimente fortzuführen.

Die eigentliche Entscheidung liegt allerdings bei den Sponsoren. Laut Zeitungsberichten wollen die National Institutes of Health und der US-Gesundheitsministerium in den nächsten Wochen bekannt geben, unter welchen Bedingungen sie die Forschung wieder finanzieren wollen. Man darf annehmen, dass das National Science Advisory Board for Biosecurity bei der Ausgestaltung der Empfehlungen mitentscheiden wird.

© rme/aerzteblatt.de

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