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Politik

Stress am Arbeitsplatz weit verbreitet – aber keine Zunahme

Dienstag, 29. Januar 2013

dpa

Berlin – Stress am Arbeitsplatz ist in Deutschland nach wie vor weit verbreitet. Das berich­tet die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin heute im sogenannten Stressreport 2012. Danach beklagen mit 43 Prozent aber weniger Arbeitnehmer als vor sechs Jahren, dass Stress und Arbeitsdruck für sie zugenommen haben.

Für die Studie wurden zwischen Oktober 2011 und März 2012 rund 20.000 Erwerbstätige in Deutschland befragt, unter anderem zu ihren Arbeitsbedingungen und gesundheit­lichen Beschwerden. Bei der vorangegangenen Erhebung von 2005/2006 berichtete noch jeder zweite Arbeitnehmer von einer Zunahme von Stress in den vergangenen zwei Jahren.

Viele Merkmale arbeitsbedingter psychischer Belastung befänden sich aber „nach wie vor auf hohem Niveau“, heißt es im Stressreport. Starker Termin- und Leistungsdruck sowie die Anforderung, sehr schnell arbeiten zu müssen, empfänden die Arbeitnehmer sogar als belastender als bei der vorangegangenen Erhebung.

Konkret sehen sich die Beschäftigten häufig Multitasking (58 Prozent), starkem Termin- und Leistungsdruck (52 Prozent) oder ständig wiederholenden Arbeitsvorgängen (50 Prozent) ausgesetzt. 44 Prozent erleben während ihrer Arbeit häufig Störungen. Dieser Stress schadet offenbar der Gesundheit: 17 Prozent der Befragten fühlten sich in den letzten zwölf Monaten während der Arbeit häufig körperlich und emotional erschöpft. Wenn es um den Schutz vor körperlichen Gefahren gehe, seien deutsche Unternehmen „spitze, leider machen sich aber noch viel zu wenige Betriebe Gedanken, wie sie ihre Mitarbeiter vor Stress und Burn-out schützen können“, sagte Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) auf einer Fachtagung in Berlin.

Dafür sei es nun „höchste Zeit“. Die Ministerin berichtete, 2011 seien bundesweit 59,2 Millionen Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund psychischer Erkrankungen registriert worden. Das sei ein Anstieg um mehr als 80 Prozent in den vergangenen 15 Jahren. Dies habe zu einem Ausfall an Bruttowertschöpfung von 10,3 Milliarden Euro geführt, also dem Produktionswert aller Leistungen und Dienstleistungen abzüglich der Vorleistungen.

46- bis 55-Jährige besonders gestresst
In einer aktuellen Forsa-Umfrage im Auftrag der Techniker Krankenkasse (TK) gab jeder vierte Befragte an, häufig oder ständig unter Stress und Erschöpfung zu leiden. Besonders betroffen sind laut TK die 46- bis 55-Jährigen: Hier erklärten sogar 36 Prozent der Befragten, sich ausgebrannt zu fühlen. Von den 36- bis 45-Jährigen sind es 33 Prozent.

Arbeitsklima oft auch positiv
Das Arbeitsklima ist jedoch nicht nur negativ geprägt: Mehr als vier Fünftel der im Rahmen des Stressreportes Befragten berichten, dass Kollegen sie unterstützten. Mehr als drei Viertel gaben an, sich den Anforderungen in der Arbeitswelt gewachsen zu fühlen.

Das Bundesamt für Arbeitsschutz fordert die Arbeitgeber auf, Organisationskulturen mit überlangen Arbeitszeiten, Zeitdruck und Multitasking kritisch zu hinterfragen. Möglich­keiten seien dabei unter anderem die Einführung störungsfreier Arbeitszeiten oder Kurse zum Zeit- und Stressmanagement. Bei Restrukturierungen müssten neben den Chancen für die Wettbewerbsfähigkeit auch die Risiken für die Beschäftigten beachtet werden.   

Keine gemeinsame Erklärung von Gewerkschaften und Arbeitgebern
An der Fachtagung nahmen auch Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) teil. Eine geplante gemeinsame Erklärung zur psychischen Gesundheit bei der Arbeit kam aber nicht zustande. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach sprach von einer „Arbeit­geber-Blockade“ und forderte die Bundesregierung auf, ihren Worten Taten folgen zu lassen“. „Notwendig sind klare Regeln durch eine Anti-Stress-Verordnung, mehr Mitbestimmung und Sanktionen gegen diejenigen Unternehmen, die das Arbeits­schutzgesetz nicht einhalten“, erklärte Buntenbach.

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt wies darauf hin, dass Beschäftigte seltener an psychischen Erkrankungen leiden als Nichtbeschäftigte. „Daher ist es auch falsch, psychische Erkrankungen vorrangig auf Arbeit zurückzuführen, das Gegenteil ist richtig“, sagte er. Die Arbeitgeber lehnen aber laut Hundt die Forderung der Gewerkschaften nach einer neuen Rechtsverordnung ab. „Wir brauchen nicht neue Rechtsvorschriften, sondern eine verbesserte Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen“, sagte der BDA-Vorsitzende.

Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig nannte das Scheitern der Erklärung einen „weiteren Beleg für die jahrelange Untätigkeit von der Leyens“: „Außer warmer Worte haben wir von ihr bisher nichts gehört, das dieses Thema wirklich vorangebracht hätte“, kritisierte sie. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast forderte einen modernen Arbeitsschutz, betriebliche Gesundheitsförderung und flexiblere Arbeitszeitmodelle.

© hil/afp/aerzteblatt.de

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