Medizin
Schizophrenie eine Autoimmunerkrankung?
Donnerstag, 24. Januar 2013
Magdeburg – Jeder zehnte Patient mit einer neu diagnostizierten Schizophrenie hat im Blut Antikörper gegen NMDA-Rezeptoren, die im Gehirn an der Pathogenese der Psychose beteiligt sind. Dies kam in einer Studie in JAMA Psychiatry (2013; doi:10.1001/2013.jamapsychiatry.86) heraus, die auf neue, bisher ungeprüfte Therapieansätze hinweist.
N-Methyl-D-Aspartat oder NMDA-Rezeptoren sind Bindungsstellen für Glutamat, das zu den häufigsten Neurotransmittern im Gehirn gehört. Eine Bedeutung der Glutamat-Signalübertragung bei der Schizophrenie wird seit längerem vermutet. Vor einigen Jahren beobachtete der US-Neurologe Josep Dalmau von der Universität von Pennsylvania in Philadelphia, dass Patientinnen, die im Rahmen eines Ovarialkarzinoms Antikörper gegen NMDA-Rezeptoren entwickelten, an einer schweren Psychose erkrankten. Es kam zu einem paraneoplastischen Syndrom, das mit einer Enzephalitis einhergeht, ausgelöst durch die Antikörper.
Diese Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis wurde bisher für extrem selten gehalten. Doch die Gruppe um Privatdozent Johann Steiner von der Magdeburger Universitätsklinik fand die Antikörper jetzt bei 12 von 121 Patienten (9,9 Prozent) mit einer neu diagnostizierten Schizophrenie. Bei Patienten mit Major-Depression (2,8 Prozent) wurden sie seltener und bei gesunden Kontrollen (0,4 Prozent) fast nie gefunden.
Der Nachweis der Antikörper allein belegt noch nicht, dass sie an der Pathogenese der Schizophrenie beteiligt sind. Bei zwei der Patienten änderten die Magdeburger jedoch die Diagnose. Beide hatten auch im Liquor spezifische Antikörper. Sie waren tatsächlich an einer Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis erkrankt. Bei den anderen gehen die Forscher weiterhin von einer Schizophrenie aus.
Sie halten es aber für möglich, dass es sich um eine spezielle Variante der Psychose handelt. Sollten die Antikörper hier tatsächlich an der Pathogenese beteiligt sein, könnten sich neue Behandlungsoptionen eröffnen, argumentiert Forschungsleiter Steiner. Zu überprüfen wäre der Nutzen entzündungshemmender Therapien wie Kortison oder Immunglobuline. Hierzu liegen allerdings bisher keine Ergebnisse vor.
Steiner erinnert daran, dass bereits der Schweizer Psychiater Eugen Bleuler, der vor über hundert Jahren den Krankheitsbegriff geprägt hat, vermutete, dass es sich bei der Schizophrenie um eine Gruppe psychischer Erkrankungen mit ähnlicher Erscheinungsform aber unterschiedlichen Auslösern handelt. Bisher liegen diese Auslöser weitgehend im Dunkeln. Eine Autoimmungenese wäre eine Möglichkeit. © rme/aerzteblatt.de

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