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Medizin

Mehr Herzinfarkte nach Wirtschaftskrisen und Naturkatastrophen

Freitag, 8. März 2013

dpa

Kalamata/Griechenland/New Orleans – In Griechenland ist es seit der Wirtschaftskrise zu einem Anstieg der Herzinfarktrate gekommen, ein ähnliches Phänomen konnte nach dem Tropensturm Katrina in New Orleans beobachtet werden. Kardiologen deuten dies auf der Jahrestagung des American College of Cardiology in San Francisco als Folge einer posttraumatischen Belastungsstörung in der Bevölkerung.

Die Schuldenkrise in Griechenland hat die ländlichen Regionen des Landes nicht verschont. Auch in Messenien im Südwesten der Peloponnes hat die Wirtschaftskraft stark nachgelassen. Viele Menschen haben dort nicht nur ihren Arbeitsplatz verloren. Die Versorgung mit Medikamenten ist ebenfalls schwieriger geworden, worunter insbe­sondere die kardialen Patienten leiden, denen die Kardiologen ASS, Betablocker, ACE-Hemmer, Statine und andere Medikamente verordnen, die das Fortschreiten der Erkrankung aufhalten soll.

Viele Patienten nehmen die Medikamente nicht mehr ein, andere leiden stark unter den psychologischen Auswirkungen der Finanzkrise, vermutet Emmanouil Makaris vom Allgemeinen Krankenhaus in Kalamata, der einzigen kardiologischen Abteilung in Messenien (166.000 Einwohner).

Eine Folge war ein Anstieg der Patienten, die wegen eines Herzinfarkts in der Klinik behandelt werden mussten: Die Inzidenz stieg seit Beginn der Finanzkrise von 17,43 auf 22,46 pro 100.000 Einwohner. Mehr noch als die Männer (plus 29,4 Prozent) waren Frauen (plus 39,2 Prozent) betroffen. Bei Frauen sei die Arbeitslosenrate besonders stark gestiegen, berichtet Makaris. Viele Frauen bekämen die Krise besonders schwer zu spüren, da sie in der griechischen Provinz für die Versorgung der Kinder zuständig sind.

Ähnliche Erfahrungen hat der Kardiologe Anand Irimpen von der Tulane University School of Medicine in New Orleans gemacht. Die Stadt wurde Ende August 2005 vom Hurrikan Katrina überflutet und zu Teilen zerstört. In der Folge haben viele Einwohner Arbeitsplatz und Versicherungsschutz (und nicht wenige auch ihr Zuhause verloren). Der Anteil der Herzinfarkte an allen Klinikeinweisungen ist laut Irimpen nach Katrina von 0,7 auf 2,4 Prozent gestiegen.

Es wurden nicht nur mehr Herzinfarktpatienten behandelt, auch der Anteil der Patienten mit bekannter koronarer Herzkrankheit, hohen Lipidspiegeln und psychiatrischen Begleiterkrankungen sei angestiegen. Für Irimpen ist dies ein Zeichen für eine schlechtere medizinische Versorgung und eine erhöhte psychologische Komorbidität der Bevölkerung.

Auswirkungen auf den Glukosestoffwechsel
Der psychologische Stress könnte bei den Bewohnern von New Orleans und vielen Griechen zu einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTSD) geführt haben, die nach einer weiteren auf der Tagung vorgestellten Studie ungünstige Auswirkungen auf den Glukosestoffwechsel hat.

In einer retrospektiven Studie kann Ramin Ebrahimi von der Universität von Kalifornien in Los Angeles zeigen, dass die PTSD bereits nach kurzer Zeit eine Insulinresistenz auslösen kann. Diese Störung war nach 2 Jahren bereits bei 35 Prozent der PTSD nachweisbar gegenüber nur 19 Prozent in einer Kontrollgruppe. Die Insulinresistenz begünstigt neben anderen Faktoren die Entwicklung eines metabolischen Syndroms (die Kombination aus erhöhtem Blutdruck, Blutzucker und Blutfetten und einer Adipositas), die Ebrahimi bei 53 Prozent der PTSD-Patienten gegenüber 38 Prozent der Vergleichsgruppe recherchierte.

Das Metabolische Syndrom ist ein etablierter Risikofaktor für Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Schlaganfall und Herzinfarkt, was die Beweiskette von Wirtschaftskrisen und Naturkatastrophen über psychologischen Stress und PTSD hin zu vermehrten Herzinfarkten schließt.

In New Orleans scheint jedoch allmählich wieder Normalität einzukehren. Die Kardiologen bemerken dies vor allem am Montagmorgen. Zu Wochenbeginn und dann vor allem in den Morgenstunden häufen sich normalerweise die Herzinfarkte, weil der stressige Wechsel von der Freizeit zur Arbeitsroutine mit dem morgendlichen Anstieg der Kortisolausschüttung zusammenfällt.

Vor dem Hurricane traten in New Orleans 23 Prozent aller wöchentlichen Herzinfarkte am Montag auf, nach Katrina waren es – aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit – nur noch 10 Prozent. Erst in den letzten beiden Jahren ist der Anteil langsam wieder angestiegen, auf derzeit 16,5 Prozent, wie Matthew Peters von der Tulane University berichtet. © rme/aerzteblatt.de

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