Vermischtes
Falsch entsorgte Arzneimittel gefährden die Umwelt
Mittwoch, 27. Februar 2013
Berlin – Antibiotikaresistenzen bei Menschen und Zellveränderungen bei Fischen: Falsch entsorgte Medikamente gelangen über den Hausmüll und das Abwasser vielfach in die Gewässer und können dort Schäden verursachen. Abhilfe schaffen könnte ein verbindliches Sammel- und Rücknahmesystem in Apotheken, wie es dies in anderen EU-Staaten bereits gebe, sagte der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Jürgen Resch, am Mittwoch in Berlin.
Viele Verbraucher wüssten gar nicht, welche Auswirkungen eine falsche Entsorgung von Medikamentenresten auf die Umwelt habe. Diese würden oft über die Toilette entsorgt, aber auch bei Entsorgung durch über den Hausmüll könnten die Wirkstoffe in den Wasserkreislauf geraten, hieß es seitens der DUH.
Mehr als 100 verschiedene Substanzen seien in Deutschland in nahezu allen Oberflächengewässern, in Teilen des Grundwassers und vereinzelt sogar im Trinkwasser nachweisbar, berichtete die Umwelthilfe, die sich auf verschiedene Studien beruft. Wie viele Tonnen jedes Jahr in die Gewässer gelangten, könne jedoch nur geschätzt werden.
Bodo Weigert, Experte vom Berliner Kompetenzzentrum Wasser, führte aus, dass von den rund 85.000 Tonnen des Schmerzmittelwirkstoffes Diclofenac, die sich jährlich im Umlauf befänden, etwa 10 Prozent weggeworfen würden und zum Teil auch in den Gewässern landeten.
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Diclofenac gehört den Angaben zufolge anders als Paracetamol, das relativ gut biologisch abbaubar ist, zu den Wirkstoffen, die sich in Gewässern negativ auswirken. Bei Fischen, wie etwa der Regenbogenforelle, kann er zu Zellveränderungen in Leber, Nieren und Kiemen führen. Problematisch ist auch Ethinylestradiol, ein synthetisches Östrogen aus der Anti-Baby-Pille. Beobachtet wurden bei Fischen und anderen Wassertieren bereits dadurch verursachte Missbildungen an den Fortpflanzungsorganen und sinkende Fruchtbarkeit.
Gefahr zunehmender Antibiotikaresistenzen
Zu alarmierenden Ergebnissen kam auch eine kürzlich veröffentlichte Studie aus Schweden, die nachwies, dass selbst geringe Rückstände gängiger Psychopharmaka in Flüssen, Seen und Teichen zu Verhaltensveränderungen bei Barschen führen. Bedenklich für Menschen wiederum seien Antibiotika, die über falsche Entsorgung ins Wasser gelangten und das ohnehin bestehende Problem zunehmender Antibiotikaresistenzen zusätzlich verschärften, führte Resch aus.
Um die Menge der Arzneimittelwirkstoffe in den Gewässern zu reduzieren, sei ein Sammel- und Rückgabesystem für Altmedikamente unumgänglich. Eine entsprechende EU-Richtlinie von 2004 habe Deutschland bislang nicht umgesetzt, kritisierte Resch. Er forderte zudem, dass die Kosten dafür von den Arzneimittelherstellern getragen werden müssten.
Derzeit sei die Rücknahme der Medikamente durch die Apotheken freiwillig – und rückläufig. Während vor einigen Jahren noch zwei von drei Apotheken Arzneimittel zurückgenommen und entsorgt hätten, biete inzwischen nur noch ein Bruchteil von ihnen diesen Service an. Das müsse sich dringend ändern.
Medikamentenreste gelangen allerdings nicht nur über falsche Entsorgung in den Wasserkreislauf, sondern auch über Ausscheidungen. Hiergegen helfen laut Weigert nur sehr teure, aufwendige und energieintensive Verfahrenstechniken in Klärwerken. Da der Anteil alter Menschen steige und damit auch die Zahl der verordneten Medikamente, könnten diese Techniken in Zukunft notwendig sein.
Ein Argument gegen ein Rücknahmesystem für Arzneimittel ist dies nach Überzeugung der Experten Resch und Weigert aber nicht. „Jede Tonnage, die weniger in den Klärwerken landet, entlastet das System“, betont Weigert. Und Resch fügt hinzu. „Alles, was vermieden werden kann, sollte auch vermieden werden.“ © dapd/aerzteblatt.de

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