Medizin
Schlaganfall: Endovaskuläre Intervention in Studie ohne Nutzen
Freitag, 8. Februar 2013
Cincinnati – Die Blutgerinnsel, die in Hirnarterien ischämische Schlaganfälle auslösen, lassen sich heute oft mit Hilfe von Kathetern beseitigen. Doch eine erfolgreiche mechanische Reperfusion konnte in einer randomisierten klinischen Studie im New England Journal of Medicine (2013; doi: 10.1056/ NEJMoa1214300) die Ergebnisse einer alleinigen intravenösen Thrombolyse nicht verbessern. Die Studie wurde vorzeitig abgebrochen.
Im August 2004 wurde in den USA mit dem Merci-Retriever der erste Katheter zur Beseitigung von Blutgerinnseln aus Hirnarterien eingeführt. Für die Zulassung musste der Hersteller lediglich nachweisen, dass der Katheter in der Lage war, die Perfusion in den Hirnarterien wieder herzustellen, ohne dem Patienten Schaden zuzufügen. Den Beleg für einen klinischen Nutzen (also etwa die Minderung der Behinderung im Rankin-Score im kontrollierten Vergleich mit der Standardtherapie, der Thrombolyse) verlangte die FDA nicht.
In den Folgejahren kamen in den USA und in Europa (wo die Hürden zur Zulassung von Medizinalprodukten noch niedriger sind) weitere Spezialkatheter auf den Markt, wie das Penumbra System und die Solitaire FR Revascularization Device, die Thromben aus den Arterien bergen, oder das Micro-Sonic SV Infusion System, das die Thrombolyse mittels Ultraschall beschleunigt.
In der IMS-III-Studie (für: Interventional Management of Stroke) wurde den beteiligten Zentren in Nordamerika, Australien und Europa (deutsche Beteiligung Dresden) freigestellt, welchen Katheter sie einsetzen. Die Patienten wurden im Verhältnis 2 zu 1 auf eine endovaskuläre Intervention oder eine Kontrollgruppe randomisiert. Alle Patienten hatten zuvor eine Thrombolyse mit rtPA erhalten, der derzeit einzigen evidenz-basierten Reperfusionstherapie des ischämischen Schlaganfalls.
An der Studie nahmen Patienten mit einem Schlaganfall teil, der durch einen Thrombus in einer größeren Hirnarterie ausgelöst wurde. Der Symptombeginn durfte nicht länger als 3 Stunden zurückliegen. Ursprünglich waren 900 Patienten geplant. Doch eine Zwischenauswertung nach Einschluss von 656 Patienten zeigte, dass die endovaskuläre Intervention ihr Ziel nicht mehr erreichen konnte, die Zahl der Patienten zu steigern, die die Klinik mit einem Rankin-Score von 2 oder weniger (zeigt eine funktionelle Unabhängigkeit des Patienten an) verlassen konnten.
Dieser primäre Endpunkt wurde nach 90 Tagen unter der alleinigen Thrombolyse von 38,7 Prozent der Patienten erreicht. Die zusätzliche endovaskuläre Intervention verbesserte die Rate auf 40,8 Prozent, ein unwesentlicher Gewinn von 1,5 Prozentpunkten, der bei einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von minus 6,1 bis plus 9,1 das Signifikanzniveau verfehlten, wie Joseph Broderick vom University of Cincinnati Academic Health Center und Mitarbeiter jetzt auf der International Stroke Conference 2013 in Honolulu/Hawaii einräumen mussten.
Dabei war die Katheterbehandlung „technisch“ sehr erfolgreich: Verschlüsse im ersten Segment der Arteria cerebri media (M1), die vom Katheter am leichtesten zu erreichen ist, wurden bei 81 Prozent der Patienten reperfundiert im Vergleich zu 40 Prozent in der Kontrollgruppe. Dass die klinischen Ergebnisse dennoch nicht besser waren, gehört zu den ungelösten Rätseln der Studie.
Eine mögliche Erklärung könnte ein zu später Beginn der Therapie sein, vermutet Broderick. Er berichtet, dass die intraarterielle Therapie in der Studie im Durchschnitt 32 Minuten später einsetzte als in den beiden vorangegangenen Pilotstudien IMS-I und IMS-II. Die Erfahrungen in diesen Studien hätten gezeigt, dass die Ergebnisse umso besser sind, je früher die Patienten behandelt werden können, wie dies auch bei der Thrombolyse der Fall ist.
Broderick äußerte die Hoffnung, dass mit der Weiterentwicklung der Katheter in Zukunft klinisch relevante Verbesserungen erzielt werden. Auch die richtige Auswahl der Patienten könnte wichtig sein: In der aktuellen Studie wurde bei Patienten mit einem NIHSS-Score von 20 oder höher (zeigt einen schweren Schlaganfall an) ein überdurchschnittlicher Vorteil von 6,8 Prozentpunkten erzielt.
Er war zwar nicht signifikant, könnte aber zu einem Entscheidungskriterium bei der Auswahl von Patienten für künftige Studien werden. Ein wichtiges Ergebnisse der Studie ist sicherlich, dass die endovaskuläre Therapie nicht zu einen Anstieg der hämorrhagischen Schlaganfälle (oder gar der Sterberate) führte, so dass die Therapie in den Händen von versierten Neurologen als sicher angesehen werden kann. © rme/aerzteblatt.de

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